Plateau aus, das den See nach Westen hin begrenzt. Diesem Bollersdorfer Plateau wenden wir uns jetzt zu.
Wir wählen dazu (statt der Fahrt über den See) einen Umweg, durch jene lieblichen Schlucht- und Waldparthieen, die, indem wir zunächst uns nördlich halten, von einem Bergwasser, dem Marienfließ, durchflossen werden. Das Landschaftsbild, das sich vor uns erschließt, ist dasselbe, dem der Reisende in den Wald- und Gebirgsparthieen Mitteldeutschlands so oft begegnet; -- wer den Harz, wer Thüringen und die sächsische Schweiz kennt, ist manche liebe Stunde unter gleichen Bildern und Eindrücken bergan gestiegen. Tannen und Lärchenbäume fassen zu beiden Seiten die Hügelabhänge ein, Buchen und Birken sind in das Nadelholz eingestreut, der Kuckuck ruft, der Bach plätschert und auf dem frischen Rasen, der das Wandern so leicht macht, liegen die Tann- äpfel oder spielen die Schatten und Lichter der Nachmittagssonne. So auch hier. Ueber die primitivsten Brücken hinweg (sechs Feld- steine quer durch den Bach gelegt) schreiten wir vom linken auf das rechte und wieder vom rechten auf das linke Ufer, bis wir nach halbstündigem Marsch die nördliche Richtung aufgeben und links den Tann ohne Weg und Steg durchbrechend, plötzlich auf einem weiten Ackerfeld uns erblicken, rundum Raps und grüne Saaten, in der Ferne aber die Giebelwand einer Dorfkirche. Wir befinden uns jetzt auf einem Plateau und zwar auf eben jener "Bollersdorfer Höhe", die wir, den Wendungen des Baches folgend, fast wie auf einer Wendeltreppe ohne Stufen, erstiegen haben. Aber noch wissen wir es kaum, daß wir uns auf einer Höhe befinden, denn die weiten Ackerfelder dehnen sich, bis zum Horizont, wie eine Ebene vor uns aus und erst nach links hin einer Ackerfurche folgend, die uns an eine Wand von Brombeer- und Weißdornsträuchern führt, blicken wir plötzlich in eine völlig senkrechte Tiefe nieder, -- hundert Fuß unter uns der See.
Wir nehmen nun unsern Stand und haben vielleicht das schönste Landschaftsbild vor uns, das die "märkische Schweiz" oder doch der "Kanton Buckow" zu bieten vermag. Links und rechts,
Plateau aus, das den See nach Weſten hin begrenzt. Dieſem Bollersdorfer Plateau wenden wir uns jetzt zu.
Wir wählen dazu (ſtatt der Fahrt über den See) einen Umweg, durch jene lieblichen Schlucht- und Waldparthieen, die, indem wir zunächſt uns nördlich halten, von einem Bergwaſſer, dem Marienfließ, durchfloſſen werden. Das Landſchaftsbild, das ſich vor uns erſchließt, iſt daſſelbe, dem der Reiſende in den Wald- und Gebirgsparthieen Mitteldeutſchlands ſo oft begegnet; — wer den Harz, wer Thüringen und die ſächſiſche Schweiz kennt, iſt manche liebe Stunde unter gleichen Bildern und Eindrücken bergan geſtiegen. Tannen und Lärchenbäume faſſen zu beiden Seiten die Hügelabhänge ein, Buchen und Birken ſind in das Nadelholz eingeſtreut, der Kuckuck ruft, der Bach plätſchert und auf dem friſchen Raſen, der das Wandern ſo leicht macht, liegen die Tann- äpfel oder ſpielen die Schatten und Lichter der Nachmittagsſonne. So auch hier. Ueber die primitivſten Brücken hinweg (ſechs Feld- ſteine quer durch den Bach gelegt) ſchreiten wir vom linken auf das rechte und wieder vom rechten auf das linke Ufer, bis wir nach halbſtündigem Marſch die nördliche Richtung aufgeben und links den Tann ohne Weg und Steg durchbrechend, plötzlich auf einem weiten Ackerfeld uns erblicken, rundum Raps und grüne Saaten, in der Ferne aber die Giebelwand einer Dorfkirche. Wir befinden uns jetzt auf einem Plateau und zwar auf eben jener „Bollersdorfer Höhe“, die wir, den Wendungen des Baches folgend, faſt wie auf einer Wendeltreppe ohne Stufen, erſtiegen haben. Aber noch wiſſen wir es kaum, daß wir uns auf einer Höhe befinden, denn die weiten Ackerfelder dehnen ſich, bis zum Horizont, wie eine Ebene vor uns aus und erſt nach links hin einer Ackerfurche folgend, die uns an eine Wand von Brombeer- und Weißdornſträuchern führt, blicken wir plötzlich in eine völlig ſenkrechte Tiefe nieder, — hundert Fuß unter uns der See.
Wir nehmen nun unſern Stand und haben vielleicht das ſchönſte Landſchaftsbild vor uns, das die „märkiſche Schweiz“ oder doch der „Kanton Buckow“ zu bieten vermag. Links und rechts,
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Plateau aus, das den See nach Weſten hin begrenzt. Dieſem
Bollersdorfer Plateau wenden wir uns jetzt zu.
Wir wählen dazu (ſtatt der Fahrt über den See) einen
Umweg, durch jene lieblichen Schlucht- und Waldparthieen, die,
indem wir zunächſt uns nördlich halten, von einem Bergwaſſer,
dem Marienfließ, durchfloſſen werden. Das Landſchaftsbild, das
ſich vor uns erſchließt, iſt daſſelbe, dem der Reiſende in den Wald-
und Gebirgsparthieen Mitteldeutſchlands ſo oft begegnet; — wer
den Harz, wer Thüringen und die ſächſiſche Schweiz kennt, iſt
manche liebe Stunde unter gleichen Bildern und Eindrücken bergan
geſtiegen. Tannen und Lärchenbäume faſſen zu beiden Seiten die
Hügelabhänge ein, Buchen und Birken ſind in das Nadelholz
eingeſtreut, der Kuckuck ruft, der Bach plätſchert und auf dem
friſchen Raſen, der das Wandern ſo leicht macht, liegen die Tann-
äpfel oder ſpielen die Schatten und Lichter der Nachmittagsſonne.
So auch hier. Ueber die primitivſten Brücken hinweg (ſechs Feld-
ſteine quer durch den Bach gelegt) ſchreiten wir vom linken auf
das rechte und wieder vom rechten auf das linke Ufer, bis wir
nach halbſtündigem Marſch die nördliche Richtung aufgeben und
links den Tann ohne Weg und Steg durchbrechend, plötzlich auf
einem weiten Ackerfeld uns erblicken, rundum Raps und grüne
Saaten, in der Ferne aber die Giebelwand einer Dorfkirche.
Wir befinden uns jetzt auf einem Plateau und zwar auf eben
jener „Bollersdorfer Höhe“, die wir, den Wendungen des Baches
folgend, faſt wie auf einer Wendeltreppe ohne Stufen, erſtiegen
haben. Aber noch wiſſen wir es kaum, daß wir uns auf einer
Höhe befinden, denn die weiten Ackerfelder dehnen ſich, bis zum
Horizont, wie eine Ebene vor uns aus und erſt nach links hin
einer Ackerfurche folgend, die uns an eine Wand von Brombeer-
und Weißdornſträuchern führt, blicken wir plötzlich in eine völlig
ſenkrechte Tiefe nieder, — hundert Fuß unter uns der See.
Wir nehmen nun unſern Stand und haben vielleicht das
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doch der „Kanton Buckow“ zu bieten vermag. Links und rechts,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/192>, abgerufen am 23.11.2024.
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