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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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des bildeten, in einem flachen, weit gedehnten Teich sich spiegeln,
und die Thürme und weißgrauen Wände des Schlosses durch das
ziemlich dichte Laubwerk hindurch schimmern sehen, wird es uns
leichter um's Herz, und der flachen Alltäglichkeit plötzlich überhoben,
athmen wir auf wie eingetreten in eine neue, poetische Welt. Unser
Wagen beschreibt eine Curve um den Südrand des Teiches herum
und führt uns dann durch eine von zwei Obelisken gebildete Ein-
fahrt, den Kiesweg des Parks hinauf, bis vor die gastlich geöffnete
Thür des Schlosses.

Das Friedersdorfer Herrenhaus ist so recht ein Bau, wie ihn
die Phantasie sich auszumalen liebt, wenn es gilt, das Schloß
einer alten Familie vor Augen zu haben. Die Frage nach dem
Maaß der Schönheit wird gar nicht laut; alles ist eigenthümlich,
charaktervoll, pittoresk, und dieß genügt. Auch dieses Friedersdorfer
Schloß nimmt unser Urtheil sofort gefangen. Das hohe Dach, wo
es auf der Schrägung der beiden Seitengiebel aufliegt, ist staffel-
förmig mit allerhand Thürmchen besetzt, während aus der Mitte
des Dachs ein mächtiger Vordergiebel vorspringt, der wiederum
seinerseits mit einer Reihe von kleinen Thürmen geschmückt ist.
Die hohen, verhältnißmäßig schmalen Fenster steigern den Eindruck
des Eigenthümlichen und die breiten Pfeiler zwischen denselben
leihen ein Ansehen voll Festigkeit und Solidität. Rosenbäume um-
ranken die Glasthür, die aus der Halle in Park und Garten führt,
vor der Front des Hauses aber, inmitten eines Grasplatzes, den
Kieswege umzirken und mächtige alte Kastanien überschatten, stehen
ein paar gußeiserne Böller (Eroberungen aus alter Zeit) und mah-
nen an den kriegerischen Geist, der hier durch viele Generationen
hindurch lebendig war.

Wir betreten das Haus und verwundern uns über die Fülle
von Raum, die uns darin entgegen tritt. Das macht, es ist noch
ein Bau aus jener vornehmen Zeit, wo man die vorhandene Ge-
sammträumlichkeit in wenige imposante Gemächer theilte, statt wie
jetzt die allergrößte Raumfülle durch zahllose Stuben und Stüb-
chen hotelartig zu verzetteln. Die Baumeister waren damals noch

des bildeten, in einem flachen, weit gedehnten Teich ſich ſpiegeln,
und die Thürme und weißgrauen Wände des Schloſſes durch das
ziemlich dichte Laubwerk hindurch ſchimmern ſehen, wird es uns
leichter um’s Herz, und der flachen Alltäglichkeit plötzlich überhoben,
athmen wir auf wie eingetreten in eine neue, poetiſche Welt. Unſer
Wagen beſchreibt eine Curve um den Südrand des Teiches herum
und führt uns dann durch eine von zwei Obelisken gebildete Ein-
fahrt, den Kiesweg des Parks hinauf, bis vor die gaſtlich geöffnete
Thür des Schloſſes.

Das Friedersdorfer Herrenhaus iſt ſo recht ein Bau, wie ihn
die Phantaſie ſich auszumalen liebt, wenn es gilt, das Schloß
einer alten Familie vor Augen zu haben. Die Frage nach dem
Maaß der Schönheit wird gar nicht laut; alles iſt eigenthümlich,
charaktervoll, pittoresk, und dieß genügt. Auch dieſes Friedersdorfer
Schloß nimmt unſer Urtheil ſofort gefangen. Das hohe Dach, wo
es auf der Schrägung der beiden Seitengiebel aufliegt, iſt ſtaffel-
förmig mit allerhand Thürmchen beſetzt, während aus der Mitte
des Dachs ein mächtiger Vordergiebel vorſpringt, der wiederum
ſeinerſeits mit einer Reihe von kleinen Thürmen geſchmückt iſt.
Die hohen, verhältnißmäßig ſchmalen Fenſter ſteigern den Eindruck
des Eigenthümlichen und die breiten Pfeiler zwiſchen denſelben
leihen ein Anſehen voll Feſtigkeit und Solidität. Roſenbäume um-
ranken die Glasthür, die aus der Halle in Park und Garten führt,
vor der Front des Hauſes aber, inmitten eines Grasplatzes, den
Kieswege umzirken und mächtige alte Kaſtanien überſchatten, ſtehen
ein paar gußeiſerne Böller (Eroberungen aus alter Zeit) und mah-
nen an den kriegeriſchen Geiſt, der hier durch viele Generationen
hindurch lebendig war.

Wir betreten das Haus und verwundern uns über die Fülle
von Raum, die uns darin entgegen tritt. Das macht, es iſt noch
ein Bau aus jener vornehmen Zeit, wo man die vorhandene Ge-
ſammträumlichkeit in wenige impoſante Gemächer theilte, ſtatt wie
jetzt die allergrößte Raumfülle durch zahlloſe Stuben und Stüb-
chen hotelartig zu verzetteln. Die Baumeiſter waren damals noch

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[348/0360] des bildeten, in einem flachen, weit gedehnten Teich ſich ſpiegeln, und die Thürme und weißgrauen Wände des Schloſſes durch das ziemlich dichte Laubwerk hindurch ſchimmern ſehen, wird es uns leichter um’s Herz, und der flachen Alltäglichkeit plötzlich überhoben, athmen wir auf wie eingetreten in eine neue, poetiſche Welt. Unſer Wagen beſchreibt eine Curve um den Südrand des Teiches herum und führt uns dann durch eine von zwei Obelisken gebildete Ein- fahrt, den Kiesweg des Parks hinauf, bis vor die gaſtlich geöffnete Thür des Schloſſes. Das Friedersdorfer Herrenhaus iſt ſo recht ein Bau, wie ihn die Phantaſie ſich auszumalen liebt, wenn es gilt, das Schloß einer alten Familie vor Augen zu haben. Die Frage nach dem Maaß der Schönheit wird gar nicht laut; alles iſt eigenthümlich, charaktervoll, pittoresk, und dieß genügt. Auch dieſes Friedersdorfer Schloß nimmt unſer Urtheil ſofort gefangen. Das hohe Dach, wo es auf der Schrägung der beiden Seitengiebel aufliegt, iſt ſtaffel- förmig mit allerhand Thürmchen beſetzt, während aus der Mitte des Dachs ein mächtiger Vordergiebel vorſpringt, der wiederum ſeinerſeits mit einer Reihe von kleinen Thürmen geſchmückt iſt. Die hohen, verhältnißmäßig ſchmalen Fenſter ſteigern den Eindruck des Eigenthümlichen und die breiten Pfeiler zwiſchen denſelben leihen ein Anſehen voll Feſtigkeit und Solidität. Roſenbäume um- ranken die Glasthür, die aus der Halle in Park und Garten führt, vor der Front des Hauſes aber, inmitten eines Grasplatzes, den Kieswege umzirken und mächtige alte Kaſtanien überſchatten, ſtehen ein paar gußeiſerne Böller (Eroberungen aus alter Zeit) und mah- nen an den kriegeriſchen Geiſt, der hier durch viele Generationen hindurch lebendig war. Wir betreten das Haus und verwundern uns über die Fülle von Raum, die uns darin entgegen tritt. Das macht, es iſt noch ein Bau aus jener vornehmen Zeit, wo man die vorhandene Ge- ſammträumlichkeit in wenige impoſante Gemächer theilte, ſtatt wie jetzt die allergrößte Raumfülle durch zahlloſe Stuben und Stüb- chen hotelartig zu verzetteln. Die Baumeiſter waren damals noch

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/360>, abgerufen am 21.11.2024.