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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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rend des polnischen Feldzugs höchstens 51 Jahr alt, -- kein
Alter, um jemanden einen "alten Vater" zu nennen. 1657 wurde
er bereits Feldmarschall; er hätte also diese hohe Würde mit 52
Jahren erreicht. Auch nicht sehr wahrscheinlich. Endlich drittens
war er schon 1638, unter George Wilhelm, mit Bildung einer
"brandenburgischen Armee" betraut worden, die er auch wirklich
bei Neustadt-Eberswalde zusammenzog. Es wäre ihm also ein sol-
cher Auftrag mit 33 Jahren geworden, was, wenn es zuträfe,
wiederum einigermaßen überraschen müßte.

Gleichviel indeß, in welchem Jahr und an welchem Ort unser
Otto Christoph geboren wurde; wenn er nicht mit Bestimmtheit
diesem oder jenem Dorfe angehört, so gehört er doch dem alten
"Sparrenlande" überhaupt an. In jedem der Dörfer, die diesem
Landestheile zugehören, ist er gekannt, in dem einen als Zauberer,
in dem andren als Türkenbesieger, überall als der "Glocken-Mann",
der sich vorgesetzt hatte, am ganzen Lauf des Finowflusses hin
seine Glocken klingen zu hören.

Es ist ein poetisches Stück Land, dies alte Sparren-Land.
Wer an der Biesenthaler Wassermühle oder weiter aufwärts am
Neustädter Eisenhammer den Finowfluß passirt, wer an einem
Herbstabend in die stille Dorfgasse von Prenden einfährt, oder bei
aufsteigendem Nebel an dem Tramper-Park und seinen Burgtrüm-
mern vorüberkommt, der fühlt, daß ihn sein Weg in Gegenden
geführt hat, wo es nicht Wunder nehmen darf, daß alte Volks-
sagen noch lebendig sind und weiter wachsen und schaffen. Ein
Knecht lebt da auf einem der alten Sparrendörfer, der sieht alles
voraus was passirt und prophezeiht von einem großen Kriege, der
in den 80er Jahren kommen wird. "Dann werden die Menschen
so rar werden wie die Störche im Jahre 1857, wo ein großer
Sturm sie verschlagen hatte und so viele umgekommen waren, daß
man alle 5 Meilen nur einen noch sah. So wird Gott die Men-
schen schlagen, wie er damals seinen Gottesvogel geschlagen. Dann
werden die Menschen sich freuen, wenn einer den andern sieht."




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rend des polniſchen Feldzugs höchſtens 51 Jahr alt, — kein
Alter, um jemanden einen „alten Vater“ zu nennen. 1657 wurde
er bereits Feldmarſchall; er hätte alſo dieſe hohe Würde mit 52
Jahren erreicht. Auch nicht ſehr wahrſcheinlich. Endlich drittens
war er ſchon 1638, unter George Wilhelm, mit Bildung einer
„brandenburgiſchen Armee“ betraut worden, die er auch wirklich
bei Neuſtadt-Eberswalde zuſammenzog. Es wäre ihm alſo ein ſol-
cher Auftrag mit 33 Jahren geworden, was, wenn es zuträfe,
wiederum einigermaßen überraſchen müßte.

Gleichviel indeß, in welchem Jahr und an welchem Ort unſer
Otto Chriſtoph geboren wurde; wenn er nicht mit Beſtimmtheit
dieſem oder jenem Dorfe angehört, ſo gehört er doch dem alten
„Sparrenlande“ überhaupt an. In jedem der Dörfer, die dieſem
Landestheile zugehören, iſt er gekannt, in dem einen als Zauberer,
in dem andren als Türkenbeſieger, überall als der „Glocken-Mann“,
der ſich vorgeſetzt hatte, am ganzen Lauf des Finowfluſſes hin
ſeine Glocken klingen zu hören.

Es iſt ein poetiſches Stück Land, dies alte Sparren-Land.
Wer an der Bieſenthaler Waſſermühle oder weiter aufwärts am
Neuſtädter Eiſenhammer den Finowfluß paſſirt, wer an einem
Herbſtabend in die ſtille Dorfgaſſe von Prenden einfährt, oder bei
aufſteigendem Nebel an dem Tramper-Park und ſeinen Burgtrüm-
mern vorüberkommt, der fühlt, daß ihn ſein Weg in Gegenden
geführt hat, wo es nicht Wunder nehmen darf, daß alte Volks-
ſagen noch lebendig ſind und weiter wachſen und ſchaffen. Ein
Knecht lebt da auf einem der alten Sparrendörfer, der ſieht alles
voraus was paſſirt und prophezeiht von einem großen Kriege, der
in den 80er Jahren kommen wird. „Dann werden die Menſchen
ſo rar werden wie die Störche im Jahre 1857, wo ein großer
Sturm ſie verſchlagen hatte und ſo viele umgekommen waren, daß
man alle 5 Meilen nur einen noch ſah. So wird Gott die Men-
ſchen ſchlagen, wie er damals ſeinen Gottesvogel geſchlagen. Dann
werden die Menſchen ſich freuen, wenn einer den andern ſieht.“




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[337/0349] rend des polniſchen Feldzugs höchſtens 51 Jahr alt, — kein Alter, um jemanden einen „alten Vater“ zu nennen. 1657 wurde er bereits Feldmarſchall; er hätte alſo dieſe hohe Würde mit 52 Jahren erreicht. Auch nicht ſehr wahrſcheinlich. Endlich drittens war er ſchon 1638, unter George Wilhelm, mit Bildung einer „brandenburgiſchen Armee“ betraut worden, die er auch wirklich bei Neuſtadt-Eberswalde zuſammenzog. Es wäre ihm alſo ein ſol- cher Auftrag mit 33 Jahren geworden, was, wenn es zuträfe, wiederum einigermaßen überraſchen müßte. Gleichviel indeß, in welchem Jahr und an welchem Ort unſer Otto Chriſtoph geboren wurde; wenn er nicht mit Beſtimmtheit dieſem oder jenem Dorfe angehört, ſo gehört er doch dem alten „Sparrenlande“ überhaupt an. In jedem der Dörfer, die dieſem Landestheile zugehören, iſt er gekannt, in dem einen als Zauberer, in dem andren als Türkenbeſieger, überall als der „Glocken-Mann“, der ſich vorgeſetzt hatte, am ganzen Lauf des Finowfluſſes hin ſeine Glocken klingen zu hören. Es iſt ein poetiſches Stück Land, dies alte Sparren-Land. Wer an der Bieſenthaler Waſſermühle oder weiter aufwärts am Neuſtädter Eiſenhammer den Finowfluß paſſirt, wer an einem Herbſtabend in die ſtille Dorfgaſſe von Prenden einfährt, oder bei aufſteigendem Nebel an dem Tramper-Park und ſeinen Burgtrüm- mern vorüberkommt, der fühlt, daß ihn ſein Weg in Gegenden geführt hat, wo es nicht Wunder nehmen darf, daß alte Volks- ſagen noch lebendig ſind und weiter wachſen und ſchaffen. Ein Knecht lebt da auf einem der alten Sparrendörfer, der ſieht alles voraus was paſſirt und prophezeiht von einem großen Kriege, der in den 80er Jahren kommen wird. „Dann werden die Menſchen ſo rar werden wie die Störche im Jahre 1857, wo ein großer Sturm ſie verſchlagen hatte und ſo viele umgekommen waren, daß man alle 5 Meilen nur einen noch ſah. So wird Gott die Men- ſchen ſchlagen, wie er damals ſeinen Gottesvogel geſchlagen. Dann werden die Menſchen ſich freuen, wenn einer den andern ſieht.“ 22

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/349>, abgerufen am 22.11.2024.