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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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marschall hier eine Stätte bereiten wollte, betraten die Schwelle
des Schlosses nicht wieder, das -- des sagenhaften Schatzes ganz
zu geschweigen -- Schätze an Gold verschlungen hatte, um es
aufzubauen. Da, während der fünfziger Jahre dieses Jahrhun-
derts, trat wieder ein Barfus in das alte Barfusschloß ein. Der
Eintretende war ein Urenkel des Feldmarschalls; er kam nicht als
Herr, er kam als Gast. Sei es ein romantischer Herzenszug, oder
sei es Pietät gegen die Stätte, wo sein Ahnherr gelebt und einen
Denkstein seines Ruhms und seines Reichthums hinterlassen hatte,
gleichviel, der Enkel hatte das Ansuchen an den König gestellt,
einen Sommer lang in Schloß Cossenblatt residiren zu dürfen,
und Friedrich Wilhelm IV., dessen Königs- und Poetenherz histo-
rischen Sinn und romantisches Empfinden in jeder Gestalt zu
schätzen wußte, hatte dem Ansuchen gern willfahrt.

General Barfus, selbst ein alter Soldat, zog ein in das alte
Feldmarschallsschloß. Ein Wagen hielt vor der Steintreppe, die
rostigen Angeln gaben halb widerwillig nach, und der Enkel stand,
ein Gast, ein Fremder, im Haus seiner Väter. Niemand war mit
ihm als seine Frau und deren Dienerin. Er bezog die Eckzimmer
im Schloß und das Nöthigste an Hausrath wurde herbeigeschafft;
aber es war nicht möglich, die Oede des Orts in Wohnlichkeit zu
verwandeln. Der Regen fuhr durch die morsch gewordenen Fen-
ster und selbst das heitere Sonnenlicht lieh diesem Ort keine Hei-
terkeit, denn ungemildert fiel es durch die großen Fenster und
sprang heiß und blendend von den kahlen weißen Wänden zurück.
Zu dem Bedrückenden der Oede gesellte sich der Mangel an al-
lem, was das Leben, selbst ein einfaches Leben, an Unterhalt
erfordert. Die Stadt war weit und das Dorf war arm. Die
Frauen litten schwer; aber das romantische Herz des Generals
trug die Entbehrungen, die ihm Schloß Cossenblatt auferlegte, mit
Freudigkeit; sie hoben ihn mehr, als daß sie ihn niederdrückten.
Er war nicht nach Schloß Cossenblatt gekommen, um zu banket-
tiren; es lag ihm nicht an lustiger Gesellschaft und an lautem
Gespräch über den Tisch hin; es lag ihm an stiller Zwiesprach

marſchall hier eine Stätte bereiten wollte, betraten die Schwelle
des Schloſſes nicht wieder, das — des ſagenhaften Schatzes ganz
zu geſchweigen — Schätze an Gold verſchlungen hatte, um es
aufzubauen. Da, während der fünfziger Jahre dieſes Jahrhun-
derts, trat wieder ein Barfus in das alte Barfusſchloß ein. Der
Eintretende war ein Urenkel des Feldmarſchalls; er kam nicht als
Herr, er kam als Gaſt. Sei es ein romantiſcher Herzenszug, oder
ſei es Pietät gegen die Stätte, wo ſein Ahnherr gelebt und einen
Denkſtein ſeines Ruhms und ſeines Reichthums hinterlaſſen hatte,
gleichviel, der Enkel hatte das Anſuchen an den König geſtellt,
einen Sommer lang in Schloß Coſſenblatt reſidiren zu dürfen,
und Friedrich Wilhelm IV., deſſen Königs- und Poetenherz hiſto-
riſchen Sinn und romantiſches Empfinden in jeder Geſtalt zu
ſchätzen wußte, hatte dem Anſuchen gern willfahrt.

General Barfus, ſelbſt ein alter Soldat, zog ein in das alte
Feldmarſchallsſchloß. Ein Wagen hielt vor der Steintreppe, die
roſtigen Angeln gaben halb widerwillig nach, und der Enkel ſtand,
ein Gaſt, ein Fremder, im Haus ſeiner Väter. Niemand war mit
ihm als ſeine Frau und deren Dienerin. Er bezog die Eckzimmer
im Schloß und das Nöthigſte an Hausrath wurde herbeigeſchafft;
aber es war nicht möglich, die Oede des Orts in Wohnlichkeit zu
verwandeln. Der Regen fuhr durch die morſch gewordenen Fen-
ſter und ſelbſt das heitere Sonnenlicht lieh dieſem Ort keine Hei-
terkeit, denn ungemildert fiel es durch die großen Fenſter und
ſprang heiß und blendend von den kahlen weißen Wänden zurück.
Zu dem Bedrückenden der Oede geſellte ſich der Mangel an al-
lem, was das Leben, ſelbſt ein einfaches Leben, an Unterhalt
erfordert. Die Stadt war weit und das Dorf war arm. Die
Frauen litten ſchwer; aber das romantiſche Herz des Generals
trug die Entbehrungen, die ihm Schloß Coſſenblatt auferlegte, mit
Freudigkeit; ſie hoben ihn mehr, als daß ſie ihn niederdrückten.
Er war nicht nach Schloß Coſſenblatt gekommen, um zu banket-
tiren; es lag ihm nicht an luſtiger Geſellſchaft und an lautem
Geſpräch über den Tiſch hin; es lag ihm an ſtiller Zwieſprach

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[111/0123] marſchall hier eine Stätte bereiten wollte, betraten die Schwelle des Schloſſes nicht wieder, das — des ſagenhaften Schatzes ganz zu geſchweigen — Schätze an Gold verſchlungen hatte, um es aufzubauen. Da, während der fünfziger Jahre dieſes Jahrhun- derts, trat wieder ein Barfus in das alte Barfusſchloß ein. Der Eintretende war ein Urenkel des Feldmarſchalls; er kam nicht als Herr, er kam als Gaſt. Sei es ein romantiſcher Herzenszug, oder ſei es Pietät gegen die Stätte, wo ſein Ahnherr gelebt und einen Denkſtein ſeines Ruhms und ſeines Reichthums hinterlaſſen hatte, gleichviel, der Enkel hatte das Anſuchen an den König geſtellt, einen Sommer lang in Schloß Coſſenblatt reſidiren zu dürfen, und Friedrich Wilhelm IV., deſſen Königs- und Poetenherz hiſto- riſchen Sinn und romantiſches Empfinden in jeder Geſtalt zu ſchätzen wußte, hatte dem Anſuchen gern willfahrt. General Barfus, ſelbſt ein alter Soldat, zog ein in das alte Feldmarſchallsſchloß. Ein Wagen hielt vor der Steintreppe, die roſtigen Angeln gaben halb widerwillig nach, und der Enkel ſtand, ein Gaſt, ein Fremder, im Haus ſeiner Väter. Niemand war mit ihm als ſeine Frau und deren Dienerin. Er bezog die Eckzimmer im Schloß und das Nöthigſte an Hausrath wurde herbeigeſchafft; aber es war nicht möglich, die Oede des Orts in Wohnlichkeit zu verwandeln. Der Regen fuhr durch die morſch gewordenen Fen- ſter und ſelbſt das heitere Sonnenlicht lieh dieſem Ort keine Hei- terkeit, denn ungemildert fiel es durch die großen Fenſter und ſprang heiß und blendend von den kahlen weißen Wänden zurück. Zu dem Bedrückenden der Oede geſellte ſich der Mangel an al- lem, was das Leben, ſelbſt ein einfaches Leben, an Unterhalt erfordert. Die Stadt war weit und das Dorf war arm. Die Frauen litten ſchwer; aber das romantiſche Herz des Generals trug die Entbehrungen, die ihm Schloß Coſſenblatt auferlegte, mit Freudigkeit; ſie hoben ihn mehr, als daß ſie ihn niederdrückten. Er war nicht nach Schloß Coſſenblatt gekommen, um zu banket- tiren; es lag ihm nicht an luſtiger Geſellſchaft und an lautem Geſpräch über den Tiſch hin; es lag ihm an ſtiller Zwieſprach

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/123>, abgerufen am 25.11.2024.