König von Schlesien her am linken Oderufer erschien. Alle Namen hier, zu beiden Seiten des Flusses, erinnern an jene Tage bitterer Bedrängniß, schwer erkauften Siegs.
Zuerst Gorgast am linken Oderufer. In Gorgast war es, wo der König seine chiffonirt aussehenden Truppen mit den glatt und wohlgenährt dastehenden Regimentern Dohna's vereinigte und wo die berühmten Worte fielen: "meine sehen aus wie Grasteufel, aber sie beißen."
Weiter flußabwärts die Fähre von Güstebiese. Ein wenig poetischer Name, aber doch voll guten Klangs. Hier führte der König seine Bataillone über, als er von Küstrin aus (wo der Feind en front den Uebergang erwartete) jenen berühmten Bo- genmarsch machte, der ihn, an derselben Stelle, wo der Gegner immer noch einen Front-Angriff erwartete, plötzlich in den Rücken desselben führte.
Rechts hin, fast am Ufer des Flusses entlang, dehnt sich die Drewitzer Haide, -- ein grüner Schirm, der das eigentliche Schlachtfeld dem Auge des Vorüberfahrenden entzieht. Dahinter liegen die Dörfer und Stätten, deren Namen mit der Geschichte jenes blutigen Tages verwoben sind: die Neu-Dammsche Mühle, der Zaber- und Galgengrund, endlich Zorndorf selbst.
Wir haben Küstrin passirt -- ein scheuer Blick nur traf jene enge, halb verbaute Bastion Brandenburg, wo am 6. Nov. 1730 Katt's Haupt in den Sand rollte -- auch das Schlachtfeld liegt bereits hinter uns, das 28 Jahre später diese Ufer und Dörfer zu historischem Ansehen erhob und wir fahren nun, als hätten sich diese Ufer vorgesetzt durch Contraste zu wirken, in jene fried- lich-fruchtbaren Gegenden ein, die, vor hundert oder doch 150 Jahren noch ein ödes, werthloses Sumpfland, seitdem so oftmals (und mit Recht) die Kornkammern unseres Landes genannt wor- den sind. Das Oderbruch dehnt sich auf Meilen hin zu unserer Linken aus.
Der Anblick, den es, im Vorüberfahren, vom Fluß aus ge- währt, ist weder schön und malerisch, noch verräth er eine besondere
König von Schleſien her am linken Oderufer erſchien. Alle Namen hier, zu beiden Seiten des Fluſſes, erinnern an jene Tage bitterer Bedrängniß, ſchwer erkauften Siegs.
Zuerſt Gorgaſt am linken Oderufer. In Gorgaſt war es, wo der König ſeine chiffonirt ausſehenden Truppen mit den glatt und wohlgenährt daſtehenden Regimentern Dohna’s vereinigte und wo die berühmten Worte fielen: „meine ſehen aus wie Grasteufel, aber ſie beißen.“
Weiter flußabwärts die Fähre von Güſtebieſe. Ein wenig poetiſcher Name, aber doch voll guten Klangs. Hier führte der König ſeine Bataillone über, als er von Küſtrin aus (wo der Feind en front den Uebergang erwartete) jenen berühmten Bo- genmarſch machte, der ihn, an derſelben Stelle, wo der Gegner immer noch einen Front-Angriff erwartete, plötzlich in den Rücken deſſelben führte.
Rechts hin, faſt am Ufer des Fluſſes entlang, dehnt ſich die Drewitzer Haide, — ein grüner Schirm, der das eigentliche Schlachtfeld dem Auge des Vorüberfahrenden entzieht. Dahinter liegen die Dörfer und Stätten, deren Namen mit der Geſchichte jenes blutigen Tages verwoben ſind: die Neu-Dammſche Mühle, der Zaber- und Galgengrund, endlich Zorndorf ſelbſt.
Wir haben Küſtrin paſſirt — ein ſcheuer Blick nur traf jene enge, halb verbaute Baſtion Brandenburg, wo am 6. Nov. 1730 Katt’s Haupt in den Sand rollte — auch das Schlachtfeld liegt bereits hinter uns, das 28 Jahre ſpäter dieſe Ufer und Dörfer zu hiſtoriſchem Anſehen erhob und wir fahren nun, als hätten ſich dieſe Ufer vorgeſetzt durch Contraſte zu wirken, in jene fried- lich-fruchtbaren Gegenden ein, die, vor hundert oder doch 150 Jahren noch ein ödes, werthloſes Sumpfland, ſeitdem ſo oftmals (und mit Recht) die Kornkammern unſeres Landes genannt wor- den ſind. Das Oderbruch dehnt ſich auf Meilen hin zu unſerer Linken aus.
Der Anblick, den es, im Vorüberfahren, vom Fluß aus ge- währt, iſt weder ſchön und maleriſch, noch verräth er eine beſondere
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0024"n="12"/>
König von Schleſien her am linken Oderufer erſchien. Alle Namen<lb/>
hier, zu beiden Seiten des Fluſſes, erinnern an jene Tage bitterer<lb/>
Bedrängniß, ſchwer erkauften Siegs.</p><lb/><p>Zuerſt <hirendition="#g">Gorgaſt</hi> am linken Oderufer. In Gorgaſt war es,<lb/>
wo der König ſeine chiffonirt ausſehenden Truppen mit den glatt<lb/>
und wohlgenährt daſtehenden Regimentern Dohna’s vereinigte und<lb/>
wo die berühmten Worte fielen: „meine ſehen aus wie Grasteufel,<lb/>
aber ſie beißen.“</p><lb/><p>Weiter flußabwärts die Fähre von <hirendition="#g">Güſtebieſe</hi>. Ein wenig<lb/>
poetiſcher Name, aber doch voll guten Klangs. Hier führte der<lb/>
König ſeine Bataillone über, als er von Küſtrin aus (wo der<lb/>
Feind <hirendition="#aq">en front</hi> den Uebergang erwartete) jenen berühmten Bo-<lb/>
genmarſch machte, der ihn, an derſelben Stelle, wo der Gegner<lb/>
immer noch einen Front-Angriff erwartete, plötzlich in den <hirendition="#g">Rücken</hi><lb/>
deſſelben führte.</p><lb/><p>Rechts hin, faſt am Ufer des Fluſſes entlang, dehnt ſich die<lb/>
Drewitzer Haide, — ein grüner Schirm, der das eigentliche<lb/>
Schlachtfeld dem Auge des Vorüberfahrenden entzieht. Dahinter<lb/>
liegen die Dörfer und Stätten, deren Namen mit der Geſchichte<lb/>
jenes blutigen Tages verwoben ſind: die Neu-Dammſche Mühle,<lb/>
der Zaber- und Galgengrund, endlich <hirendition="#g">Zorndorf</hi>ſelbſt.</p><lb/><p>Wir haben Küſtrin paſſirt — ein ſcheuer Blick nur traf jene<lb/>
enge, halb verbaute Baſtion Brandenburg, wo am 6. Nov. 1730<lb/>
Katt’s Haupt in den Sand rollte — auch das Schlachtfeld liegt<lb/>
bereits hinter uns, das 28 Jahre ſpäter dieſe Ufer und Dörfer<lb/>
zu hiſtoriſchem Anſehen erhob und wir fahren nun, als hätten<lb/>ſich dieſe Ufer vorgeſetzt durch Contraſte zu wirken, in jene fried-<lb/>
lich-fruchtbaren Gegenden ein, die, vor hundert oder doch 150<lb/>
Jahren noch ein ödes, werthloſes Sumpfland, ſeitdem ſo oftmals<lb/>
(und mit Recht) die Kornkammern unſeres Landes genannt wor-<lb/>
den ſind. Das <hirendition="#g">Oderbruch</hi> dehnt ſich auf Meilen hin zu unſerer<lb/>
Linken aus.</p><lb/><p>Der Anblick, den es, im Vorüberfahren, vom Fluß aus ge-<lb/>
währt, iſt weder ſchön und maleriſch, noch verräth er eine beſondere<lb/></p></div></body></text></TEI>
[12/0024]
König von Schleſien her am linken Oderufer erſchien. Alle Namen
hier, zu beiden Seiten des Fluſſes, erinnern an jene Tage bitterer
Bedrängniß, ſchwer erkauften Siegs.
Zuerſt Gorgaſt am linken Oderufer. In Gorgaſt war es,
wo der König ſeine chiffonirt ausſehenden Truppen mit den glatt
und wohlgenährt daſtehenden Regimentern Dohna’s vereinigte und
wo die berühmten Worte fielen: „meine ſehen aus wie Grasteufel,
aber ſie beißen.“
Weiter flußabwärts die Fähre von Güſtebieſe. Ein wenig
poetiſcher Name, aber doch voll guten Klangs. Hier führte der
König ſeine Bataillone über, als er von Küſtrin aus (wo der
Feind en front den Uebergang erwartete) jenen berühmten Bo-
genmarſch machte, der ihn, an derſelben Stelle, wo der Gegner
immer noch einen Front-Angriff erwartete, plötzlich in den Rücken
deſſelben führte.
Rechts hin, faſt am Ufer des Fluſſes entlang, dehnt ſich die
Drewitzer Haide, — ein grüner Schirm, der das eigentliche
Schlachtfeld dem Auge des Vorüberfahrenden entzieht. Dahinter
liegen die Dörfer und Stätten, deren Namen mit der Geſchichte
jenes blutigen Tages verwoben ſind: die Neu-Dammſche Mühle,
der Zaber- und Galgengrund, endlich Zorndorf ſelbſt.
Wir haben Küſtrin paſſirt — ein ſcheuer Blick nur traf jene
enge, halb verbaute Baſtion Brandenburg, wo am 6. Nov. 1730
Katt’s Haupt in den Sand rollte — auch das Schlachtfeld liegt
bereits hinter uns, das 28 Jahre ſpäter dieſe Ufer und Dörfer
zu hiſtoriſchem Anſehen erhob und wir fahren nun, als hätten
ſich dieſe Ufer vorgeſetzt durch Contraſte zu wirken, in jene fried-
lich-fruchtbaren Gegenden ein, die, vor hundert oder doch 150
Jahren noch ein ödes, werthloſes Sumpfland, ſeitdem ſo oftmals
(und mit Recht) die Kornkammern unſeres Landes genannt wor-
den ſind. Das Oderbruch dehnt ſich auf Meilen hin zu unſerer
Linken aus.
Der Anblick, den es, im Vorüberfahren, vom Fluß aus ge-
währt, iſt weder ſchön und maleriſch, noch verräth er eine beſondere
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/24>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.