druck gestatten will) "nur Thaer", und in diesem Umstand liegt sein Reiz und seine Eigenthümlichkeit. Im Uebrigen wirkt das ganze Dorf fast wie eine Ueberraschung. Etwas in der Tiefe gelegen und durch keinen Kirchthurm in die Weite hin verrathen, tritt man plötzlich, unter alten Bäumen hindurch, wie in ein Camp, eine Niederlassung ein und hat hier, malerisch gruppirt, alles zusammen, was zur Bedeutung und zur Poesie des Ortes gehört.
Den Mittelpunkt des Ganzen bildet ein Teich, den nach rechts hin hohe Schilfwände, nach links hin hohe Erlenbäume umfassen. Diesseits des Teichs, neben der Stelle, wo wir uns selbst befinden, steht die alte Feldsteinkirche, von einer Linde, die nicht viel jünger sein mag als die Kirche, überschattet. Jenseits des Teichs, freundlich blinkend im Schmuck eines angebauten Glashauses, steht das Wohngebäude; dahinter ein Haus von ähnlicher Größe -- die ehemalige Akademie. Die Wirthschafts- gebäude, darunter die berühmte Stammschäferei, verstecken sich zum Theil hinter den hohen Bäumen, die den engen Kreis des Bildes (Teich, Kirche, Wohnhaus, Akademie) umzirken.
Persönlichkeiten, von zum Theil hervorragender Stellung in Leben oder Wissenschaft, drängten sich an dieser Stelle während der letzten 50 Jahre und so darf es nicht Wunder nehmen, daß jeder Fußbreit Erde hier seine Erinnerungen hat. Am Südrande des Teichs, der Kirche zunächst, fällt uns eine Erdpyramide auf, von Blumen überdeckt und terrassenförmig sich zuspitzend. Es ist ein Grabhügel. Unter ihm ruht Albrecht Thaer, und auf den Treppenstufen des Hügels, der mehr ein Blumengarten als ein Grab ist, blühen, den Sommer hindurch, 400 Blumen jahrein, jahraus.
Am Westrande des Teichs bemerken wir den zersplitterten Stamm eines vom Winde abgebrochenen Baumes. Das sind die Ueberbleibsel der "Herzogs-Weide" die hier stand. Zu den ersten Freunden und Genossen Thaers, bei seiner Uebersiedelung nach Moeg- lin, gehörte der Herzog von Holstein-Beck, damals (1804 auf 5) bereits ein Mann von nah an 50, ein Vertrauensmann des
druck geſtatten will) „nur Thaer“, und in dieſem Umſtand liegt ſein Reiz und ſeine Eigenthümlichkeit. Im Uebrigen wirkt das ganze Dorf faſt wie eine Ueberraſchung. Etwas in der Tiefe gelegen und durch keinen Kirchthurm in die Weite hin verrathen, tritt man plötzlich, unter alten Bäumen hindurch, wie in ein Camp, eine Niederlaſſung ein und hat hier, maleriſch gruppirt, alles zuſammen, was zur Bedeutung und zur Poeſie des Ortes gehört.
Den Mittelpunkt des Ganzen bildet ein Teich, den nach rechts hin hohe Schilfwände, nach links hin hohe Erlenbäume umfaſſen. Dieſſeits des Teichs, neben der Stelle, wo wir uns ſelbſt befinden, ſteht die alte Feldſteinkirche, von einer Linde, die nicht viel jünger ſein mag als die Kirche, überſchattet. Jenſeits des Teichs, freundlich blinkend im Schmuck eines angebauten Glashauſes, ſteht das Wohngebäude; dahinter ein Haus von ähnlicher Größe — die ehemalige Akademie. Die Wirthſchafts- gebäude, darunter die berühmte Stammſchäferei, verſtecken ſich zum Theil hinter den hohen Bäumen, die den engen Kreis des Bildes (Teich, Kirche, Wohnhaus, Akademie) umzirken.
Perſönlichkeiten, von zum Theil hervorragender Stellung in Leben oder Wiſſenſchaft, drängten ſich an dieſer Stelle während der letzten 50 Jahre und ſo darf es nicht Wunder nehmen, daß jeder Fußbreit Erde hier ſeine Erinnerungen hat. Am Südrande des Teichs, der Kirche zunächſt, fällt uns eine Erdpyramide auf, von Blumen überdeckt und terraſſenförmig ſich zuſpitzend. Es iſt ein Grabhügel. Unter ihm ruht Albrecht Thaer, und auf den Treppenſtufen des Hügels, der mehr ein Blumengarten als ein Grab iſt, blühen, den Sommer hindurch, 400 Blumen jahrein, jahraus.
Am Weſtrande des Teichs bemerken wir den zerſplitterten Stamm eines vom Winde abgebrochenen Baumes. Das ſind die Ueberbleibſel der „Herzogs-Weide“ die hier ſtand. Zu den erſten Freunden und Genoſſen Thaers, bei ſeiner Ueberſiedelung nach Moeg- lin, gehörte der Herzog von Holſtein-Beck, damals (1804 auf 5) bereits ein Mann von nah an 50, ein Vertrauensmann des
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gelegen und durch keinen Kirchthurm in die Weite hin verrathen,
tritt man plötzlich, unter alten Bäumen hindurch, wie in ein
Camp, eine Niederlaſſung ein und hat hier, maleriſch gruppirt,
alles zuſammen, was zur Bedeutung und zur Poeſie des Ortes
gehört.
Den Mittelpunkt des Ganzen bildet ein Teich, den nach
rechts hin hohe Schilfwände, nach links hin hohe Erlenbäume
umfaſſen. Dieſſeits des Teichs, neben der Stelle, wo wir uns
ſelbſt befinden, ſteht die alte Feldſteinkirche, von einer Linde, die
nicht viel jünger ſein mag als die Kirche, überſchattet. Jenſeits
des Teichs, freundlich blinkend im Schmuck eines angebauten
Glashauſes, ſteht das Wohngebäude; dahinter ein Haus von
ähnlicher Größe — die ehemalige Akademie. Die Wirthſchafts-
gebäude, darunter die berühmte Stammſchäferei, verſtecken ſich zum
Theil hinter den hohen Bäumen, die den engen Kreis des Bildes
(Teich, Kirche, Wohnhaus, Akademie) umzirken.
Perſönlichkeiten, von zum Theil hervorragender Stellung in
Leben oder Wiſſenſchaft, drängten ſich an dieſer Stelle während
der letzten 50 Jahre und ſo darf es nicht Wunder nehmen, daß
jeder Fußbreit Erde hier ſeine Erinnerungen hat. Am Südrande
des Teichs, der Kirche zunächſt, fällt uns eine Erdpyramide auf,
von Blumen überdeckt und terraſſenförmig ſich zuſpitzend. Es iſt
ein Grabhügel. Unter ihm ruht Albrecht Thaer, und auf den
Treppenſtufen des Hügels, der mehr ein Blumengarten als ein Grab
iſt, blühen, den Sommer hindurch, 400 Blumen jahrein, jahraus.
Am Weſtrande des Teichs bemerken wir den zerſplitterten
Stamm eines vom Winde abgebrochenen Baumes. Das ſind die
Ueberbleibſel der „Herzogs-Weide“ die hier ſtand. Zu den erſten
Freunden und Genoſſen Thaers, bei ſeiner Ueberſiedelung nach Moeg-
lin, gehörte der Herzog von Holſtein-Beck, damals (1804 auf 5)
bereits ein Mann von nah an 50, ein Vertrauensmann des
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/261>, abgerufen am 22.11.2024.
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