jener "Erdfälle" anzunehmen hätten, über deren Art und Vor- kommen ich in dem Buckow-Kapitel (siehe S. 184) ausführlicher gesprochen habe. Das Terrain indeß ist hier ein wesentlich andres und macht einen Erdfall um Vieles weniger glaubhaft. Uebrigens geräth die Sage mit sich selber in Widerspruch, wenn sie fortfährt: "daß die Einwohner der Stadt lange vorher einen Unfall befürchtet hät- ten, weil der See mehr und mehr die Ufer weggespült und gleich- sam die Stadt unterminirt habe." Dies wäre jedenfalls kein "Erd- fall." Aller Wahrscheinlichkeit nach hat eine Stadt Werbellin (auch Werblo geheißen) nie existirt. Wenn Fischbach von zwei alten, da- mals im Rathhause zu Neustadt-Eberswalde befindlichen Urkunden spricht, die als Datum den St. Gregors-Tag 1306 und den 19. Februar 1319, als Ausstellungsort aber den Namen Wer- bellin tragen, so ist jetzt erwiesen, daß sich diese Unterschrift auf Schloß Werbellin und nicht auf die sagenhafte Stadt gleiches Namens bezieht.
[Dorf Werbellin], etwa eine halbe Meile südlich vom See gelegen, ist eine Neu-Schöpfung, eine Pfälzer-Colonie, die 1748, also in den Jahren der großen Pfälzer-Einwanderung in die Mark, angelegt wurde. Es ist von diesem Dörfchen nichts zu sagen; es trägt seinen poetischen Namen ziemlich unverdient.
[Schloß Werbellin.] Unmittelbar am Werbellin-See er- hoben sich zwei Schlösser; eins davon war das eigentliche Schloß Werbellin, das andre hieß Schloß Breden.
Schloß Breden war das kleinere, unbedeutendere von bei- den, und selbst über die Stelle wird gestritten, wo es stand. Doch ist es sehr wahrscheinlich, daß es sich an der Mittelbiegung des See's erhob und zwar dort, wo jetzt malerisch zwischen See und Wald das Dörfchen Altenhof gelegen ist. Unter dem Forst- hause daselbst befinden sich noch alte, gewölbte Keller, die man vor etwa 100 Jahren entdeckte, als der Grund zur Aufführung einer neuen Försterei gelegt werden sollte. Man fand aber nicht blos diese alten Gewölbe, sondern auch kupferne und eiserne Geräth- schaften, die bis diesen Tag in der Försterfamilie (seit über hun-
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jener „Erdfälle“ anzunehmen hätten, über deren Art und Vor- kommen ich in dem Buckow-Kapitel (ſiehe S. 184) ausführlicher geſprochen habe. Das Terrain indeß iſt hier ein weſentlich andres und macht einen Erdfall um Vieles weniger glaubhaft. Uebrigens geräth die Sage mit ſich ſelber in Widerſpruch, wenn ſie fortfährt: „daß die Einwohner der Stadt lange vorher einen Unfall befürchtet hät- ten, weil der See mehr und mehr die Ufer weggeſpült und gleich- ſam die Stadt unterminirt habe.“ Dies wäre jedenfalls kein „Erd- fall.“ Aller Wahrſcheinlichkeit nach hat eine Stadt Werbellin (auch Werblo geheißen) nie exiſtirt. Wenn Fiſchbach von zwei alten, da- mals im Rathhauſe zu Neuſtadt-Eberswalde befindlichen Urkunden ſpricht, die als Datum den St. Gregors-Tag 1306 und den 19. Februar 1319, als Ausſtellungsort aber den Namen Wer- bellin tragen, ſo iſt jetzt erwieſen, daß ſich dieſe Unterſchrift auf Schloß Werbellin und nicht auf die ſagenhafte Stadt gleiches Namens bezieht.
[Dorf Werbellin], etwa eine halbe Meile ſüdlich vom See gelegen, iſt eine Neu-Schöpfung, eine Pfälzer-Colonie, die 1748, alſo in den Jahren der großen Pfälzer-Einwanderung in die Mark, angelegt wurde. Es iſt von dieſem Dörfchen nichts zu ſagen; es trägt ſeinen poetiſchen Namen ziemlich unverdient.
[Schloß Werbellin.] Unmittelbar am Werbellin-See er- hoben ſich zwei Schlöſſer; eins davon war das eigentliche Schloß Werbellin, das andre hieß Schloß Breden.
Schloß Breden war das kleinere, unbedeutendere von bei- den, und ſelbſt über die Stelle wird geſtritten, wo es ſtand. Doch iſt es ſehr wahrſcheinlich, daß es ſich an der Mittelbiegung des See’s erhob und zwar dort, wo jetzt maleriſch zwiſchen See und Wald das Dörfchen Altenhof gelegen iſt. Unter dem Forſt- hauſe daſelbſt befinden ſich noch alte, gewölbte Keller, die man vor etwa 100 Jahren entdeckte, als der Grund zur Aufführung einer neuen Förſterei gelegt werden ſollte. Man fand aber nicht blos dieſe alten Gewölbe, ſondern auch kupferne und eiſerne Geräth- ſchaften, die bis dieſen Tag in der Förſterfamilie (ſeit über hun-
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jener „Erdfälle“ anzunehmen hätten, über deren Art und Vor-
kommen ich in dem Buckow-Kapitel (ſiehe S. 184) ausführlicher
geſprochen habe. Das Terrain indeß iſt hier ein weſentlich andres
und macht einen Erdfall um Vieles weniger glaubhaft. Uebrigens geräth
die Sage mit ſich ſelber in Widerſpruch, wenn ſie fortfährt: „daß
die Einwohner der Stadt lange vorher einen Unfall befürchtet hät-
ten, weil der See mehr und mehr die Ufer weggeſpült und gleich-
ſam die Stadt unterminirt habe.“ Dies wäre jedenfalls kein „Erd-
fall.“ Aller Wahrſcheinlichkeit nach hat eine Stadt Werbellin (auch
Werblo geheißen) nie exiſtirt. Wenn Fiſchbach von zwei alten, da-
mals im Rathhauſe zu Neuſtadt-Eberswalde befindlichen Urkunden
ſpricht, die als Datum den St. Gregors-Tag 1306 und den
19. Februar 1319, als Ausſtellungsort aber den Namen Wer-
bellin tragen, ſo iſt jetzt erwieſen, daß ſich dieſe Unterſchrift auf
Schloß Werbellin und nicht auf die ſagenhafte Stadt gleiches
Namens bezieht.
[Dorf Werbellin], etwa eine halbe Meile ſüdlich vom
See gelegen, iſt eine Neu-Schöpfung, eine Pfälzer-Colonie, die
1748, alſo in den Jahren der großen Pfälzer-Einwanderung in
die Mark, angelegt wurde. Es iſt von dieſem Dörfchen nichts zu
ſagen; es trägt ſeinen poetiſchen Namen ziemlich unverdient.
[Schloß Werbellin.] Unmittelbar am Werbellin-See er-
hoben ſich zwei Schlöſſer; eins davon war das eigentliche Schloß
Werbellin, das andre hieß Schloß Breden.
Schloß Breden war das kleinere, unbedeutendere von bei-
den, und ſelbſt über die Stelle wird geſtritten, wo es ſtand.
Doch iſt es ſehr wahrſcheinlich, daß es ſich an der Mittelbiegung
des See’s erhob und zwar dort, wo jetzt maleriſch zwiſchen See
und Wald das Dörfchen Altenhof gelegen iſt. Unter dem Forſt-
hauſe daſelbſt befinden ſich noch alte, gewölbte Keller, die man vor
etwa 100 Jahren entdeckte, als der Grund zur Aufführung einer
neuen Förſterei gelegt werden ſollte. Man fand aber nicht blos
dieſe alten Gewölbe, ſondern auch kupferne und eiſerne Geräth-
ſchaften, die bis dieſen Tag in der Förſterfamilie (ſeit über hun-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/351>, abgerufen am 22.11.2024.
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