"starke Mann" mußte kommen und seine Kunststücke machen; zu- letzt, während das Feuer flackerte und die Piqueurs auf ihren Jagdhörnern bliesen, packte der König den alten Generallieutenant von Pannewitz, der von Malplaquet her eine breite Schmarre im Gesicht hatte, und begann mit ihm den Tanz. Dazwischen Ta- back, Brettspiel und Puppentheater, bis das Vergnügen an sich selbst erstarb.
Wir treten aus diesem Eßsaal wieder in die Halle zurück. Zur Linken derselben befinden sich ebenfalls zwei Zimmer, die Zim- mer der Königin. Sie sind verhältnißmäßig noch wohl erhalten und geben einem ein deutliches Bild, wie die "Eleganz" von Schloß Wusterhausen beschaffen war. Beide Zimmer sind durch eine einfache Eichenthür mit einander verbunden, sowie auch nie- drige Eichenholz-Pannele die Wände umziehen. In den Ecken der Decke sind vier Lyras angebracht, die aber so genirt aussehen, als befänden sie sich lieber wo anders. Mit Unrecht: denn sie haben wenigstens Gesellschaft: zwei Basrelief-Bilder (in jedem Zimmer eins), die sich als Wandschmuck zwischen Decke und Kamin be- finden. Das eine stellt eine "Toilette der Venus", das andere eine "Venusfeier" dar. Das erste operirt mit dem alten, wohlbekannten Material: schnäbelnde Tauben, Amoretten, Rosen-Guirlanden etc., das zweite aber thut ein Uebriges. Nackte Gestalten, von ganz un- glaublichen Formen, umtanzen eine Venusstatue, während ein Sa- tyr von hinten her eine Bachantin umklammert hält und die Wi- derstrebende zum Tanze zwingt. An anderem Ort würde dieser lustige Heidenspuk weiter nichts zu bedeuten haben, hier in Schloß Wusterhausen aber nimmt er sich wunderlich genug aus und paßt seltsam zu dem Waschbecken drüben mit dem dicken steinernen Stöpsel.
Das erste dieser Zimmer, das sich mit der "Toilette der Ve- nus" begnügt, führt durch eine Seitenthür auf eine Art Rampe hinaus, die ziemlich steil nach dem Park hin abfällt. Diesen Weg machte wahrscheinlich immer der König, wenn er in seinem Gicht-
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„ſtarke Mann“ mußte kommen und ſeine Kunſtſtücke machen; zu- letzt, während das Feuer flackerte und die Piqueurs auf ihren Jagdhörnern blieſen, packte der König den alten Generallieutenant von Pannewitz, der von Malplaquet her eine breite Schmarre im Geſicht hatte, und begann mit ihm den Tanz. Dazwiſchen Ta- back, Brettſpiel und Puppentheater, bis das Vergnügen an ſich ſelbſt erſtarb.
Wir treten aus dieſem Eßſaal wieder in die Halle zurück. Zur Linken derſelben befinden ſich ebenfalls zwei Zimmer, die Zim- mer der Königin. Sie ſind verhältnißmäßig noch wohl erhalten und geben einem ein deutliches Bild, wie die „Eleganz“ von Schloß Wuſterhauſen beſchaffen war. Beide Zimmer ſind durch eine einfache Eichenthür mit einander verbunden, ſowie auch nie- drige Eichenholz-Pannele die Wände umziehen. In den Ecken der Decke ſind vier Lyras angebracht, die aber ſo genirt ausſehen, als befänden ſie ſich lieber wo anders. Mit Unrecht: denn ſie haben wenigſtens Geſellſchaft: zwei Basrelief-Bilder (in jedem Zimmer eins), die ſich als Wandſchmuck zwiſchen Decke und Kamin be- finden. Das eine ſtellt eine „Toilette der Venus“, das andere eine „Venusfeier“ dar. Das erſte operirt mit dem alten, wohlbekannten Material: ſchnäbelnde Tauben, Amoretten, Roſen-Guirlanden ꝛc., das zweite aber thut ein Uebriges. Nackte Geſtalten, von ganz un- glaublichen Formen, umtanzen eine Venusſtatue, während ein Sa- tyr von hinten her eine Bachantin umklammert hält und die Wi- derſtrebende zum Tanze zwingt. An anderem Ort würde dieſer luſtige Heidenſpuk weiter nichts zu bedeuten haben, hier in Schloß Wuſterhauſen aber nimmt er ſich wunderlich genug aus und paßt ſeltſam zu dem Waſchbecken drüben mit dem dicken ſteinernen Stöpſel.
Das erſte dieſer Zimmer, das ſich mit der „Toilette der Ve- nus“ begnügt, führt durch eine Seitenthür auf eine Art Rampe hinaus, die ziemlich ſteil nach dem Park hin abfällt. Dieſen Weg machte wahrſcheinlich immer der König, wenn er in ſeinem Gicht-
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„ſtarke Mann“ mußte kommen und ſeine Kunſtſtücke machen; zu-
letzt, während das Feuer flackerte und die Piqueurs auf ihren
Jagdhörnern blieſen, packte der König den alten Generallieutenant
von Pannewitz, der von Malplaquet her eine breite Schmarre
im Geſicht hatte, und begann mit ihm den Tanz. Dazwiſchen Ta-
back, Brettſpiel und Puppentheater, bis das Vergnügen an ſich
ſelbſt erſtarb.
Wir treten aus dieſem Eßſaal wieder in die Halle zurück.
Zur Linken derſelben befinden ſich ebenfalls zwei Zimmer, die Zim-
mer der Königin. Sie ſind verhältnißmäßig noch wohl erhalten
und geben einem ein deutliches Bild, wie die „Eleganz“ von
Schloß Wuſterhauſen beſchaffen war. Beide Zimmer ſind durch
eine einfache Eichenthür mit einander verbunden, ſowie auch nie-
drige Eichenholz-Pannele die Wände umziehen. In den Ecken der
Decke ſind vier Lyras angebracht, die aber ſo genirt ausſehen, als
befänden ſie ſich lieber wo anders. Mit Unrecht: denn ſie haben
wenigſtens Geſellſchaft: zwei Basrelief-Bilder (in jedem Zimmer
eins), die ſich als Wandſchmuck zwiſchen Decke und Kamin be-
finden. Das eine ſtellt eine „Toilette der Venus“, das andere eine
„Venusfeier“ dar. Das erſte operirt mit dem alten, wohlbekannten
Material: ſchnäbelnde Tauben, Amoretten, Roſen-Guirlanden ꝛc.,
das zweite aber thut ein Uebriges. Nackte Geſtalten, von ganz un-
glaublichen Formen, umtanzen eine Venusſtatue, während ein Sa-
tyr von hinten her eine Bachantin umklammert hält und die Wi-
derſtrebende zum Tanze zwingt. An anderem Ort würde dieſer
luſtige Heidenſpuk weiter nichts zu bedeuten haben, hier in Schloß
Wuſterhauſen aber nimmt er ſich wunderlich genug aus und paßt
ſeltſam zu dem Waſchbecken drüben mit dem dicken ſteinernen
Stöpſel.
Das erſte dieſer Zimmer, das ſich mit der „Toilette der Ve-
nus“ begnügt, führt durch eine Seitenthür auf eine Art Rampe
hinaus, die ziemlich ſteil nach dem Park hin abfällt. Dieſen Weg
machte wahrſcheinlich immer der König, wenn er in ſeinem Gicht-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/141>, abgerufen am 24.11.2024.
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