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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Spiegel gemacht hat, hab' ich gesehen. Sie ist in großen Umrissen,
skizzenhaft mit dem Bleistift entworfen; die schärferen Striche und
angegebenen Schattenparthieen mit Dinte dazwischen gezogen. In
seinem 14. Jahre zog seine Mutter nach Berlin und Schinkel
kam nur noch besuchsweise nach Ruppin, besonders nach Kränzlin,
einem nahebei gelegenen Dorfe, wo er im dortigen Predigerhause
die Ferien bei seiner verheiratheten Schwester zu verbringen pflegte.
Die Töchter dieser Schwester leben noch in Ruppin und entsinnen
sich eines Zimmers im Kränzliner Predigerhause, das er während
seiner mannigfachen Besuche ganz mit Arabesken, Blumen und
Vögeln bemalt hatte. Aus späterer Zeit stammt eine kleine Zeich-
nung, in chinesischer Tusche ausgeführt, die sich, sorgfältig einge-
rahmt, im Besitz des Küsters zu Darritz, eine halbe Meile von
Kränzlin, befindet. Er war 18 Jahr alt, als er diese äußerst
saubre Arbeit machte, denn rechts in der Ecke steht: "Schinkel
99 fec." Die Zeichnung (etwa im Verhältniß von 9 Zoll zu 5 Zoll)
stellt ein Familienbegräbniß, ein Mausoleum dar, das nach zwei
Seiten hin von dunklen Baumparthieen eingeschlossen ist; links hin
öffnet sich der Blick auf eine Landschaftsskizze, die, so klein sie ist,
auf der Stelle an die großen Vorbilder Claudes erinnert. Die
dem Beschauer zugekehrte Längswand trägt die Inschrift: "Tran-
quillitati"
und darunter ein sauber ausgeführtes Basrelief: Pluto
und Proserpina, zu deren Füßen ein Bittender kniet. Die Arbeit
ist lehrreich und interessant zugleich; in Ruhe, Einfachheit und
Schönheit schon ganz Schinkel, aber es fehlt freilich noch die Freiheit
der Bewegung; die Schule seines Meisters Gilly blickt noch durch.

Diese zwei Zeichnungen, von denen ich die letztere, die eine
gewisse kunsthistorische Bedeutung beanspruchen darf, ausführlicher
beschrieben habe, sind muthmaßlich alles, was die ganze Grafschaft
Ruppin von dem bedeutendsten Manne besitzt, den sie je hervor-
gebracht hat; denn wie viel Tüchtiges auch, im Lauf der Jahr-
hunderte, an den Ufern des Ruppiner See's emporgewachsen ist,
keiner ragt an den Superintendenten-Sohn heran, der das alte

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Spiegel gemacht hat, hab’ ich geſehen. Sie iſt in großen Umriſſen,
ſkizzenhaft mit dem Bleiſtift entworfen; die ſchärferen Striche und
angegebenen Schattenparthieen mit Dinte dazwiſchen gezogen. In
ſeinem 14. Jahre zog ſeine Mutter nach Berlin und Schinkel
kam nur noch beſuchsweiſe nach Ruppin, beſonders nach Kränzlin,
einem nahebei gelegenen Dorfe, wo er im dortigen Predigerhauſe
die Ferien bei ſeiner verheiratheten Schweſter zu verbringen pflegte.
Die Töchter dieſer Schweſter leben noch in Ruppin und entſinnen
ſich eines Zimmers im Kränzliner Predigerhauſe, das er während
ſeiner mannigfachen Beſuche ganz mit Arabesken, Blumen und
Vögeln bemalt hatte. Aus ſpäterer Zeit ſtammt eine kleine Zeich-
nung, in chineſiſcher Tuſche ausgeführt, die ſich, ſorgfältig einge-
rahmt, im Beſitz des Küſters zu Darritz, eine halbe Meile von
Kränzlin, befindet. Er war 18 Jahr alt, als er dieſe äußerſt
ſaubre Arbeit machte, denn rechts in der Ecke ſteht: „Schinkel
99 fec.“ Die Zeichnung (etwa im Verhältniß von 9 Zoll zu 5 Zoll)
ſtellt ein Familienbegräbniß, ein Mauſoleum dar, das nach zwei
Seiten hin von dunklen Baumparthieen eingeſchloſſen iſt; links hin
öffnet ſich der Blick auf eine Landſchaftsſkizze, die, ſo klein ſie iſt,
auf der Stelle an die großen Vorbilder Claudés erinnert. Die
dem Beſchauer zugekehrte Längswand trägt die Inſchrift: »Tran-
quillitati«
und darunter ein ſauber ausgeführtes Basrelief: Pluto
und Proſerpina, zu deren Füßen ein Bittender kniet. Die Arbeit
iſt lehrreich und intereſſant zugleich; in Ruhe, Einfachheit und
Schönheit ſchon ganz Schinkel, aber es fehlt freilich noch die Freiheit
der Bewegung; die Schule ſeines Meiſters Gilly blickt noch durch.

Dieſe zwei Zeichnungen, von denen ich die letztere, die eine
gewiſſe kunſthiſtoriſche Bedeutung beanſpruchen darf, ausführlicher
beſchrieben habe, ſind muthmaßlich alles, was die ganze Grafſchaft
Ruppin von dem bedeutendſten Manne beſitzt, den ſie je hervor-
gebracht hat; denn wie viel Tüchtiges auch, im Lauf der Jahr-
hunderte, an den Ufern des Ruppiner See’s emporgewachſen iſt,
keiner ragt an den Superintendenten-Sohn heran, der das alte

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[65/0083] Spiegel gemacht hat, hab’ ich geſehen. Sie iſt in großen Umriſſen, ſkizzenhaft mit dem Bleiſtift entworfen; die ſchärferen Striche und angegebenen Schattenparthieen mit Dinte dazwiſchen gezogen. In ſeinem 14. Jahre zog ſeine Mutter nach Berlin und Schinkel kam nur noch beſuchsweiſe nach Ruppin, beſonders nach Kränzlin, einem nahebei gelegenen Dorfe, wo er im dortigen Predigerhauſe die Ferien bei ſeiner verheiratheten Schweſter zu verbringen pflegte. Die Töchter dieſer Schweſter leben noch in Ruppin und entſinnen ſich eines Zimmers im Kränzliner Predigerhauſe, das er während ſeiner mannigfachen Beſuche ganz mit Arabesken, Blumen und Vögeln bemalt hatte. Aus ſpäterer Zeit ſtammt eine kleine Zeich- nung, in chineſiſcher Tuſche ausgeführt, die ſich, ſorgfältig einge- rahmt, im Beſitz des Küſters zu Darritz, eine halbe Meile von Kränzlin, befindet. Er war 18 Jahr alt, als er dieſe äußerſt ſaubre Arbeit machte, denn rechts in der Ecke ſteht: „Schinkel 99 fec.“ Die Zeichnung (etwa im Verhältniß von 9 Zoll zu 5 Zoll) ſtellt ein Familienbegräbniß, ein Mauſoleum dar, das nach zwei Seiten hin von dunklen Baumparthieen eingeſchloſſen iſt; links hin öffnet ſich der Blick auf eine Landſchaftsſkizze, die, ſo klein ſie iſt, auf der Stelle an die großen Vorbilder Claudés erinnert. Die dem Beſchauer zugekehrte Längswand trägt die Inſchrift: »Tran- quillitati« und darunter ein ſauber ausgeführtes Basrelief: Pluto und Proſerpina, zu deren Füßen ein Bittender kniet. Die Arbeit iſt lehrreich und intereſſant zugleich; in Ruhe, Einfachheit und Schönheit ſchon ganz Schinkel, aber es fehlt freilich noch die Freiheit der Bewegung; die Schule ſeines Meiſters Gilly blickt noch durch. Dieſe zwei Zeichnungen, von denen ich die letztere, die eine gewiſſe kunſthiſtoriſche Bedeutung beanſpruchen darf, ausführlicher beſchrieben habe, ſind muthmaßlich alles, was die ganze Grafſchaft Ruppin von dem bedeutendſten Manne beſitzt, den ſie je hervor- gebracht hat; denn wie viel Tüchtiges auch, im Lauf der Jahr- hunderte, an den Ufern des Ruppiner See’s emporgewachſen iſt, keiner ragt an den Superintendenten-Sohn heran, der das alte 5

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/83>, abgerufen am 24.11.2024.