fragte nach dem Kastellan, -- todt; nach der Kastellanin -- auch todt; endlich erschien ein Mann mit einem großen alten Schlüssel, der mir als der "Exekutor" vorgestellt wurde. Dies ängstigte mich ein wenig. Es war ein ziemlich mürrischer Alter, der von nichts wußte, auch von nichts wissen wollte. Seine Nase spielte in's Röthliche.
Wir traten durch eine Seitenthür auf den Schloßhof. Es war schon heiß, trotz der frühen Stunde; die Sonne blendete und die Bosquets sammt der weißen Pumpe waren nicht ganz mehr, was sie am Abend vorher gewesen waren.
Wir umschritten zunächst das Schloß, dann nahm ich einen guten Stand, um mir die Architectur desselben einzuprägen. Es ist gewiß ein ziemlich häßliches Gebäude, aber es ist doch mehr originell als häßlich, und weil es (hübsch oder häßlich) so ganz apart ist, ist es nicht ohne Interesse. Der ganze Bau, bis zu beträchtlicher Höhe, ist aus Feldstein aufgeführt, woraus ich den Schluß ziehe, daß der König, bei Ausbau des Schlosses, die Grundform desselben (ein Viereck, mit einem vorspringenden Rund- thurm) beibehielt und nur die Einrichtung und Gliederung völlig veränderte. Der Rundthurm wurde Treppenthurm. Von diesem Thurm aus zog er eine Mauerlinie mitten durch das Feldstein- Viereck hindurch, und theilte dadurch den Bau in zwei gleiche Hälften. Jede Hälfte erhielt ein Giebeldach, so daß jeder, der sich dem Schlosse nähert, zwei Häuser zu sehen glaubt, die mit ihren Giebeln auf die Straße blicken. In Front beider Giebel, an beide sich lehnend, steht der Thurm.
Der Thurm ist sehr alt; König Friedrich Wilhelm I. aber hat ihm einen modernen Eingang gegeben, eine Art griechisches Portal (in Mannshöhe), dessen Giebelfeld etwa ein Dutzend in Holz geschnittene Amoretten zeigt. Einige sind wurmstichig gewor- den, andere haben sonstigen Schaden genommen.
Beim Eintreten erblickt man zuerst verließartige Kellerräume, darin etwas Stroh liegt, wie eben verlassene Lagerstätten. Dann führt eine Treppe von zehn oder zwölf Stufen in's Hochparterre,
fragte nach dem Kaſtellan, — todt; nach der Kaſtellanin — auch todt; endlich erſchien ein Mann mit einem großen alten Schlüſſel, der mir als der „Exekutor“ vorgeſtellt wurde. Dies ängſtigte mich ein wenig. Es war ein ziemlich mürriſcher Alter, der von nichts wußte, auch von nichts wiſſen wollte. Seine Naſe ſpielte in’s Röthliche.
Wir traten durch eine Seitenthür auf den Schloßhof. Es war ſchon heiß, trotz der frühen Stunde; die Sonne blendete und die Bosquets ſammt der weißen Pumpe waren nicht ganz mehr, was ſie am Abend vorher geweſen waren.
Wir umſchritten zunächſt das Schloß, dann nahm ich einen guten Stand, um mir die Architectur deſſelben einzuprägen. Es iſt gewiß ein ziemlich häßliches Gebäude, aber es iſt doch mehr originell als häßlich, und weil es (hübſch oder häßlich) ſo ganz apart iſt, iſt es nicht ohne Intereſſe. Der ganze Bau, bis zu beträchtlicher Höhe, iſt aus Feldſtein aufgeführt, woraus ich den Schluß ziehe, daß der König, bei Ausbau des Schloſſes, die Grundform deſſelben (ein Viereck, mit einem vorſpringenden Rund- thurm) beibehielt und nur die Einrichtung und Gliederung völlig veränderte. Der Rundthurm wurde Treppenthurm. Von dieſem Thurm aus zog er eine Mauerlinie mitten durch das Feldſtein- Viereck hindurch, und theilte dadurch den Bau in zwei gleiche Hälften. Jede Hälfte erhielt ein Giebeldach, ſo daß jeder, der ſich dem Schloſſe nähert, zwei Häuſer zu ſehen glaubt, die mit ihren Giebeln auf die Straße blicken. In Front beider Giebel, an beide ſich lehnend, ſteht der Thurm.
Der Thurm iſt ſehr alt; König Friedrich Wilhelm I. aber hat ihm einen modernen Eingang gegeben, eine Art griechiſches Portal (in Mannshöhe), deſſen Giebelfeld etwa ein Dutzend in Holz geſchnittene Amoretten zeigt. Einige ſind wurmſtichig gewor- den, andere haben ſonſtigen Schaden genommen.
Beim Eintreten erblickt man zuerſt verließartige Kellerräume, darin etwas Stroh liegt, wie eben verlaſſene Lagerſtätten. Dann führt eine Treppe von zehn oder zwölf Stufen in’s Hochparterre,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0138"n="126"/>
fragte nach dem Kaſtellan, — todt; nach der Kaſtellanin — auch<lb/>
todt; endlich erſchien ein Mann mit einem großen alten Schlüſſel,<lb/>
der mir als der „Exekutor“ vorgeſtellt wurde. Dies ängſtigte mich<lb/>
ein wenig. Es war ein ziemlich mürriſcher Alter, der von nichts<lb/>
wußte, auch von nichts wiſſen <hirendition="#g">wollte</hi>. Seine Naſe ſpielte in’s<lb/>
Röthliche.</p><lb/><p>Wir traten durch eine Seitenthür auf den Schloßhof. Es<lb/>
war ſchon heiß, trotz der frühen Stunde; die Sonne blendete und<lb/>
die Bosquets ſammt der weißen Pumpe waren nicht ganz mehr,<lb/>
was ſie am Abend vorher geweſen waren.</p><lb/><p>Wir umſchritten zunächſt das Schloß, dann nahm ich einen<lb/>
guten Stand, um mir die Architectur deſſelben einzuprägen.<lb/>
Es iſt gewiß ein ziemlich häßliches Gebäude, aber es iſt doch<lb/>
mehr originell als häßlich, und weil es (hübſch oder häßlich) ſo<lb/>
ganz apart iſt, iſt es nicht ohne Intereſſe. Der ganze Bau, bis<lb/>
zu beträchtlicher Höhe, iſt aus Feldſtein aufgeführt, woraus ich den<lb/>
Schluß ziehe, daß der König, bei Ausbau des Schloſſes, die<lb/>
Grundform deſſelben (ein Viereck, mit einem vorſpringenden Rund-<lb/>
thurm) beibehielt und nur die Einrichtung und Gliederung völlig<lb/>
veränderte. Der Rundthurm wurde Treppenthurm. Von dieſem<lb/>
Thurm aus zog er eine Mauerlinie mitten durch das Feldſtein-<lb/>
Viereck hindurch, und theilte dadurch den Bau in zwei gleiche<lb/>
Hälften. <hirendition="#g">Jede</hi> Hälfte erhielt ein Giebeldach, ſo daß jeder, der ſich<lb/>
dem Schloſſe nähert, <hirendition="#g">zwei</hi> Häuſer zu ſehen glaubt, die mit ihren<lb/>
Giebeln auf die Straße blicken. In Front beider Giebel, an beide<lb/>ſich lehnend, ſteht der Thurm.</p><lb/><p>Der Thurm iſt ſehr alt; König Friedrich Wilhelm <hirendition="#aq">I.</hi> aber<lb/>
hat ihm einen modernen Eingang gegeben, eine Art griechiſches<lb/>
Portal (in Mannshöhe), deſſen Giebelfeld etwa ein Dutzend in<lb/>
Holz geſchnittene Amoretten zeigt. Einige ſind wurmſtichig gewor-<lb/>
den, andere haben ſonſtigen Schaden genommen.</p><lb/><p>Beim Eintreten erblickt man zuerſt verließartige Kellerräume,<lb/>
darin etwas Stroh liegt, wie eben verlaſſene Lagerſtätten. Dann<lb/>
führt eine Treppe von zehn oder zwölf Stufen in’s Hochparterre,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[126/0138]
fragte nach dem Kaſtellan, — todt; nach der Kaſtellanin — auch
todt; endlich erſchien ein Mann mit einem großen alten Schlüſſel,
der mir als der „Exekutor“ vorgeſtellt wurde. Dies ängſtigte mich
ein wenig. Es war ein ziemlich mürriſcher Alter, der von nichts
wußte, auch von nichts wiſſen wollte. Seine Naſe ſpielte in’s
Röthliche.
Wir traten durch eine Seitenthür auf den Schloßhof. Es
war ſchon heiß, trotz der frühen Stunde; die Sonne blendete und
die Bosquets ſammt der weißen Pumpe waren nicht ganz mehr,
was ſie am Abend vorher geweſen waren.
Wir umſchritten zunächſt das Schloß, dann nahm ich einen
guten Stand, um mir die Architectur deſſelben einzuprägen.
Es iſt gewiß ein ziemlich häßliches Gebäude, aber es iſt doch
mehr originell als häßlich, und weil es (hübſch oder häßlich) ſo
ganz apart iſt, iſt es nicht ohne Intereſſe. Der ganze Bau, bis
zu beträchtlicher Höhe, iſt aus Feldſtein aufgeführt, woraus ich den
Schluß ziehe, daß der König, bei Ausbau des Schloſſes, die
Grundform deſſelben (ein Viereck, mit einem vorſpringenden Rund-
thurm) beibehielt und nur die Einrichtung und Gliederung völlig
veränderte. Der Rundthurm wurde Treppenthurm. Von dieſem
Thurm aus zog er eine Mauerlinie mitten durch das Feldſtein-
Viereck hindurch, und theilte dadurch den Bau in zwei gleiche
Hälften. Jede Hälfte erhielt ein Giebeldach, ſo daß jeder, der ſich
dem Schloſſe nähert, zwei Häuſer zu ſehen glaubt, die mit ihren
Giebeln auf die Straße blicken. In Front beider Giebel, an beide
ſich lehnend, ſteht der Thurm.
Der Thurm iſt ſehr alt; König Friedrich Wilhelm I. aber
hat ihm einen modernen Eingang gegeben, eine Art griechiſches
Portal (in Mannshöhe), deſſen Giebelfeld etwa ein Dutzend in
Holz geſchnittene Amoretten zeigt. Einige ſind wurmſtichig gewor-
den, andere haben ſonſtigen Schaden genommen.
Beim Eintreten erblickt man zuerſt verließartige Kellerräume,
darin etwas Stroh liegt, wie eben verlaſſene Lagerſtätten. Dann
führt eine Treppe von zehn oder zwölf Stufen in’s Hochparterre,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/138>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.