Rechts von der Halle sind zwei Thüren. An der einen, zu- nächst der Treppe, steht mit Kreide angeschrieben: "Wachtstube der Artillerie". Bei Manövern, Mobilmachungen etc. muß nämlich das Wusterhausener Schloß wohl oder übel mit aushelfen und erhält vorübergehend eine kleine Garnison, eine Benutzung, gegen die der "Soldatenkönig" vielleicht am wenigsten einzuwenden haben würde. Auch stehen die meisten dieser Räume (wenigstens in ihrer jetzigen Gestalt) durchaus nur auf der Stufe von Kasernenstuben. Das erste Zimmer hinter der mit Kreide beschriebenen Thür war ehedem das Schlafzimmer Friedrich Wilhelms I. Es befindet sich in dem- selben -- fast das einzige, was diesem Schlosse aus jener Zeit her erhalten geblieben ist -- das Waschbecken des Königs, eine Art festgemauertes Waschfaß. Das Ganze, aus Gips gefertigt, gleicht den Abgußsteinen, die man in unseren Küchen findet, und hat in der That eine Oeffnung zum Abfluß des Wassers, in der ein stei- nerner Stöpsel steckt, halb so lang wie ein Arm und halb so dick. Beim Anblick dieses Waschfasses glaubt man allerdings, was all- seits von dem König berichtet wird, daß er einer der reinlichsten Menschen war und "sich wohl zwanzigmal des Tages wusch".
Die andere Thür, ebenfalls zur Rechten der Halle, führt in den Speisesaal. Er mißt 15 Schritt im Quadrat, ist also ziem- lich geräumig. In der Mitte ist ein hölzerner Pfeiler angebracht, der vielleicht mehr schmücken als stützen soll; ist aber zu beidem gleich unfähig. Ein großer Kamin und ein gegipster, steinartiger Fußboden vollenden die Einrichtung dieses Saales; neben dem Kamin sieht man die Ueberreste einer Treppe, die direct in den Küchenanbau führte. Dies ist also der Saal, in dem an jedem 11. September der Tag von Malplaquet und an jedem 3. No- vember das Hubertusfest gefeiert wurde. Es ging dann hier viel heiterer her, als man jetzt, beim Anblick dieser weißgetünchten Oede, glauben sollte. Frauen waren ausgeschlossen; es war ein Männer- fest. Zwanzig bis dreißig Offiziers, meist alte Generals, die unter Eugen und Marlborough mitgefochten hatten, saßen dann um den Tisch herum und Rheinwein und Ungar wurden nicht gespart. Der
Rechts von der Halle ſind zwei Thüren. An der einen, zu- nächſt der Treppe, ſteht mit Kreide angeſchrieben: „Wachtſtube der Artillerie“. Bei Manövern, Mobilmachungen ꝛc. muß nämlich das Wuſterhauſener Schloß wohl oder übel mit aushelfen und erhält vorübergehend eine kleine Garniſon, eine Benutzung, gegen die der „Soldatenkönig“ vielleicht am wenigſten einzuwenden haben würde. Auch ſtehen die meiſten dieſer Räume (wenigſtens in ihrer jetzigen Geſtalt) durchaus nur auf der Stufe von Kaſernenſtuben. Das erſte Zimmer hinter der mit Kreide beſchriebenen Thür war ehedem das Schlafzimmer Friedrich Wilhelms I. Es befindet ſich in dem- ſelben — faſt das einzige, was dieſem Schloſſe aus jener Zeit her erhalten geblieben iſt — das Waſchbecken des Königs, eine Art feſtgemauertes Waſchfaß. Das Ganze, aus Gips gefertigt, gleicht den Abgußſteinen, die man in unſeren Küchen findet, und hat in der That eine Oeffnung zum Abfluß des Waſſers, in der ein ſtei- nerner Stöpſel ſteckt, halb ſo lang wie ein Arm und halb ſo dick. Beim Anblick dieſes Waſchfaſſes glaubt man allerdings, was all- ſeits von dem König berichtet wird, daß er einer der reinlichſten Menſchen war und „ſich wohl zwanzigmal des Tages wuſch“.
Die andere Thür, ebenfalls zur Rechten der Halle, führt in den Speiſeſaal. Er mißt 15 Schritt im Quadrat, iſt alſo ziem- lich geräumig. In der Mitte iſt ein hölzerner Pfeiler angebracht, der vielleicht mehr ſchmücken als ſtützen ſoll; iſt aber zu beidem gleich unfähig. Ein großer Kamin und ein gegipster, ſteinartiger Fußboden vollenden die Einrichtung dieſes Saales; neben dem Kamin ſieht man die Ueberreſte einer Treppe, die direct in den Küchenanbau führte. Dies iſt alſo der Saal, in dem an jedem 11. September der Tag von Malplaquet und an jedem 3. No- vember das Hubertusfeſt gefeiert wurde. Es ging dann hier viel heiterer her, als man jetzt, beim Anblick dieſer weißgetünchten Oede, glauben ſollte. Frauen waren ausgeſchloſſen; es war ein Männer- feſt. Zwanzig bis dreißig Offiziers, meiſt alte Generals, die unter Eugen und Marlborough mitgefochten hatten, ſaßen dann um den Tiſch herum und Rheinwein und Ungar wurden nicht geſpart. Der
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Rechts von der Halle ſind zwei Thüren. An der einen, zu-
nächſt der Treppe, ſteht mit Kreide angeſchrieben: „Wachtſtube der
Artillerie“. Bei Manövern, Mobilmachungen ꝛc. muß nämlich das
Wuſterhauſener Schloß wohl oder übel mit aushelfen und erhält
vorübergehend eine kleine Garniſon, eine Benutzung, gegen die der
„Soldatenkönig“ vielleicht am wenigſten einzuwenden haben würde.
Auch ſtehen die meiſten dieſer Räume (wenigſtens in ihrer jetzigen
Geſtalt) durchaus nur auf der Stufe von Kaſernenſtuben. Das
erſte Zimmer hinter der mit Kreide beſchriebenen Thür war ehedem
das Schlafzimmer Friedrich Wilhelms I. Es befindet ſich in dem-
ſelben — faſt das einzige, was dieſem Schloſſe aus jener Zeit her
erhalten geblieben iſt — das Waſchbecken des Königs, eine Art
feſtgemauertes Waſchfaß. Das Ganze, aus Gips gefertigt, gleicht
den Abgußſteinen, die man in unſeren Küchen findet, und hat in
der That eine Oeffnung zum Abfluß des Waſſers, in der ein ſtei-
nerner Stöpſel ſteckt, halb ſo lang wie ein Arm und halb ſo dick.
Beim Anblick dieſes Waſchfaſſes glaubt man allerdings, was all-
ſeits von dem König berichtet wird, daß er einer der reinlichſten
Menſchen war und „ſich wohl zwanzigmal des Tages wuſch“.
Die andere Thür, ebenfalls zur Rechten der Halle, führt in
den Speiſeſaal. Er mißt 15 Schritt im Quadrat, iſt alſo ziem-
lich geräumig. In der Mitte iſt ein hölzerner Pfeiler angebracht,
der vielleicht mehr ſchmücken als ſtützen ſoll; iſt aber zu beidem
gleich unfähig. Ein großer Kamin und ein gegipster, ſteinartiger
Fußboden vollenden die Einrichtung dieſes Saales; neben dem
Kamin ſieht man die Ueberreſte einer Treppe, die direct in den
Küchenanbau führte. Dies iſt alſo der Saal, in dem an jedem
11. September der Tag von Malplaquet und an jedem 3. No-
vember das Hubertusfeſt gefeiert wurde. Es ging dann hier viel
heiterer her, als man jetzt, beim Anblick dieſer weißgetünchten Oede,
glauben ſollte. Frauen waren ausgeſchloſſen; es war ein Männer-
feſt. Zwanzig bis dreißig Offiziers, meiſt alte Generals, die unter
Eugen und Marlborough mitgefochten hatten, ſaßen dann um den
Tiſch herum und Rheinwein und Ungar wurden nicht geſpart. Der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/140>, abgerufen am 24.11.2024.
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