sen sei, die Sparr während seines Türkenzuges den Ungläubigen abgenommen habe, ja, eine andre Version geht noch einen Schritt weiter und verbürgt sich, daß Sparr die Glocke selbst erobert und später dafür gesorgt habe, daß sie durch Tramper Bauern aus dem fernen Ungarlande herbeigeholt worden. Auch die erstre, eini- germaßen glaubhaftere Hälfte dieser Tradition (das Glockengießen aus türkischen Geschützen) hält allerdings keine Kritik aus, da die Glocke, wie sie selber besagt, 1660 gegossen wurde und "Vater Sparr" erst 1664 seinen großen Türkenzug (Schlacht bei St. Gott- hardt) machte.
Nun endlich Lichterfelde selbst. Die Berührung mit den Sparrs ist hier die intimste, das alte Geschlecht tritt einem in einer Reihenfolge von Dingen am faßbarsten entgegen, in Kirche und Schloß, in Grabsteinen und Kirchenbuch.
Sprechen wir zunächst von Kirchenbuch und Kirche. Das Kirchenbuch beginnt mit 1599, aber eine regelmäßige und exakte Führung desselben schließt schon wieder mit 1604. Ein Todesfall, drei Geburten und Taufen, unter Angabe der Taufzeugen, sind eingetragen. Unser Otto Christoph, der, nach seinem Bildniß in der Berliner Marienkirche, im Jahre 1605 in Lichterfelde geboren wurde, befindet sich nicht unter den im Lichterfelder Kirchenbuche verzeichneten Geburten. Dennoch werfen die Angaben dieses Kir- chenbuchs vielleicht ein Licht auf manches Dunkle und gestatten weitere Schlußfolgerungen, weshalb ich diese Angaben in den An- merkungen (siehe daselbst) wörtlich wiedergegeben habe. In der Kirche sind außerdem drei Kinder-Grabsteine aus der Sparren-Zeit. Diese sind sehr abgetreten, einer so völlig, daß von Entzifferung der Inschrift keine Rede mehr sein konnte. Bei den beiden andern entzifferte ich folgendes. Auf dem größeren: "Anno 1606 (oder 1600, wahrscheinlich letzteres) ist geb. Anna Sparr und ... 16 ... in Gott selig entschlafen; der Seele Gott genade." -- Auf dem kleineren: "Anno 1604 d. 2. Januar ist geboren Eli- sabeth Sparrn ... entschlafen d. 3. Januar um 12 Uhr in der Nacht."
ſen ſei, die Sparr während ſeines Türkenzuges den Ungläubigen abgenommen habe, ja, eine andre Verſion geht noch einen Schritt weiter und verbürgt ſich, daß Sparr die Glocke ſelbſt erobert und ſpäter dafür geſorgt habe, daß ſie durch Tramper Bauern aus dem fernen Ungarlande herbeigeholt worden. Auch die erſtre, eini- germaßen glaubhaftere Hälfte dieſer Tradition (das Glockengießen aus türkiſchen Geſchützen) hält allerdings keine Kritik aus, da die Glocke, wie ſie ſelber beſagt, 1660 gegoſſen wurde und „Vater Sparr“ erſt 1664 ſeinen großen Türkenzug (Schlacht bei St. Gott- hardt) machte.
Nun endlich Lichterfelde ſelbſt. Die Berührung mit den Sparrs iſt hier die intimſte, das alte Geſchlecht tritt einem in einer Reihenfolge von Dingen am faßbarſten entgegen, in Kirche und Schloß, in Grabſteinen und Kirchenbuch.
Sprechen wir zunächſt von Kirchenbuch und Kirche. Das Kirchenbuch beginnt mit 1599, aber eine regelmäßige und exakte Führung deſſelben ſchließt ſchon wieder mit 1604. Ein Todesfall, drei Geburten und Taufen, unter Angabe der Taufzeugen, ſind eingetragen. Unſer Otto Chriſtoph, der, nach ſeinem Bildniß in der Berliner Marienkirche, im Jahre 1605 in Lichterfelde geboren wurde, befindet ſich nicht unter den im Lichterfelder Kirchenbuche verzeichneten Geburten. Dennoch werfen die Angaben dieſes Kir- chenbuchs vielleicht ein Licht auf manches Dunkle und geſtatten weitere Schlußfolgerungen, weshalb ich dieſe Angaben in den An- merkungen (ſiehe daſelbſt) wörtlich wiedergegeben habe. In der Kirche ſind außerdem drei Kinder-Grabſteine aus der Sparren-Zeit. Dieſe ſind ſehr abgetreten, einer ſo völlig, daß von Entzifferung der Inſchrift keine Rede mehr ſein konnte. Bei den beiden andern entzifferte ich folgendes. Auf dem größeren: „Anno 1606 (oder 1600, wahrſcheinlich letzteres) iſt geb. Anna Sparr und … 16 … in Gott ſelig entſchlafen; der Seele Gott genade.“ — Auf dem kleineren: „Anno 1604 d. 2. Januar iſt geboren Eli- ſabeth Sparrn … entſchlafen d. 3. Januar um 12 Uhr in der Nacht.“
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ſen ſei, die Sparr während ſeines Türkenzuges den Ungläubigen
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ſpäter dafür geſorgt habe, daß ſie durch Tramper Bauern aus
dem fernen Ungarlande herbeigeholt worden. Auch die erſtre, eini-
germaßen glaubhaftere Hälfte dieſer Tradition (das Glockengießen
aus türkiſchen Geſchützen) hält allerdings keine Kritik aus, da die
Glocke, wie ſie ſelber beſagt, 1660 gegoſſen wurde und „Vater
Sparr“ erſt 1664 ſeinen großen Türkenzug (Schlacht bei St. Gott-
hardt) machte.
Nun endlich Lichterfelde ſelbſt. Die Berührung mit den
Sparrs iſt hier die intimſte, das alte Geſchlecht tritt einem in einer
Reihenfolge von Dingen am faßbarſten entgegen, in Kirche und
Schloß, in Grabſteinen und Kirchenbuch.
Sprechen wir zunächſt von Kirchenbuch und Kirche. Das
Kirchenbuch beginnt mit 1599, aber eine regelmäßige und exakte
Führung deſſelben ſchließt ſchon wieder mit 1604. Ein Todesfall,
drei Geburten und Taufen, unter Angabe der Taufzeugen, ſind
eingetragen. Unſer Otto Chriſtoph, der, nach ſeinem Bildniß in
der Berliner Marienkirche, im Jahre 1605 in Lichterfelde geboren
wurde, befindet ſich nicht unter den im Lichterfelder Kirchenbuche
verzeichneten Geburten. Dennoch werfen die Angaben dieſes Kir-
chenbuchs vielleicht ein Licht auf manches Dunkle und geſtatten
weitere Schlußfolgerungen, weshalb ich dieſe Angaben in den An-
merkungen (ſiehe daſelbſt) wörtlich wiedergegeben habe. In der
Kirche ſind außerdem drei Kinder-Grabſteine aus der Sparren-Zeit.
Dieſe ſind ſehr abgetreten, einer ſo völlig, daß von Entzifferung
der Inſchrift keine Rede mehr ſein konnte. Bei den beiden andern
entzifferte ich folgendes. Auf dem größeren: „Anno 1606 (oder
1600, wahrſcheinlich letzteres) iſt geb. Anna Sparr und …
16 … in Gott ſelig entſchlafen; der Seele Gott genade.“ —
Auf dem kleineren: „Anno 1604 d. 2. Januar iſt geboren Eli-
ſabeth Sparrn … entſchlafen d. 3. Januar um 12 Uhr in der
Nacht.“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/342>, abgerufen am 22.11.2024.
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