aber nicht gleich gefaßt. Viele hatten vorgeschlagen "das Pflaster zu lassen wie es sei" um den König desto eher zu einer milden Beisteuer zu bewegen, in dankbarer Erinnerung an Rettung aus Lebensgefahr. Aber der Vorschlag mußte freilich scheitern, weil niemand den Muth hatte (und nicht haben konnte), im Voraus für sichere Passage zu bürgen. So wurde denn Sand gestreut und das alte Pflaster blieb der Stadt erhalten. Für schwache Achsen ist Buckow dasselbe was Wien für schwache Lungen ist, -- keiner kommt heil heraus.
Buckow war einmal wohlhabend, aber das ist lange her. Im 14. Jahrhundert, auch später noch, blühte hier der Hopfenbau und gab 33 Hopfengärtnern reichliche Nahrung. Sie gewannen jährlich weit über 1000 Wispel und der Buckower Hopfen war es, der dem Bernauer Bier zu seinem Ruhme half. Noch giebt es Ho- pfengärten in Buckow, aber ihre Bedeutung für die Stadt ist hin und die überall siegreiche Kartoffel erobert auch hier das Terrain. Kümmerlich schlägt sich die Stadt mit Spaten und Hacke durch; Communalvermögen ist nicht da; die vier Jahrmärkte werden nicht besucht und die alte Hügel-Kirche mit reichem Altar und mächti- gen Glocken, würde schwerlich in solcher Stattlichkeit auf die Stadt herabsehen, wenn sie vom jetzigen Buckow gebaut werden sollte. Weiteres über diese Kirche siehe in den Anmerkungen.
Die Buckower sind ordentliche, fleißige Leute, die sich's sauer werden lassen, aber sei es, daß ihre wendisch-deutsche Blutmischung nicht ganz die richtige ist, oder daß sie's nicht verwinden können vor lieber langer Zeit einmal reich gewesen zu sein, gleichviel sie haben eine Vorliebe für's Prozessiren und gelegentlich auch wohl für die Selbsthülfe. Es existiren darüber viel heitre und viel traurige Geschichten. Eine Geschichte dieser Art, die lustig und traurig zugleich war, spielte vor Kurzem erst, als die Buckower mit ihrem "Grafen" (Graf Flemming, Besitzer der Herrschaft Buckow) in Streit geriethen. Dieser Streit nahm ein paar Tage lang den Charakter an, als habe sich ein Vorgang aus dem 15. Jahrhundert in unsre Zeit hinein verirrt; die Bürger zogen
aber nicht gleich gefaßt. Viele hatten vorgeſchlagen „das Pflaſter zu laſſen wie es ſei“ um den König deſto eher zu einer milden Beiſteuer zu bewegen, in dankbarer Erinnerung an Rettung aus Lebensgefahr. Aber der Vorſchlag mußte freilich ſcheitern, weil niemand den Muth hatte (und nicht haben konnte), im Voraus für ſichere Paſſage zu bürgen. So wurde denn Sand geſtreut und das alte Pflaſter blieb der Stadt erhalten. Für ſchwache Achſen iſt Buckow daſſelbe was Wien für ſchwache Lungen iſt, — keiner kommt heil heraus.
Buckow war einmal wohlhabend, aber das iſt lange her. Im 14. Jahrhundert, auch ſpäter noch, blühte hier der Hopfenbau und gab 33 Hopfengärtnern reichliche Nahrung. Sie gewannen jährlich weit über 1000 Wispel und der Buckower Hopfen war es, der dem Bernauer Bier zu ſeinem Ruhme half. Noch giebt es Ho- pfengärten in Buckow, aber ihre Bedeutung für die Stadt iſt hin und die überall ſiegreiche Kartoffel erobert auch hier das Terrain. Kümmerlich ſchlägt ſich die Stadt mit Spaten und Hacke durch; Communalvermögen iſt nicht da; die vier Jahrmärkte werden nicht beſucht und die alte Hügel-Kirche mit reichem Altar und mächti- gen Glocken, würde ſchwerlich in ſolcher Stattlichkeit auf die Stadt herabſehen, wenn ſie vom jetzigen Buckow gebaut werden ſollte. Weiteres über dieſe Kirche ſiehe in den Anmerkungen.
Die Buckower ſind ordentliche, fleißige Leute, die ſich’s ſauer werden laſſen, aber ſei es, daß ihre wendiſch-deutſche Blutmiſchung nicht ganz die richtige iſt, oder daß ſie’s nicht verwinden können vor lieber langer Zeit einmal reich geweſen zu ſein, gleichviel ſie haben eine Vorliebe für’s Prozeſſiren und gelegentlich auch wohl für die Selbſthülfe. Es exiſtiren darüber viel heitre und viel traurige Geſchichten. Eine Geſchichte dieſer Art, die luſtig und traurig zugleich war, ſpielte vor Kurzem erſt, als die Buckower mit ihrem „Grafen“ (Graf Flemming, Beſitzer der Herrſchaft Buckow) in Streit geriethen. Dieſer Streit nahm ein paar Tage lang den Charakter an, als habe ſich ein Vorgang aus dem 15. Jahrhundert in unſre Zeit hinein verirrt; die Bürger zogen
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aber nicht gleich gefaßt. Viele hatten vorgeſchlagen „das Pflaſter
zu laſſen wie es ſei“ um den König deſto eher zu einer milden
Beiſteuer zu bewegen, in dankbarer Erinnerung an Rettung aus
Lebensgefahr. Aber der Vorſchlag mußte freilich ſcheitern, weil
niemand den Muth hatte (und nicht haben konnte), im Voraus
für ſichere Paſſage zu bürgen. So wurde denn Sand geſtreut
und das alte Pflaſter blieb der Stadt erhalten. Für ſchwache
Achſen iſt Buckow daſſelbe was Wien für ſchwache Lungen iſt, —
keiner kommt heil heraus.
Buckow war einmal wohlhabend, aber das iſt lange her. Im
14. Jahrhundert, auch ſpäter noch, blühte hier der Hopfenbau und
gab 33 Hopfengärtnern reichliche Nahrung. Sie gewannen jährlich
weit über 1000 Wispel und der Buckower Hopfen war es, der
dem Bernauer Bier zu ſeinem Ruhme half. Noch giebt es Ho-
pfengärten in Buckow, aber ihre Bedeutung für die Stadt iſt hin
und die überall ſiegreiche Kartoffel erobert auch hier das Terrain.
Kümmerlich ſchlägt ſich die Stadt mit Spaten und Hacke durch;
Communalvermögen iſt nicht da; die vier Jahrmärkte werden nicht
beſucht und die alte Hügel-Kirche mit reichem Altar und mächti-
gen Glocken, würde ſchwerlich in ſolcher Stattlichkeit auf die Stadt
herabſehen, wenn ſie vom jetzigen Buckow gebaut werden ſollte.
Weiteres über dieſe Kirche ſiehe in den Anmerkungen.
Die Buckower ſind ordentliche, fleißige Leute, die ſich’s ſauer
werden laſſen, aber ſei es, daß ihre wendiſch-deutſche Blutmiſchung
nicht ganz die richtige iſt, oder daß ſie’s nicht verwinden können
vor lieber langer Zeit einmal reich geweſen zu ſein, gleichviel ſie
haben eine Vorliebe für’s Prozeſſiren und gelegentlich auch wohl
für die Selbſthülfe. Es exiſtiren darüber viel heitre und viel
traurige Geſchichten. Eine Geſchichte dieſer Art, die luſtig und
traurig zugleich war, ſpielte vor Kurzem erſt, als die Buckower
mit ihrem „Grafen“ (Graf Flemming, Beſitzer der Herrſchaft
Buckow) in Streit geriethen. Dieſer Streit nahm ein paar Tage
lang den Charakter an, als habe ſich ein Vorgang aus dem
15. Jahrhundert in unſre Zeit hinein verirrt; die Bürger zogen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/187>, abgerufen am 23.11.2024.
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