Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

herrschenden geworden sind. Es ist dies bekanntlich der Sieg des
Natürlichen über das Künstliche, des Gebüsches über den "Poeten-
steig", des englischen, oder wie einige wollen, des alt-chinesischen
Geschmacks über den französischen. Der Obermarschall, ohne je in
England gewesen zu sein, muthmaßlich sogar ohne jemals über
diese Dinge theoretisirt zu haben, durchbrach das bis dahin Gül-
tige einfach nach einem ihm innewohnenden künstlerischen Instinkt,
und operirte dabei, auch in den Details der Anlage, mit so glück-
licher Hand, daß einzelne seiner Anlagen später als Muster gedient
und in den Königlichen Gärten z. B. in Paretz eine theilweise
Nachahmung erfahren haben.

Der Obermarschall hatte 4 Söhne. Wie sein Vater, der Mi-
nister, vier Söhne von fünfen, in den siebenjährigen Krieg ge-
schickt hatte, so schickte er drei Söhne von vieren in den Be-
freiungskrieg
. Der erste und zweite kehrte zurück; der dritte
(sechszehnjährig) fiel bei Leipzig. Ein auffliegender Pulverwagen
nahm ihn mit in die Luft.

Der Obermarschall starb 1817; 1835 folgte ihm seine Wittwe
und Steinhöfel ging nun an den ältesten Sohn beider, den Major,
spätren Generallieutenant Valentin von Massow über. Bei diesem
werden wir auf den nächsten Blättern zu verweilen haben.

Valentin von Massow.

Valentin von Massow wurde am 24. März 1793 zu Berlin
geboren. Er erhielt eine sorgfältige Erziehung und theilte diese, so
wie den Unterricht der Haus- und Privatlehrer, mit dem Grafen
Friedrich Wilhelm von Brandenburg (dem spätren Ministerpräsi-
denten), dessen Erziehung König Friedrich Wilhelm III. 1797
dem damaligen Hofmarschall von Massow anvertraut hatte. Außer
dem Grafen von Brandenburg war der zweite Bruder unsres Va-
lentin, der spätere Hausminister von Massow, der einzige Gefährte
seiner Knabenzeit.


11

herrſchenden geworden ſind. Es iſt dies bekanntlich der Sieg des
Natürlichen über das Künſtliche, des Gebüſches über den „Poeten-
ſteig“, des engliſchen, oder wie einige wollen, des alt-chineſiſchen
Geſchmacks über den franzöſiſchen. Der Obermarſchall, ohne je in
England geweſen zu ſein, muthmaßlich ſogar ohne jemals über
dieſe Dinge theoretiſirt zu haben, durchbrach das bis dahin Gül-
tige einfach nach einem ihm innewohnenden künſtleriſchen Inſtinkt,
und operirte dabei, auch in den Details der Anlage, mit ſo glück-
licher Hand, daß einzelne ſeiner Anlagen ſpäter als Muſter gedient
und in den Königlichen Gärten z. B. in Paretz eine theilweiſe
Nachahmung erfahren haben.

Der Obermarſchall hatte 4 Söhne. Wie ſein Vater, der Mi-
niſter, vier Söhne von fünfen, in den ſiebenjährigen Krieg ge-
ſchickt hatte, ſo ſchickte er drei Söhne von vieren in den Be-
freiungskrieg
. Der erſte und zweite kehrte zurück; der dritte
(ſechszehnjährig) fiel bei Leipzig. Ein auffliegender Pulverwagen
nahm ihn mit in die Luft.

Der Obermarſchall ſtarb 1817; 1835 folgte ihm ſeine Wittwe
und Steinhöfel ging nun an den älteſten Sohn beider, den Major,
ſpätren Generallieutenant Valentin von Maſſow über. Bei dieſem
werden wir auf den nächſten Blättern zu verweilen haben.

Valentin von Maſſow.

Valentin von Maſſow wurde am 24. März 1793 zu Berlin
geboren. Er erhielt eine ſorgfältige Erziehung und theilte dieſe, ſo
wie den Unterricht der Haus- und Privatlehrer, mit dem Grafen
Friedrich Wilhelm von Brandenburg (dem ſpätren Miniſterpräſi-
denten), deſſen Erziehung König Friedrich Wilhelm III. 1797
dem damaligen Hofmarſchall von Maſſow anvertraut hatte. Außer
dem Grafen von Brandenburg war der zweite Bruder unſres Va-
lentin, der ſpätere Hausminiſter von Maſſow, der einzige Gefährte
ſeiner Knabenzeit.


11
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0173" n="161"/>
herr&#x017F;chenden geworden &#x017F;ind. Es i&#x017F;t dies bekanntlich der Sieg des<lb/>
Natürlichen über das Kün&#x017F;tliche, des Gebü&#x017F;ches über den &#x201E;Poeten-<lb/>
&#x017F;teig&#x201C;, des engli&#x017F;chen, oder wie einige wollen, des alt-chine&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Ge&#x017F;chmacks über den franzö&#x017F;i&#x017F;chen. Der Obermar&#x017F;chall, ohne je in<lb/>
England gewe&#x017F;en zu &#x017F;ein, muthmaßlich &#x017F;ogar ohne jemals über<lb/>
die&#x017F;e Dinge theoreti&#x017F;irt zu haben, durchbrach das bis dahin Gül-<lb/>
tige einfach nach einem ihm innewohnenden kün&#x017F;tleri&#x017F;chen In&#x017F;tinkt,<lb/>
und operirte dabei, auch in den Details der Anlage, mit &#x017F;o glück-<lb/>
licher Hand, daß einzelne &#x017F;einer Anlagen &#x017F;päter als Mu&#x017F;ter gedient<lb/>
und in den Königlichen Gärten z. B. in Paretz eine theilwei&#x017F;e<lb/>
Nachahmung erfahren haben.</p><lb/>
        <p>Der Obermar&#x017F;chall hatte 4 Söhne. Wie &#x017F;ein Vater, der Mi-<lb/>
ni&#x017F;ter, vier Söhne von fünfen, in den &#x017F;iebenjährigen Krieg ge-<lb/>
&#x017F;chickt hatte, &#x017F;o &#x017F;chickte er drei Söhne von vieren in den <hi rendition="#g">Be-<lb/>
freiungskrieg</hi>. Der er&#x017F;te und zweite kehrte zurück; der dritte<lb/>
(&#x017F;echszehnjährig) fiel bei Leipzig. Ein auffliegender Pulverwagen<lb/>
nahm ihn mit in die Luft.</p><lb/>
        <p>Der Obermar&#x017F;chall &#x017F;tarb 1817; 1835 folgte ihm &#x017F;eine Wittwe<lb/>
und Steinhöfel ging nun an den älte&#x017F;ten Sohn beider, den Major,<lb/>
&#x017F;pätren Generallieutenant Valentin von Ma&#x017F;&#x017F;ow über. Bei die&#x017F;em<lb/>
werden wir auf den näch&#x017F;ten Blättern zu verweilen haben.</p><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Valentin von Ma&#x017F;&#x017F;ow.</hi> </head><lb/>
          <p>Valentin von Ma&#x017F;&#x017F;ow wurde am 24. März 1793 zu Berlin<lb/>
geboren. Er erhielt eine &#x017F;orgfältige Erziehung und theilte die&#x017F;e, &#x017F;o<lb/>
wie den Unterricht der Haus- und Privatlehrer, mit dem Grafen<lb/>
Friedrich Wilhelm von Brandenburg (dem &#x017F;pätren Mini&#x017F;terprä&#x017F;i-<lb/>
denten), de&#x017F;&#x017F;en Erziehung König Friedrich Wilhelm <hi rendition="#aq">III.</hi> 1797<lb/>
dem damaligen Hofmar&#x017F;chall von Ma&#x017F;&#x017F;ow anvertraut hatte. Außer<lb/>
dem Grafen von Brandenburg war der zweite Bruder un&#x017F;res Va-<lb/>
lentin, der &#x017F;pätere Hausmini&#x017F;ter von Ma&#x017F;&#x017F;ow, der einzige Gefährte<lb/>
&#x017F;einer Knabenzeit.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">11</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0173] herrſchenden geworden ſind. Es iſt dies bekanntlich der Sieg des Natürlichen über das Künſtliche, des Gebüſches über den „Poeten- ſteig“, des engliſchen, oder wie einige wollen, des alt-chineſiſchen Geſchmacks über den franzöſiſchen. Der Obermarſchall, ohne je in England geweſen zu ſein, muthmaßlich ſogar ohne jemals über dieſe Dinge theoretiſirt zu haben, durchbrach das bis dahin Gül- tige einfach nach einem ihm innewohnenden künſtleriſchen Inſtinkt, und operirte dabei, auch in den Details der Anlage, mit ſo glück- licher Hand, daß einzelne ſeiner Anlagen ſpäter als Muſter gedient und in den Königlichen Gärten z. B. in Paretz eine theilweiſe Nachahmung erfahren haben. Der Obermarſchall hatte 4 Söhne. Wie ſein Vater, der Mi- niſter, vier Söhne von fünfen, in den ſiebenjährigen Krieg ge- ſchickt hatte, ſo ſchickte er drei Söhne von vieren in den Be- freiungskrieg. Der erſte und zweite kehrte zurück; der dritte (ſechszehnjährig) fiel bei Leipzig. Ein auffliegender Pulverwagen nahm ihn mit in die Luft. Der Obermarſchall ſtarb 1817; 1835 folgte ihm ſeine Wittwe und Steinhöfel ging nun an den älteſten Sohn beider, den Major, ſpätren Generallieutenant Valentin von Maſſow über. Bei dieſem werden wir auf den nächſten Blättern zu verweilen haben. Valentin von Maſſow. Valentin von Maſſow wurde am 24. März 1793 zu Berlin geboren. Er erhielt eine ſorgfältige Erziehung und theilte dieſe, ſo wie den Unterricht der Haus- und Privatlehrer, mit dem Grafen Friedrich Wilhelm von Brandenburg (dem ſpätren Miniſterpräſi- denten), deſſen Erziehung König Friedrich Wilhelm III. 1797 dem damaligen Hofmarſchall von Maſſow anvertraut hatte. Außer dem Grafen von Brandenburg war der zweite Bruder unſres Va- lentin, der ſpätere Hausminiſter von Maſſow, der einzige Gefährte ſeiner Knabenzeit. 11

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/173
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/173>, abgerufen am 23.11.2024.