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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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aus deren Händen es (kleiner Mittelglieder zu geschweigen) 1683
in Besitz des Kurprinzen Friedrich, des späteren Königs Frie-
drich I. kam. Dieser schenkte es 1698 seinem damals 10 Jahre
alten Sohne, dem späteren König Friedrich Wilhelm I.

Dieser (Friedrich Wilhelm I.) nahm Wendisch-Wusterhausen
von Anfang an in seine besondere Affektion. Er hielt bei dieser
Vorliebe aus bis zu seinem Tode. Was der Ort jetzt ist, ver-
dankt er ihm, dem "Soldatenkönig." Das Dorf wurde zum Fle-
cken; die Straßen und Plätze, die Häuser und Bäume, alles ist
sein Werk, und mit Recht hat der Flecken seinen Namen gewechselt
und sich aus einem Wendisch-Wusterhausen zu einem Königs-
Wusterhausen erhoben.

Königs-Wusterhausen ist vielleicht mehr als ein anderer Ort
(nur Potsdam ausgeschlossen) mit der Lebens- und Regierungs-
Geschichte König Friedrich Wilhelms I. verwachsen. Hier ließ er
als Knabe seine "Kadetten," und einige Jahre später (von 1705
an, wo er ein Regiment erhalten hatte) seine "Leib-Compagnie"
exerciren. Hier übte und stählte er seinen Körper, um sich wehr-
haft und mannhaft zu machen, und hier, zur Regierung gelangt,
fanden jene Jagdscenen und waidmännischen Festlichkeiten statt, die
Wusterhausen damals zum Jagdschloß par excellence erhoben.

Hier auf dem Schloßhof, den jetzt die friedliche Pumpe ziert,
war es, wo jedesmal nach abgehaltener Jagd, den Hunden ihr
"Jagdrecht" wurde. Dies "Jagdrecht" galt als eine Nachfeier zum
eigentlichen Fest. Der zerlegte Hirsch wurde wieder mit seiner
Haut bedeckt, an der sich noch der Kopf sammt dem Geweih be-
finden mußte. So lag der Hirsch auf dem Hof, während hundert
und mehr Parforce-Hunde, die durch ein Gatter von ihrer Beute
getrennt waren, laut heulten und winselten und nur durch Peit-
sche und Karbatsche in Ordnung gehalten wurden. Endlich erschien
der König, der Jägerbursche zog nun die Haut des Hirsches fort,
das Gatter öffnete sich und die Meute fiel über ihr "Jagdrecht"
her, während die Piqueurs im Kreise standen und auf ihren Hör-
nern bliesen.


aus deren Händen es (kleiner Mittelglieder zu geſchweigen) 1683
in Beſitz des Kurprinzen Friedrich, des ſpäteren Königs Frie-
drich I. kam. Dieſer ſchenkte es 1698 ſeinem damals 10 Jahre
alten Sohne, dem ſpäteren König Friedrich Wilhelm I.

Dieſer (Friedrich Wilhelm I.) nahm Wendiſch-Wuſterhauſen
von Anfang an in ſeine beſondere Affektion. Er hielt bei dieſer
Vorliebe aus bis zu ſeinem Tode. Was der Ort jetzt iſt, ver-
dankt er ihm, dem „Soldatenkönig.“ Das Dorf wurde zum Fle-
cken; die Straßen und Plätze, die Häuſer und Bäume, alles iſt
ſein Werk, und mit Recht hat der Flecken ſeinen Namen gewechſelt
und ſich aus einem Wendiſch-Wuſterhauſen zu einem Königs-
Wuſterhauſen erhoben.

Königs-Wuſterhauſen iſt vielleicht mehr als ein anderer Ort
(nur Potsdam ausgeſchloſſen) mit der Lebens- und Regierungs-
Geſchichte König Friedrich Wilhelms I. verwachſen. Hier ließ er
als Knabe ſeine „Kadetten,“ und einige Jahre ſpäter (von 1705
an, wo er ein Regiment erhalten hatte) ſeine „Leib-Compagnie“
exerciren. Hier übte und ſtählte er ſeinen Körper, um ſich wehr-
haft und mannhaft zu machen, und hier, zur Regierung gelangt,
fanden jene Jagdſcenen und waidmänniſchen Feſtlichkeiten ſtatt, die
Wuſterhauſen damals zum Jagdſchloß par excellence erhoben.

Hier auf dem Schloßhof, den jetzt die friedliche Pumpe ziert,
war es, wo jedesmal nach abgehaltener Jagd, den Hunden ihr
„Jagdrecht“ wurde. Dies „Jagdrecht“ galt als eine Nachfeier zum
eigentlichen Feſt. Der zerlegte Hirſch wurde wieder mit ſeiner
Haut bedeckt, an der ſich noch der Kopf ſammt dem Geweih be-
finden mußte. So lag der Hirſch auf dem Hof, während hundert
und mehr Parforce-Hunde, die durch ein Gatter von ihrer Beute
getrennt waren, laut heulten und winſelten und nur durch Peit-
ſche und Karbatſche in Ordnung gehalten wurden. Endlich erſchien
der König, der Jägerburſche zog nun die Haut des Hirſches fort,
das Gatter öffnete ſich und die Meute fiel über ihr „Jagdrecht“
her, während die Piqueurs im Kreiſe ſtanden und auf ihren Hör-
nern blieſen.


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[123/0135] aus deren Händen es (kleiner Mittelglieder zu geſchweigen) 1683 in Beſitz des Kurprinzen Friedrich, des ſpäteren Königs Frie- drich I. kam. Dieſer ſchenkte es 1698 ſeinem damals 10 Jahre alten Sohne, dem ſpäteren König Friedrich Wilhelm I. Dieſer (Friedrich Wilhelm I.) nahm Wendiſch-Wuſterhauſen von Anfang an in ſeine beſondere Affektion. Er hielt bei dieſer Vorliebe aus bis zu ſeinem Tode. Was der Ort jetzt iſt, ver- dankt er ihm, dem „Soldatenkönig.“ Das Dorf wurde zum Fle- cken; die Straßen und Plätze, die Häuſer und Bäume, alles iſt ſein Werk, und mit Recht hat der Flecken ſeinen Namen gewechſelt und ſich aus einem Wendiſch-Wuſterhauſen zu einem Königs- Wuſterhauſen erhoben. Königs-Wuſterhauſen iſt vielleicht mehr als ein anderer Ort (nur Potsdam ausgeſchloſſen) mit der Lebens- und Regierungs- Geſchichte König Friedrich Wilhelms I. verwachſen. Hier ließ er als Knabe ſeine „Kadetten,“ und einige Jahre ſpäter (von 1705 an, wo er ein Regiment erhalten hatte) ſeine „Leib-Compagnie“ exerciren. Hier übte und ſtählte er ſeinen Körper, um ſich wehr- haft und mannhaft zu machen, und hier, zur Regierung gelangt, fanden jene Jagdſcenen und waidmänniſchen Feſtlichkeiten ſtatt, die Wuſterhauſen damals zum Jagdſchloß par excellence erhoben. Hier auf dem Schloßhof, den jetzt die friedliche Pumpe ziert, war es, wo jedesmal nach abgehaltener Jagd, den Hunden ihr „Jagdrecht“ wurde. Dies „Jagdrecht“ galt als eine Nachfeier zum eigentlichen Feſt. Der zerlegte Hirſch wurde wieder mit ſeiner Haut bedeckt, an der ſich noch der Kopf ſammt dem Geweih be- finden mußte. So lag der Hirſch auf dem Hof, während hundert und mehr Parforce-Hunde, die durch ein Gatter von ihrer Beute getrennt waren, laut heulten und winſelten und nur durch Peit- ſche und Karbatſche in Ordnung gehalten wurden. Endlich erſchien der König, der Jägerburſche zog nun die Haut des Hirſches fort, das Gatter öffnete ſich und die Meute fiel über ihr „Jagdrecht“ her, während die Piqueurs im Kreiſe ſtanden und auf ihren Hör- nern blieſen.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/135>, abgerufen am 25.11.2024.