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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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nach sorglicher Ausmessung eine Länge von 136 Fuß ergaben.
Es war just die Zeit, wo man hierlandes in die vor-wendische
Zeit zurückzusteigen und die alte Mark, als ein ehemaliges ur-
germanisches Land, mit Longobarden und Semnonen zu bevölkern
trachtete. Das Bade-Comite -- wie alle Bade-Comites -- stand
natürlich auf der Höhe seiner Zeit. Die Folge davon war, daß
Seitens desselben das 136 Fuß lange Fundament ohne Weitres
als die Seitenwand eines Freya-Tempels festgestellt, zugleich aber
(zwei Fliegen mit einer Klappe schlagend) jeder etymologische Zwei-
fel über "Freienwalde" oder "Freyenwalde" ein für allemal be-
seitigt wurde. Das Fundament selbst, alsbald an's Licht geschafft,
erfuhr eine doppelte Verwendung. Die eine Hälfte ward ohne
weitres zur Aufführung eines Mauerbruchstücks verwandt, in das
eine Marmor- oder Kalksteintafel mit der Geschichte "der Auffin-
dung des Freyatempels" eingelassen wurde; während die andre
Hälfte, ebenfalls nach der Sitte der Zeit, als künstlicher "Ruinen-
thurm" in eine neue Phase des Daseins trat. Dieser künstliche
Ruinenthurm erhielt, trivial aber wohlmeinend, die Inschrift: "Wie
schön ist Gottes Erde."

Unser nächster Besuch gilt dem Ziegenberg (oder "Zicken-
berg" wie er früher hieß), der sich jedoch an seiner einfachen Er-
hebung in's Hochdeutsche nicht genügen ließ und deshalb jetzt als
"Monte Caprino" auftritt. Von seiner Höhe blickt man ebenfalls
in die Bruchlandschaft hinein, aber die Stadt im Vordergrunde
fehlt. Dies führt uns darauf hin, die Bergpartieen, wie sie sich
um Freienwalde herum gruppiren, auf ihre eigenthümliche Forma-
tion hin ein wenig näher anzusehen. Ihre Eigenthümlichkeit besteht
darin, daß sie, wiewohl frei und offen daliegend, doch zugleich
einen sehr exclusiven Charakter haben und unter einander
(landschaftlich) in gar keiner oder sehr geringer Verbindung stehn.
Wir beschreiben diese hufeisenförmigen, nach vorn hin geöffneten
Thäler vielleicht am besten, wenn wir sie, als ebenso viele Am-
phitheater bezeichnen. Da alle diese Amphitheater am Bruche ent-
lang liegen und nach vorn hin geöffnet sind, so ist der Blick auf

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nach ſorglicher Ausmeſſung eine Länge von 136 Fuß ergaben.
Es war juſt die Zeit, wo man hierlandes in die vor-wendiſche
Zeit zurückzuſteigen und die alte Mark, als ein ehemaliges ur-
germaniſches Land, mit Longobarden und Semnonen zu bevölkern
trachtete. Das Bade-Comité — wie alle Bade-Comités — ſtand
natürlich auf der Höhe ſeiner Zeit. Die Folge davon war, daß
Seitens deſſelben das 136 Fuß lange Fundament ohne Weitres
als die Seitenwand eines Freya-Tempels feſtgeſtellt, zugleich aber
(zwei Fliegen mit einer Klappe ſchlagend) jeder etymologiſche Zwei-
fel über „Freienwalde“ oder „Freyenwalde“ ein für allemal be-
ſeitigt wurde. Das Fundament ſelbſt, alsbald an’s Licht geſchafft,
erfuhr eine doppelte Verwendung. Die eine Hälfte ward ohne
weitres zur Aufführung eines Mauerbruchſtücks verwandt, in das
eine Marmor- oder Kalkſteintafel mit der Geſchichte „der Auffin-
dung des Freyatempels“ eingelaſſen wurde; während die andre
Hälfte, ebenfalls nach der Sitte der Zeit, als künſtlicher „Ruinen-
thurm“ in eine neue Phaſe des Daſeins trat. Dieſer künſtliche
Ruinenthurm erhielt, trivial aber wohlmeinend, die Inſchrift: „Wie
ſchön iſt Gottes Erde.“

Unſer nächſter Beſuch gilt dem Ziegenberg (oder „Zicken-
berg“ wie er früher hieß), der ſich jedoch an ſeiner einfachen Er-
hebung in’s Hochdeutſche nicht genügen ließ und deshalb jetzt als
„Monte Caprino“ auftritt. Von ſeiner Höhe blickt man ebenfalls
in die Bruchlandſchaft hinein, aber die Stadt im Vordergrunde
fehlt. Dies führt uns darauf hin, die Bergpartieen, wie ſie ſich
um Freienwalde herum gruppiren, auf ihre eigenthümliche Forma-
tion hin ein wenig näher anzuſehen. Ihre Eigenthümlichkeit beſteht
darin, daß ſie, wiewohl frei und offen daliegend, doch zugleich
einen ſehr excluſiven Charakter haben und unter einander
(landſchaftlich) in gar keiner oder ſehr geringer Verbindung ſtehn.
Wir beſchreiben dieſe hufeiſenförmigen, nach vorn hin geöffneten
Thäler vielleicht am beſten, wenn wir ſie, als ebenſo viele Am-
phitheater bezeichnen. Da alle dieſe Amphitheater am Bruche ent-
lang liegen und nach vorn hin geöffnet ſind, ſo iſt der Blick auf

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[259/0271] nach ſorglicher Ausmeſſung eine Länge von 136 Fuß ergaben. Es war juſt die Zeit, wo man hierlandes in die vor-wendiſche Zeit zurückzuſteigen und die alte Mark, als ein ehemaliges ur- germaniſches Land, mit Longobarden und Semnonen zu bevölkern trachtete. Das Bade-Comité — wie alle Bade-Comités — ſtand natürlich auf der Höhe ſeiner Zeit. Die Folge davon war, daß Seitens deſſelben das 136 Fuß lange Fundament ohne Weitres als die Seitenwand eines Freya-Tempels feſtgeſtellt, zugleich aber (zwei Fliegen mit einer Klappe ſchlagend) jeder etymologiſche Zwei- fel über „Freienwalde“ oder „Freyenwalde“ ein für allemal be- ſeitigt wurde. Das Fundament ſelbſt, alsbald an’s Licht geſchafft, erfuhr eine doppelte Verwendung. Die eine Hälfte ward ohne weitres zur Aufführung eines Mauerbruchſtücks verwandt, in das eine Marmor- oder Kalkſteintafel mit der Geſchichte „der Auffin- dung des Freyatempels“ eingelaſſen wurde; während die andre Hälfte, ebenfalls nach der Sitte der Zeit, als künſtlicher „Ruinen- thurm“ in eine neue Phaſe des Daſeins trat. Dieſer künſtliche Ruinenthurm erhielt, trivial aber wohlmeinend, die Inſchrift: „Wie ſchön iſt Gottes Erde.“ Unſer nächſter Beſuch gilt dem Ziegenberg (oder „Zicken- berg“ wie er früher hieß), der ſich jedoch an ſeiner einfachen Er- hebung in’s Hochdeutſche nicht genügen ließ und deshalb jetzt als „Monte Caprino“ auftritt. Von ſeiner Höhe blickt man ebenfalls in die Bruchlandſchaft hinein, aber die Stadt im Vordergrunde fehlt. Dies führt uns darauf hin, die Bergpartieen, wie ſie ſich um Freienwalde herum gruppiren, auf ihre eigenthümliche Forma- tion hin ein wenig näher anzuſehen. Ihre Eigenthümlichkeit beſteht darin, daß ſie, wiewohl frei und offen daliegend, doch zugleich einen ſehr excluſiven Charakter haben und unter einander (landſchaftlich) in gar keiner oder ſehr geringer Verbindung ſtehn. Wir beſchreiben dieſe hufeiſenförmigen, nach vorn hin geöffneten Thäler vielleicht am beſten, wenn wir ſie, als ebenſo viele Am- phitheater bezeichnen. Da alle dieſe Amphitheater am Bruche ent- lang liegen und nach vorn hin geöffnet ſind, ſo iſt der Blick auf 17*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/271>, abgerufen am 25.11.2024.