Caspar von Uchtenhagen, wie uns sein eigen Bild am besten belehrt, starb einfach daran, daß seine Seele, von Geburt an, in einem halbverklärten Leibe wohnte; -- er starb und wurde, wie wir gehört haben, in "der Gruft unterm Altar beigesetzt." An der hintern Altarwand aber, schlecht übermalt und minder gut erhal- ten als das erste, bereits beschriebene Bildchen, begegnen wir einem zweiten Bilde Caspars von Uchtenhagen, das ihn uns zeigt, wie der nunmehr 9jährige Knabe, blaß und die Ruhe des Todes auf der Stirn, im offnen, blumenüberstreuten Sarge liegt. Er trägt ein weißes Sterbehemd, in dem glattanliegenden Haar einen blü- henden Rosmarinkranz; um den Hals aber schlingt sich leise ein schwarzes Band, daran, bis zur Brust herniedergehend, eine Denk- schaumünze und ein länglich viereckiges Medaillon hängt. Eine Unterschrift giebt Tag und Stunde seines Todes; die Wappen der Sparrs und der Uchtenhagens schieben sich in die obren Ecken des Bildes ein, daneben aber lesen wir, nicht ohne an den Voll- klang lateinischer Kirchenlieder erinnert zu werden:
Ah tibi Jesu lectulum In me para mollissimum, Meo quiesce pectore Et intime servabo te;
Worte, denen als deutscher Text der 13. Vers von Luthers Liede: "Vom Himmel hoch da komm' ich her" beigefügt ist:
Ach mein herzliebes Jesulein, Mach Dir ein rein sanfft Bettelein, Zu ruhen in meins Herzen Schrein, Daß ich nimmer vergesse Dein.
Noch wenige Worte. Caspar von Uchtenhagen ruhte bereits länger denn zweihundert Jahre in der Gruft seiner Väter; we- nige waren es, die nach dem Bilde hinterm Altar blickten, das blasse Gesicht, der Rosmarinkranz im Haar, rührten kein Herz mehr, und niemand war mehr da, für den die Schaumünze und
Caspar von Uchtenhagen, wie uns ſein eigen Bild am beſten belehrt, ſtarb einfach daran, daß ſeine Seele, von Geburt an, in einem halbverklärten Leibe wohnte; — er ſtarb und wurde, wie wir gehört haben, in „der Gruft unterm Altar beigeſetzt.“ An der hintern Altarwand aber, ſchlecht übermalt und minder gut erhal- ten als das erſte, bereits beſchriebene Bildchen, begegnen wir einem zweiten Bilde Caspars von Uchtenhagen, das ihn uns zeigt, wie der nunmehr 9jährige Knabe, blaß und die Ruhe des Todes auf der Stirn, im offnen, blumenüberſtreuten Sarge liegt. Er trägt ein weißes Sterbehemd, in dem glattanliegenden Haar einen blü- henden Rosmarinkranz; um den Hals aber ſchlingt ſich leiſe ein ſchwarzes Band, daran, bis zur Bruſt herniedergehend, eine Denk- ſchaumünze und ein länglich viereckiges Medaillon hängt. Eine Unterſchrift giebt Tag und Stunde ſeines Todes; die Wappen der Sparrs und der Uchtenhagens ſchieben ſich in die obren Ecken des Bildes ein, daneben aber leſen wir, nicht ohne an den Voll- klang lateiniſcher Kirchenlieder erinnert zu werden:
Ah tibi Jesu lectulum In me para mollissimum, Meo quiesce pectore Et intime servabo te;
Worte, denen als deutſcher Text der 13. Vers von Luthers Liede: „Vom Himmel hoch da komm’ ich her“ beigefügt iſt:
Ach mein herzliebes Jeſulein, Mach Dir ein rein ſanfft Bettelein, Zu ruhen in meins Herzen Schrein, Daß ich nimmer vergeſſe Dein.
Noch wenige Worte. Caspar von Uchtenhagen ruhte bereits länger denn zweihundert Jahre in der Gruft ſeiner Väter; we- nige waren es, die nach dem Bilde hinterm Altar blickten, das blaſſe Geſicht, der Rosmarinkranz im Haar, rührten kein Herz mehr, und niemand war mehr da, für den die Schaumünze und
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Caspar von Uchtenhagen, wie uns ſein eigen Bild am beſten
belehrt, ſtarb einfach daran, daß ſeine Seele, von Geburt an, in
einem halbverklärten Leibe wohnte; — er ſtarb und wurde, wie
wir gehört haben, in „der Gruft unterm Altar beigeſetzt.“ An der
hintern Altarwand aber, ſchlecht übermalt und minder gut erhal-
ten als das erſte, bereits beſchriebene Bildchen, begegnen wir einem
zweiten Bilde Caspars von Uchtenhagen, das ihn uns zeigt, wie
der nunmehr 9jährige Knabe, blaß und die Ruhe des Todes auf
der Stirn, im offnen, blumenüberſtreuten Sarge liegt. Er trägt
ein weißes Sterbehemd, in dem glattanliegenden Haar einen blü-
henden Rosmarinkranz; um den Hals aber ſchlingt ſich leiſe ein
ſchwarzes Band, daran, bis zur Bruſt herniedergehend, eine Denk-
ſchaumünze und ein länglich viereckiges Medaillon hängt. Eine
Unterſchrift giebt Tag und Stunde ſeines Todes; die Wappen
der Sparrs und der Uchtenhagens ſchieben ſich in die obren Ecken
des Bildes ein, daneben aber leſen wir, nicht ohne an den Voll-
klang lateiniſcher Kirchenlieder erinnert zu werden:
Ah tibi Jesu lectulum
In me para mollissimum,
Meo quiesce pectore
Et intime servabo te;
Worte, denen als deutſcher Text der 13. Vers von Luthers Liede:
„Vom Himmel hoch da komm’ ich her“ beigefügt iſt:
Ach mein herzliebes Jeſulein,
Mach Dir ein rein ſanfft Bettelein,
Zu ruhen in meins Herzen Schrein,
Daß ich nimmer vergeſſe Dein.
Noch wenige Worte. Caspar von Uchtenhagen ruhte bereits
länger denn zweihundert Jahre in der Gruft ſeiner Väter; we-
nige waren es, die nach dem Bilde hinterm Altar blickten, das
blaſſe Geſicht, der Rosmarinkranz im Haar, rührten kein Herz
mehr, und niemand war mehr da, für den die Schaumünze und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/334>, abgerufen am 22.11.2024.
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