zwischen Giebel und Grundmauer lag, war hinter Bäumen ver- steckt. Der "Styx" existirte nicht mehr; halb zugeschüttet war aus dem Graben ein breiter Streifen Wiesenland geworden; die blü- henden Kräuter würzten die Luft, und im Rücken des Schlosses (die Notte fließt dicht daran vorüber) hört' ich, wie ein Wasser still, breit, melodisch über ein Wehr fiel.
Ich kehrte um und setzte mich unter die Linden des Gast- hauses. Das war keine "Hölle," die ich gesehen hatte, oder -- die Beleuchtung hatte Wunder gethan.
Der Wirth setzte sich zu mir, und angesichts des Schlosses, dessen Thurmdach uns argwöhnisch zu belauschen schien, plauderten wir vom Schloß Wusterhausen.
In alten wendischen Zeiten stand hier ein Dorf Namens "Wustrow", d. h. "umflossener Ort." Die Bezeichnung findet sich vielfach in der Mark bis diesen Tag, z. B. das Zieten'sche Wu- strau. Als die Deutschen in's Land kamen, gründeten sie ein Nach- bardorf, das noch existirende Deutsch-Wustrow, zum Unterschied von Wendisch-Wustrow, schließlich aber wurden beide Worte (durch ein angehängtes "hausen") germanisirt, und Deutsch- und Wendisch-Wusterhausen waren fertig.
Wendisch-Wusterhausen -- nur mit diesem haben wir es zu thun -- wurde eine markgräfliche Burg. Sie vertheidigte, wie "Schloß Mittenwalde," von dem wir in einem der nächsten Kapitel sprechen werden, den Notte-Uebergang, d. h. sie war Grenzburg zwischen der Mark und der Lausitz.
Wendisch-Wusterhausen blieb markgräfliche Burg bis gegen 1370. Es ist sehr wahrscheinlich, daß der alte Thurm (der "Diebs- winkel") bis in diese markgräfliche Zeit zurückdatirt. Etwa 1375 kamen die Schliebens in Besitz der Burg, eine Familie, die damals in der Umgegend reich begütert war. Sie besaßen es ein Jahrhundert lang, also namentlich auch während der Quitzow- Zeit, ohne daß besondere Räuberthaten der Burg Wendisch-Wuster- hausen, bekannt geworden wären. 1475 kauften es die Schenken von Landsberg, die damaligen Besitzer der Herrschaft Teupitz,
zwiſchen Giebel und Grundmauer lag, war hinter Bäumen ver- ſteckt. Der „Styx“ exiſtirte nicht mehr; halb zugeſchüttet war aus dem Graben ein breiter Streifen Wieſenland geworden; die blü- henden Kräuter würzten die Luft, und im Rücken des Schloſſes (die Notte fließt dicht daran vorüber) hört’ ich, wie ein Waſſer ſtill, breit, melodiſch über ein Wehr fiel.
Ich kehrte um und ſetzte mich unter die Linden des Gaſt- hauſes. Das war keine „Hölle,“ die ich geſehen hatte, oder — die Beleuchtung hatte Wunder gethan.
Der Wirth ſetzte ſich zu mir, und angeſichts des Schloſſes, deſſen Thurmdach uns argwöhniſch zu belauſchen ſchien, plauderten wir vom Schloß Wuſterhauſen.
In alten wendiſchen Zeiten ſtand hier ein Dorf Namens „Wuſtrow“, d. h. „umfloſſener Ort.“ Die Bezeichnung findet ſich vielfach in der Mark bis dieſen Tag, z. B. das Zieten’ſche Wu- ſtrau. Als die Deutſchen in’s Land kamen, gründeten ſie ein Nach- bardorf, das noch exiſtirende Deutſch-Wuſtrow, zum Unterſchied von Wendiſch-Wuſtrow, ſchließlich aber wurden beide Worte (durch ein angehängtes „hauſen“) germaniſirt, und Deutſch- und Wendiſch-Wuſterhauſen waren fertig.
Wendiſch-Wuſterhauſen — nur mit dieſem haben wir es zu thun — wurde eine markgräfliche Burg. Sie vertheidigte, wie „Schloß Mittenwalde,“ von dem wir in einem der nächſten Kapitel ſprechen werden, den Notte-Uebergang, d. h. ſie war Grenzburg zwiſchen der Mark und der Lauſitz.
Wendiſch-Wuſterhauſen blieb markgräfliche Burg bis gegen 1370. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß der alte Thurm (der „Diebs- winkel“) bis in dieſe markgräfliche Zeit zurückdatirt. Etwa 1375 kamen die Schliebens in Beſitz der Burg, eine Familie, die damals in der Umgegend reich begütert war. Sie beſaßen es ein Jahrhundert lang, alſo namentlich auch während der Quitzow- Zeit, ohne daß beſondere Räuberthaten der Burg Wendiſch-Wuſter- hauſen, bekannt geworden wären. 1475 kauften es die Schenken von Landsberg, die damaligen Beſitzer der Herrſchaft Teupitz,
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zwiſchen Giebel und Grundmauer lag, war hinter Bäumen ver-
ſteckt. Der „Styx“ exiſtirte nicht mehr; halb zugeſchüttet war aus
dem Graben ein breiter Streifen Wieſenland geworden; die blü-
henden Kräuter würzten die Luft, und im Rücken des Schloſſes
(die Notte fließt dicht daran vorüber) hört’ ich, wie ein Waſſer
ſtill, breit, melodiſch über ein Wehr fiel.
Ich kehrte um und ſetzte mich unter die Linden des Gaſt-
hauſes. Das war keine „Hölle,“ die ich geſehen hatte, oder —
die Beleuchtung hatte Wunder gethan.
Der Wirth ſetzte ſich zu mir, und angeſichts des Schloſſes,
deſſen Thurmdach uns argwöhniſch zu belauſchen ſchien, plauderten
wir vom Schloß Wuſterhauſen.
In alten wendiſchen Zeiten ſtand hier ein Dorf Namens
„Wuſtrow“, d. h. „umfloſſener Ort.“ Die Bezeichnung findet ſich
vielfach in der Mark bis dieſen Tag, z. B. das Zieten’ſche Wu-
ſtrau. Als die Deutſchen in’s Land kamen, gründeten ſie ein Nach-
bardorf, das noch exiſtirende Deutſch-Wuſtrow, zum Unterſchied
von Wendiſch-Wuſtrow, ſchließlich aber wurden beide Worte
(durch ein angehängtes „hauſen“) germaniſirt, und Deutſch- und
Wendiſch-Wuſterhauſen waren fertig.
Wendiſch-Wuſterhauſen — nur mit dieſem haben wir es zu
thun — wurde eine markgräfliche Burg. Sie vertheidigte, wie
„Schloß Mittenwalde,“ von dem wir in einem der nächſten Kapitel
ſprechen werden, den Notte-Uebergang, d. h. ſie war Grenzburg
zwiſchen der Mark und der Lauſitz.
Wendiſch-Wuſterhauſen blieb markgräfliche Burg bis gegen
1370. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß der alte Thurm (der „Diebs-
winkel“) bis in dieſe markgräfliche Zeit zurückdatirt. Etwa 1375
kamen die Schliebens in Beſitz der Burg, eine Familie, die
damals in der Umgegend reich begütert war. Sie beſaßen es ein
Jahrhundert lang, alſo namentlich auch während der Quitzow-
Zeit, ohne daß beſondere Räuberthaten der Burg Wendiſch-Wuſter-
hauſen, bekannt geworden wären. 1475 kauften es die Schenken
von Landsberg, die damaligen Beſitzer der Herrſchaft Teupitz,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/134>, abgerufen am 25.11.2024.
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