in gleicher Höhe mit uns, die Raps- und Saatfelder des Plateaus, auf dem wir stehn; unmittelbar unter uns der blaue, leis gekräu- selte Schermützel See; drüben am andern Ufer, hügelansteigend, in den Schluchten verschwindend und wieder zum Vorschein kom- mend, die Stadt und endlich hinter derselben, im weitgezogenen Halbkreis, eine Bergwand, hier und dort mit jungem Kiefernholz, in der Mitte aber mit dunklen Schwarztannen bis zur vollen Höhe des Berges besetzt. Die Nachmittagssonne fällt auf die Stadt, die mit ihren rothen Dächern und weißen Giebeln wie ein Bild auf dem dunklen Hintergrund der Tannen steht; das Auge aber, wohin es durch die Mannigfaltigkeit des Bildes auch gelockt wer- den mag, kehrt immer wieder auf den räthselvollen See zurück, der in genau zu verfolgenden Linien halbmondförmig unter uns liegt.
Auf den räthselvollen See. Noch wissen wir es nicht, aber wir ahnen es, daß er unter andern Schätzen auch Sage und Geschichte umschließen muß, und unser Führer, ein Buckower Fischer, der uns bis hieher schweigend geleitet, hebt nun mit schlichtem Tone an: "Dort unten liegt die alte Stadt. Drüben am andern Ufer, wo Sie die spiegelglatte Stelle sehen, dort hat Alt-Buckow gestanden. Wir kennen die Stelle ganz genau. Von dem Eck dort, wo die Binsen 100 Schritt weit in den See hineingehen, bis hier g'radüber von uns, wo die Weiden in's Wasser hängen, -- so weit ging die Stadt. Ich spreche nicht von Glocken, die unten klingen, Alt-Buckow hatte schwerlich Gocken, aber das müssen Sie schon glauben, daß wir an klaren Tagen 10 Fuß tief unterm Spiegel allerhand Pfahlwerk stehen sehn, Blockhäuser vielleicht, jedenfalls Zaun und Steg und mancher unter uns hat etwas von dem Pfahlwerk herausgeholt und ihm einen guten Platz im Haus- flur gegeben. Wir denken, es ist ein Segen dabei." Der Erzäh- lende machte eine Pause, während er mich scharf ansah, dann fuhr er fort: "Drüben, wo die Stadt stand, ist der See flach, wenig- stens eine kurze Strecke; hier unter uns aber ist er tief, an 100 Fuß und darüber; hier wimmelt es auch von Fischen, aber wir
in gleicher Höhe mit uns, die Raps- und Saatfelder des Plateaus, auf dem wir ſtehn; unmittelbar unter uns der blaue, leis gekräu- ſelte Schermützel See; drüben am andern Ufer, hügelanſteigend, in den Schluchten verſchwindend und wieder zum Vorſchein kom- mend, die Stadt und endlich hinter derſelben, im weitgezogenen Halbkreis, eine Bergwand, hier und dort mit jungem Kiefernholz, in der Mitte aber mit dunklen Schwarztannen bis zur vollen Höhe des Berges beſetzt. Die Nachmittagsſonne fällt auf die Stadt, die mit ihren rothen Dächern und weißen Giebeln wie ein Bild auf dem dunklen Hintergrund der Tannen ſteht; das Auge aber, wohin es durch die Mannigfaltigkeit des Bildes auch gelockt wer- den mag, kehrt immer wieder auf den räthſelvollen See zurück, der in genau zu verfolgenden Linien halbmondförmig unter uns liegt.
Auf den räthſelvollen See. Noch wiſſen wir es nicht, aber wir ahnen es, daß er unter andern Schätzen auch Sage und Geſchichte umſchließen muß, und unſer Führer, ein Buckower Fiſcher, der uns bis hieher ſchweigend geleitet, hebt nun mit ſchlichtem Tone an: „Dort unten liegt die alte Stadt. Drüben am andern Ufer, wo Sie die ſpiegelglatte Stelle ſehen, dort hat Alt-Buckow geſtanden. Wir kennen die Stelle ganz genau. Von dem Eck dort, wo die Binſen 100 Schritt weit in den See hineingehen, bis hier g’radüber von uns, wo die Weiden in’s Waſſer hängen, — ſo weit ging die Stadt. Ich ſpreche nicht von Glocken, die unten klingen, Alt-Buckow hatte ſchwerlich Gocken, aber das müſſen Sie ſchon glauben, daß wir an klaren Tagen 10 Fuß tief unterm Spiegel allerhand Pfahlwerk ſtehen ſehn, Blockhäuſer vielleicht, jedenfalls Zaun und Steg und mancher unter uns hat etwas von dem Pfahlwerk herausgeholt und ihm einen guten Platz im Haus- flur gegeben. Wir denken, es iſt ein Segen dabei.“ Der Erzäh- lende machte eine Pauſe, während er mich ſcharf anſah, dann fuhr er fort: „Drüben, wo die Stadt ſtand, iſt der See flach, wenig- ſtens eine kurze Strecke; hier unter uns aber iſt er tief, an 100 Fuß und darüber; hier wimmelt es auch von Fiſchen, aber wir
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in gleicher Höhe mit uns, die Raps- und Saatfelder des Plateaus,
auf dem wir ſtehn; unmittelbar unter uns der blaue, leis gekräu-
ſelte Schermützel See; drüben am andern Ufer, hügelanſteigend,
in den Schluchten verſchwindend und wieder zum Vorſchein kom-
mend, die Stadt und endlich hinter derſelben, im weitgezogenen
Halbkreis, eine Bergwand, hier und dort mit jungem Kiefernholz,
in der Mitte aber mit dunklen Schwarztannen bis zur vollen
Höhe des Berges beſetzt. Die Nachmittagsſonne fällt auf die Stadt,
die mit ihren rothen Dächern und weißen Giebeln wie ein Bild
auf dem dunklen Hintergrund der Tannen ſteht; das Auge aber,
wohin es durch die Mannigfaltigkeit des Bildes auch gelockt wer-
den mag, kehrt immer wieder auf den räthſelvollen See zurück,
der in genau zu verfolgenden Linien halbmondförmig unter
uns liegt.
Auf den räthſelvollen See. Noch wiſſen wir es nicht, aber
wir ahnen es, daß er unter andern Schätzen auch Sage und
Geſchichte umſchließen muß, und unſer Führer, ein Buckower Fiſcher,
der uns bis hieher ſchweigend geleitet, hebt nun mit ſchlichtem
Tone an: „Dort unten liegt die alte Stadt. Drüben am andern
Ufer, wo Sie die ſpiegelglatte Stelle ſehen, dort hat Alt-Buckow
geſtanden. Wir kennen die Stelle ganz genau. Von dem Eck dort,
wo die Binſen 100 Schritt weit in den See hineingehen, bis
hier g’radüber von uns, wo die Weiden in’s Waſſer hängen, —
ſo weit ging die Stadt. Ich ſpreche nicht von Glocken, die unten
klingen, Alt-Buckow hatte ſchwerlich Gocken, aber das müſſen Sie
ſchon glauben, daß wir an klaren Tagen 10 Fuß tief unterm
Spiegel allerhand Pfahlwerk ſtehen ſehn, Blockhäuſer vielleicht,
jedenfalls Zaun und Steg und mancher unter uns hat etwas von
dem Pfahlwerk herausgeholt und ihm einen guten Platz im Haus-
flur gegeben. Wir denken, es iſt ein Segen dabei.“ Der Erzäh-
lende machte eine Pauſe, während er mich ſcharf anſah, dann fuhr
er fort: „Drüben, wo die Stadt ſtand, iſt der See flach, wenig-
ſtens eine kurze Strecke; hier unter uns aber iſt er tief, an 100
Fuß und darüber; hier wimmelt es auch von Fiſchen, aber wir
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/193>, abgerufen am 27.11.2024.
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