das Bruch das allen gemeinsame; alles das aber, was sie nach rechts und links hin mit ihren Flanken umspannen, ist ihre Besonderheit, ihre Specialität, und kann nur von den verschiede- nen Plätzen des eignen, nicht aber von den Nachbar-Plätzen des angrenzenden Amphitheaters aus gesehen werden. Freienwalde, wie schon erzählt, schiebt sich in das Amphitheater des Ruinenberges hinein und wird von dem Höhenzuge desselben derart beherrscht und flankirt, daß selbst der zunächst liegende Monte Caprino nir- gends in den umschlossenen Halbkreis des Nachbars hinein zu blicken vermag.
Wenn wir den Ruinenberg die "älteste Firma" nannten, so ist der Monte Caprino die jüngste. Professor Valentini (aus alten Berliner Tagen her manchem unserer Leser bekannt) hat der Stadt, in die er sich zurückzog, vor 10--20 Jahren diesen Berg erobert und die höchste Kuppe desselben in die Liste der Freien- walder Schönheiten eingereiht. Dank ihm dafür. Ob wir ihm auch für das Häuschen zu danken haben, das unter dem Namen "Va- lentini's Ruh" sich an höchster Stelle des Berges erhebt und mit blau und rothen Gläsern ausstaffirt, den Besucher auffordert, die Wiesenlandschaft abwechselungshalber auch in blau und roth auf sich wirken zu lassen, -- wissen wir nicht; aber wir entsinnen uns Valentini's und müssen deshalb hinzusetzen: wir fürchten es. Wir fürchten leider auch, daß die poetische Zinkblech-Inschrift, die (doppelspaltig) die eine Wand des Häuschens fünf Fuß hoch bedeckt, auf dieselbe Urheberschaft zurückgeführt werden muß. Wer hier gestanden und diesen Versen gegenüber nach Verständniß ge- rungen hat, denkt mit Wehmuth an den Ruinenberg und den kurzgefaßten Hölty'schen Nachklang zurück.
Wenige freilich werden, angesichts dieser lächelnden Land- schaft, Lust bezeugen, unsern alten Professor auf die Monte Ca- prino-Höhe seines mißverstandenen Pantheismus zu begleiten, we- nige werden ihn lesen, und sie thuen Recht daran. Aber eine Auf- gabe, deren sich der freie Wandersmann entschlagen kann, wird zur unabweislichen Pflicht für den ex officio Reisenden, der lesen
das Bruch das allen gemeinſame; alles das aber, was ſie nach rechts und links hin mit ihren Flanken umſpannen, iſt ihre Beſonderheit, ihre Specialität, und kann nur von den verſchiede- nen Plätzen des eignen, nicht aber von den Nachbar-Plätzen des angrenzenden Amphitheaters aus geſehen werden. Freienwalde, wie ſchon erzählt, ſchiebt ſich in das Amphitheater des Ruinenberges hinein und wird von dem Höhenzuge deſſelben derart beherrſcht und flankirt, daß ſelbſt der zunächſt liegende Monte Caprino nir- gends in den umſchloſſenen Halbkreis des Nachbars hinein zu blicken vermag.
Wenn wir den Ruinenberg die „älteſte Firma“ nannten, ſo iſt der Monte Caprino die jüngſte. Profeſſor Valentini (aus alten Berliner Tagen her manchem unſerer Leſer bekannt) hat der Stadt, in die er ſich zurückzog, vor 10—20 Jahren dieſen Berg erobert und die höchſte Kuppe deſſelben in die Liſte der Freien- walder Schönheiten eingereiht. Dank ihm dafür. Ob wir ihm auch für das Häuschen zu danken haben, das unter dem Namen „Va- lentini’s Ruh“ ſich an höchſter Stelle des Berges erhebt und mit blau und rothen Gläſern ausſtaffirt, den Beſucher auffordert, die Wieſenlandſchaft abwechſelungshalber auch in blau und roth auf ſich wirken zu laſſen, — wiſſen wir nicht; aber wir entſinnen uns Valentini’s und müſſen deshalb hinzuſetzen: wir fürchten es. Wir fürchten leider auch, daß die poetiſche Zinkblech-Inſchrift, die (doppelſpaltig) die eine Wand des Häuschens fünf Fuß hoch bedeckt, auf dieſelbe Urheberſchaft zurückgeführt werden muß. Wer hier geſtanden und dieſen Verſen gegenüber nach Verſtändniß ge- rungen hat, denkt mit Wehmuth an den Ruinenberg und den kurzgefaßten Hölty’ſchen Nachklang zurück.
Wenige freilich werden, angeſichts dieſer lächelnden Land- ſchaft, Luſt bezeugen, unſern alten Profeſſor auf die Monte Ca- prino-Höhe ſeines mißverſtandenen Pantheismus zu begleiten, we- nige werden ihn leſen, und ſie thuen Recht daran. Aber eine Auf- gabe, deren ſich der freie Wandersmann entſchlagen kann, wird zur unabweislichen Pflicht für den ex officio Reiſenden, der leſen
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das Bruch das allen gemeinſame; alles das aber, was ſie
nach rechts und links hin mit ihren Flanken umſpannen, iſt ihre
Beſonderheit, ihre Specialität, und kann nur von den verſchiede-
nen Plätzen des eignen, nicht aber von den Nachbar-Plätzen des
angrenzenden Amphitheaters aus geſehen werden. Freienwalde, wie
ſchon erzählt, ſchiebt ſich in das Amphitheater des Ruinenberges
hinein und wird von dem Höhenzuge deſſelben derart beherrſcht
und flankirt, daß ſelbſt der zunächſt liegende Monte Caprino nir-
gends in den umſchloſſenen Halbkreis des Nachbars hinein zu
blicken vermag.
Wenn wir den Ruinenberg die „älteſte Firma“ nannten, ſo
iſt der Monte Caprino die jüngſte. Profeſſor Valentini (aus
alten Berliner Tagen her manchem unſerer Leſer bekannt) hat der
Stadt, in die er ſich zurückzog, vor 10—20 Jahren dieſen Berg
erobert und die höchſte Kuppe deſſelben in die Liſte der Freien-
walder Schönheiten eingereiht. Dank ihm dafür. Ob wir ihm auch
für das Häuschen zu danken haben, das unter dem Namen „Va-
lentini’s Ruh“ ſich an höchſter Stelle des Berges erhebt und mit
blau und rothen Gläſern ausſtaffirt, den Beſucher auffordert, die
Wieſenlandſchaft abwechſelungshalber auch in blau und roth auf
ſich wirken zu laſſen, — wiſſen wir nicht; aber wir entſinnen
uns Valentini’s und müſſen deshalb hinzuſetzen: wir fürchten
es. Wir fürchten leider auch, daß die poetiſche Zinkblech-Inſchrift,
die (doppelſpaltig) die eine Wand des Häuschens fünf Fuß hoch
bedeckt, auf dieſelbe Urheberſchaft zurückgeführt werden muß. Wer
hier geſtanden und dieſen Verſen gegenüber nach Verſtändniß ge-
rungen hat, denkt mit Wehmuth an den Ruinenberg und den
kurzgefaßten Hölty’ſchen Nachklang zurück.
Wenige freilich werden, angeſichts dieſer lächelnden Land-
ſchaft, Luſt bezeugen, unſern alten Profeſſor auf die Monte Ca-
prino-Höhe ſeines mißverſtandenen Pantheismus zu begleiten, we-
nige werden ihn leſen, und ſie thuen Recht daran. Aber eine Auf-
gabe, deren ſich der freie Wandersmann entſchlagen kann, wird
zur unabweislichen Pflicht für den ex officio Reiſenden, der leſen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/272>, abgerufen am 22.11.2024.
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