marschall hier eine Stätte bereiten wollte, betraten die Schwelle des Schlosses nicht wieder, das -- des sagenhaften Schatzes ganz zu geschweigen -- Schätze an Gold verschlungen hatte, um es aufzubauen. Da, während der fünfziger Jahre dieses Jahrhun- derts, trat wieder ein Barfus in das alte Barfusschloß ein. Der Eintretende war ein Urenkel des Feldmarschalls; er kam nicht als Herr, er kam als Gast. Sei es ein romantischer Herzenszug, oder sei es Pietät gegen die Stätte, wo sein Ahnherr gelebt und einen Denkstein seines Ruhms und seines Reichthums hinterlassen hatte, gleichviel, der Enkel hatte das Ansuchen an den König gestellt, einen Sommer lang in Schloß Cossenblatt residiren zu dürfen, und Friedrich Wilhelm IV., dessen Königs- und Poetenherz histo- rischen Sinn und romantisches Empfinden in jeder Gestalt zu schätzen wußte, hatte dem Ansuchen gern willfahrt.
General Barfus, selbst ein alter Soldat, zog ein in das alte Feldmarschallsschloß. Ein Wagen hielt vor der Steintreppe, die rostigen Angeln gaben halb widerwillig nach, und der Enkel stand, ein Gast, ein Fremder, im Haus seiner Väter. Niemand war mit ihm als seine Frau und deren Dienerin. Er bezog die Eckzimmer im Schloß und das Nöthigste an Hausrath wurde herbeigeschafft; aber es war nicht möglich, die Oede des Orts in Wohnlichkeit zu verwandeln. Der Regen fuhr durch die morsch gewordenen Fen- ster und selbst das heitere Sonnenlicht lieh diesem Ort keine Hei- terkeit, denn ungemildert fiel es durch die großen Fenster und sprang heiß und blendend von den kahlen weißen Wänden zurück. Zu dem Bedrückenden der Oede gesellte sich der Mangel an al- lem, was das Leben, selbst ein einfaches Leben, an Unterhalt erfordert. Die Stadt war weit und das Dorf war arm. Die Frauen litten schwer; aber das romantische Herz des Generals trug die Entbehrungen, die ihm Schloß Cossenblatt auferlegte, mit Freudigkeit; sie hoben ihn mehr, als daß sie ihn niederdrückten. Er war nicht nach Schloß Cossenblatt gekommen, um zu banket- tiren; es lag ihm nicht an lustiger Gesellschaft und an lautem Gespräch über den Tisch hin; es lag ihm an stiller Zwiesprach
marſchall hier eine Stätte bereiten wollte, betraten die Schwelle des Schloſſes nicht wieder, das — des ſagenhaften Schatzes ganz zu geſchweigen — Schätze an Gold verſchlungen hatte, um es aufzubauen. Da, während der fünfziger Jahre dieſes Jahrhun- derts, trat wieder ein Barfus in das alte Barfusſchloß ein. Der Eintretende war ein Urenkel des Feldmarſchalls; er kam nicht als Herr, er kam als Gaſt. Sei es ein romantiſcher Herzenszug, oder ſei es Pietät gegen die Stätte, wo ſein Ahnherr gelebt und einen Denkſtein ſeines Ruhms und ſeines Reichthums hinterlaſſen hatte, gleichviel, der Enkel hatte das Anſuchen an den König geſtellt, einen Sommer lang in Schloß Coſſenblatt reſidiren zu dürfen, und Friedrich Wilhelm IV., deſſen Königs- und Poetenherz hiſto- riſchen Sinn und romantiſches Empfinden in jeder Geſtalt zu ſchätzen wußte, hatte dem Anſuchen gern willfahrt.
General Barfus, ſelbſt ein alter Soldat, zog ein in das alte Feldmarſchallsſchloß. Ein Wagen hielt vor der Steintreppe, die roſtigen Angeln gaben halb widerwillig nach, und der Enkel ſtand, ein Gaſt, ein Fremder, im Haus ſeiner Väter. Niemand war mit ihm als ſeine Frau und deren Dienerin. Er bezog die Eckzimmer im Schloß und das Nöthigſte an Hausrath wurde herbeigeſchafft; aber es war nicht möglich, die Oede des Orts in Wohnlichkeit zu verwandeln. Der Regen fuhr durch die morſch gewordenen Fen- ſter und ſelbſt das heitere Sonnenlicht lieh dieſem Ort keine Hei- terkeit, denn ungemildert fiel es durch die großen Fenſter und ſprang heiß und blendend von den kahlen weißen Wänden zurück. Zu dem Bedrückenden der Oede geſellte ſich der Mangel an al- lem, was das Leben, ſelbſt ein einfaches Leben, an Unterhalt erfordert. Die Stadt war weit und das Dorf war arm. Die Frauen litten ſchwer; aber das romantiſche Herz des Generals trug die Entbehrungen, die ihm Schloß Coſſenblatt auferlegte, mit Freudigkeit; ſie hoben ihn mehr, als daß ſie ihn niederdrückten. Er war nicht nach Schloß Coſſenblatt gekommen, um zu banket- tiren; es lag ihm nicht an luſtiger Geſellſchaft und an lautem Geſpräch über den Tiſch hin; es lag ihm an ſtiller Zwieſprach
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0123"n="111"/>
marſchall hier eine Stätte bereiten wollte, betraten die Schwelle<lb/>
des Schloſſes nicht wieder, das — des ſagenhaften Schatzes ganz<lb/>
zu geſchweigen — Schätze an Gold verſchlungen hatte, um es<lb/>
aufzubauen. Da, während der fünfziger Jahre dieſes Jahrhun-<lb/>
derts, trat wieder ein Barfus in das alte Barfusſchloß ein. Der<lb/>
Eintretende war ein Urenkel des Feldmarſchalls; er kam nicht als<lb/>
Herr, er kam als Gaſt. Sei es ein romantiſcher Herzenszug, oder<lb/>ſei es Pietät gegen die Stätte, wo ſein Ahnherr gelebt und einen<lb/>
Denkſtein ſeines Ruhms und ſeines Reichthums hinterlaſſen hatte,<lb/>
gleichviel, der Enkel hatte das Anſuchen an den König geſtellt,<lb/>
einen Sommer lang in Schloß Coſſenblatt reſidiren zu dürfen,<lb/>
und Friedrich Wilhelm <hirendition="#aq">IV.</hi>, deſſen Königs- und Poetenherz hiſto-<lb/>
riſchen Sinn und romantiſches Empfinden in jeder Geſtalt zu<lb/>ſchätzen wußte, hatte dem Anſuchen gern willfahrt.</p><lb/><p>General Barfus, ſelbſt ein alter Soldat, zog ein in das alte<lb/>
Feldmarſchallsſchloß. Ein Wagen hielt vor der Steintreppe, die<lb/>
roſtigen Angeln gaben halb widerwillig nach, und der Enkel ſtand,<lb/>
ein Gaſt, ein Fremder, im Haus ſeiner Väter. Niemand war mit<lb/>
ihm als ſeine Frau und deren Dienerin. Er bezog die Eckzimmer<lb/>
im Schloß und das Nöthigſte an Hausrath wurde herbeigeſchafft;<lb/>
aber es war nicht möglich, die Oede des Orts in Wohnlichkeit zu<lb/>
verwandeln. Der Regen fuhr durch die morſch gewordenen Fen-<lb/>ſter und ſelbſt das heitere Sonnenlicht lieh dieſem Ort keine Hei-<lb/>
terkeit, denn ungemildert fiel es durch die großen Fenſter und<lb/>ſprang heiß und blendend von den kahlen weißen Wänden zurück.<lb/>
Zu dem Bedrückenden der Oede geſellte ſich der Mangel an al-<lb/>
lem, was das Leben, ſelbſt ein einfaches Leben, an Unterhalt<lb/>
erfordert. Die Stadt war weit und das Dorf war arm. Die<lb/>
Frauen litten ſchwer; aber das romantiſche Herz des Generals<lb/>
trug die Entbehrungen, die ihm Schloß Coſſenblatt auferlegte, mit<lb/>
Freudigkeit; ſie hoben ihn mehr, als daß ſie ihn niederdrückten.<lb/>
Er war nicht nach Schloß Coſſenblatt gekommen, um zu banket-<lb/>
tiren; es lag ihm nicht an luſtiger Geſellſchaft und an lautem<lb/>
Geſpräch über den Tiſch hin; es lag ihm an ſtiller Zwieſprach<lb/></p></div></body></text></TEI>
[111/0123]
marſchall hier eine Stätte bereiten wollte, betraten die Schwelle
des Schloſſes nicht wieder, das — des ſagenhaften Schatzes ganz
zu geſchweigen — Schätze an Gold verſchlungen hatte, um es
aufzubauen. Da, während der fünfziger Jahre dieſes Jahrhun-
derts, trat wieder ein Barfus in das alte Barfusſchloß ein. Der
Eintretende war ein Urenkel des Feldmarſchalls; er kam nicht als
Herr, er kam als Gaſt. Sei es ein romantiſcher Herzenszug, oder
ſei es Pietät gegen die Stätte, wo ſein Ahnherr gelebt und einen
Denkſtein ſeines Ruhms und ſeines Reichthums hinterlaſſen hatte,
gleichviel, der Enkel hatte das Anſuchen an den König geſtellt,
einen Sommer lang in Schloß Coſſenblatt reſidiren zu dürfen,
und Friedrich Wilhelm IV., deſſen Königs- und Poetenherz hiſto-
riſchen Sinn und romantiſches Empfinden in jeder Geſtalt zu
ſchätzen wußte, hatte dem Anſuchen gern willfahrt.
General Barfus, ſelbſt ein alter Soldat, zog ein in das alte
Feldmarſchallsſchloß. Ein Wagen hielt vor der Steintreppe, die
roſtigen Angeln gaben halb widerwillig nach, und der Enkel ſtand,
ein Gaſt, ein Fremder, im Haus ſeiner Väter. Niemand war mit
ihm als ſeine Frau und deren Dienerin. Er bezog die Eckzimmer
im Schloß und das Nöthigſte an Hausrath wurde herbeigeſchafft;
aber es war nicht möglich, die Oede des Orts in Wohnlichkeit zu
verwandeln. Der Regen fuhr durch die morſch gewordenen Fen-
ſter und ſelbſt das heitere Sonnenlicht lieh dieſem Ort keine Hei-
terkeit, denn ungemildert fiel es durch die großen Fenſter und
ſprang heiß und blendend von den kahlen weißen Wänden zurück.
Zu dem Bedrückenden der Oede geſellte ſich der Mangel an al-
lem, was das Leben, ſelbſt ein einfaches Leben, an Unterhalt
erfordert. Die Stadt war weit und das Dorf war arm. Die
Frauen litten ſchwer; aber das romantiſche Herz des Generals
trug die Entbehrungen, die ihm Schloß Coſſenblatt auferlegte, mit
Freudigkeit; ſie hoben ihn mehr, als daß ſie ihn niederdrückten.
Er war nicht nach Schloß Coſſenblatt gekommen, um zu banket-
tiren; es lag ihm nicht an luſtiger Geſellſchaft und an lautem
Geſpräch über den Tiſch hin; es lag ihm an ſtiller Zwieſprach
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/123>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.