Winde hauchen hier so leise Räthselstimmen tiefer Trauer. Lenau.
Cossenblatt führte uns mittelbar nach Königs-Wusterhausen und Königs-Wusterhausen führt uns nunmehr nach dem nahegelegenen Teupitz. Die alten Herrn des "Schenkenländchens" besaßen beide Städtchen; -- das eine haben wir kennen gelernt, machen wir auch dem andren, dem historisch älteren, unsren Besuch.
Teupitz verlohnt allerdings eine Nachtreise (die Posten dahin meiden das Tageslicht), wiewohl diese Hauptstadt des sogenannten "Schenkenländchens" lange nicht das ist, als was es mir geschil- dert worden war.
Die Schilderungen von Teupitz galten seiner Armuth. "Die Poesie des Verfalls liegt über der Stadt," so hieß es voll dichterischen Ausdrucks, und die farbenreichen Armuthsbilder, die mein Freund und Gewährsmann vor mir entrollte, wurden mir zu einem viel größeren Reiseantrieb, als die gleichzeitig wieder- kehrenden Versicherungen: "aber Teupitz ist schön." Diesen Re- frain überhörte ich oder vergaß ihn, während ich doch die Worte nicht wieder loswerden konnte: "das Plateau um Teupitz herum heißt "der Brand", und das Wirthshaus darauf führt den Na- men "der todte Mann".
Ich hörte noch allerhand Anderes. Ein früherer Geistlicher in
9*
Teupitz.
Winde hauchen hier ſo leiſe Räthſelſtimmen tiefer Trauer. Lenau.
Coſſenblatt führte uns mittelbar nach Königs-Wuſterhauſen und Königs-Wuſterhauſen führt uns nunmehr nach dem nahegelegenen Teupitz. Die alten Herrn des „Schenkenländchens“ beſaßen beide Städtchen; — das eine haben wir kennen gelernt, machen wir auch dem andren, dem hiſtoriſch älteren, unſren Beſuch.
Teupitz verlohnt allerdings eine Nachtreiſe (die Poſten dahin meiden das Tageslicht), wiewohl dieſe Hauptſtadt des ſogenannten „Schenkenländchens“ lange nicht das iſt, als was es mir geſchil- dert worden war.
Die Schilderungen von Teupitz galten ſeiner Armuth. „Die Poeſie des Verfalls liegt über der Stadt,“ ſo hieß es voll dichteriſchen Ausdrucks, und die farbenreichen Armuthsbilder, die mein Freund und Gewährsmann vor mir entrollte, wurden mir zu einem viel größeren Reiſeantrieb, als die gleichzeitig wieder- kehrenden Verſicherungen: „aber Teupitz iſt ſchön.“ Dieſen Re- frain überhörte ich oder vergaß ihn, während ich doch die Worte nicht wieder loswerden konnte: „das Plateau um Teupitz herum heißt „der Brand“, und das Wirthshaus darauf führt den Na- men „der todte Mann“.
Ich hörte noch allerhand Anderes. Ein früherer Geiſtlicher in
9*
<TEI><text><body><pbfacs="#f0143"n="[131]"/><divn="1"><head><hirendition="#b">Teupitz.</hi></head><lb/><citrendition="#et"><quote> Winde hauchen hier ſo leiſe<lb/>
Räthſelſtimmen tiefer Trauer.</quote><lb/><bibl><hirendition="#b">Lenau.</hi></bibl></cit><lb/><p><hirendition="#in">C</hi>oſſenblatt führte uns mittelbar nach Königs-Wuſterhauſen und<lb/>
Königs-Wuſterhauſen führt uns nunmehr nach dem nahegelegenen<lb/>
Teupitz. Die alten Herrn des „Schenkenländchens“ beſaßen beide<lb/>
Städtchen; — das eine haben wir kennen gelernt, machen wir<lb/>
auch dem andren, dem hiſtoriſch älteren, unſren Beſuch.</p><lb/><p>Teupitz verlohnt allerdings eine Nachtreiſe (die Poſten dahin<lb/>
meiden das Tageslicht), wiewohl dieſe Hauptſtadt des ſogenannten<lb/>„Schenkenländchens“ lange nicht das iſt, als was es mir geſchil-<lb/>
dert worden war.</p><lb/><p>Die Schilderungen von Teupitz galten ſeiner Armuth. „Die<lb/><hirendition="#g">Poeſie des Verfalls</hi> liegt über der Stadt,“ſo hieß es voll<lb/>
dichteriſchen Ausdrucks, und die farbenreichen Armuthsbilder, die<lb/>
mein Freund und Gewährsmann vor mir entrollte, wurden mir<lb/>
zu einem viel größeren Reiſeantrieb, als die gleichzeitig wieder-<lb/>
kehrenden Verſicherungen: „aber Teupitz iſt ſchön.“ Dieſen Re-<lb/>
frain überhörte ich oder vergaß ihn, während ich doch die Worte<lb/>
nicht wieder loswerden konnte: „das Plateau um Teupitz herum<lb/>
heißt „der Brand“, und das Wirthshaus darauf führt den Na-<lb/>
men „der todte Mann“.</p><lb/><p>Ich hörte noch allerhand Anderes. Ein früherer Geiſtlicher in<lb/><fwplace="bottom"type="sig">9*</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[[131]/0143]
Teupitz.
Winde hauchen hier ſo leiſe
Räthſelſtimmen tiefer Trauer.
Lenau.
Coſſenblatt führte uns mittelbar nach Königs-Wuſterhauſen und
Königs-Wuſterhauſen führt uns nunmehr nach dem nahegelegenen
Teupitz. Die alten Herrn des „Schenkenländchens“ beſaßen beide
Städtchen; — das eine haben wir kennen gelernt, machen wir
auch dem andren, dem hiſtoriſch älteren, unſren Beſuch.
Teupitz verlohnt allerdings eine Nachtreiſe (die Poſten dahin
meiden das Tageslicht), wiewohl dieſe Hauptſtadt des ſogenannten
„Schenkenländchens“ lange nicht das iſt, als was es mir geſchil-
dert worden war.
Die Schilderungen von Teupitz galten ſeiner Armuth. „Die
Poeſie des Verfalls liegt über der Stadt,“ ſo hieß es voll
dichteriſchen Ausdrucks, und die farbenreichen Armuthsbilder, die
mein Freund und Gewährsmann vor mir entrollte, wurden mir
zu einem viel größeren Reiſeantrieb, als die gleichzeitig wieder-
kehrenden Verſicherungen: „aber Teupitz iſt ſchön.“ Dieſen Re-
frain überhörte ich oder vergaß ihn, während ich doch die Worte
nicht wieder loswerden konnte: „das Plateau um Teupitz herum
heißt „der Brand“, und das Wirthshaus darauf führt den Na-
men „der todte Mann“.
Ich hörte noch allerhand Anderes. Ein früherer Geiſtlicher in
9*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. [131]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/143>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.