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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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nicht bei Hauswirthen in die Schule gegangen und hatten noch
nicht gelernt, der trivialsten Oekonomie die Schönheit und Statt-
lichkeit der Verhältnisse zu opfern. Es war noch die Epoche der
Treppen und Corridore, wie sie die, ohne Noth und ohne Ver-
ständniß, jetzt vielgeschmähte Zeit der Renaissance überall einführte.

Die Halle des Hauses nimmt uns auf. Hohe Fenster blicken auf
den Park hinaus, die andern Wände sind mit zahlreichen Bildern,
mit Familienporträts jedes Alters und jeder Größe bedeckt. Das
stattlichste und in die Augen fallendste ist ein Bildniß über dem
Kamin. Es ist das überlebensgroße Porträt des alten General-
lieutenants von Goertzke, des sogenannten "Paladins des großen
Kurfürsten", der im Jahr 1652 Friedersdorf erstand, dieses
Schloß renovirte und hier in hohem Alter verstarb. Wie derselbe
ein halbes Leben lang neben Derfflinger gestanden und den Ruhm
des Alten getheilt hatte, so fanden sich die beiden brandenburgischen
Helden auch schließlich auf nachbarlicher Scholle hier zusammen:
Gusow gehörte dem einen, Friedersdorf dem andern. Eines
Goertzke's Tochter heirathete einen Marwitz und bei den Marwitz
ist das Gut seitdem verblieben.

Dieses Bildniß des alten "Paladin" nimmt unser Interesse
aus mehr als Einem Grunde in Anspruch. Ganz geharnischt, den
Commandostab in der Rechten, die leichte Feldbinde um den Hals,
so steht er da. Der Helm ruht neben ihm auf einem Felsenvor-
sprung und sein langes Haar fällt dunkel und beinahe lockig
herab. Finsterer Ernst und kalte Bestimmtheit sprechen aus seinen
Zügen. Es knüpft sich eine hübsche Anekdote an dieses Bild,
charakteristisch für den Mann und die Zeit, zumal auch für die
Stellung, die die schönen Künste damals in brandenburgischen
Landen einnahmen. Goertzke war bei Lützen schwer verwundet
worden und hinkte seitdem; sein linker Fuß war zu kurz geheilt
worden und eine dicke, handhohe Holzsohle mußte wieder gut
machen, was das Unglück oder das Ungeschick des Arztes verschul-
det hatte. Es scheint, daß er sich an diesen Holzfuß nicht gern
erinnern ließ oder Vorstellungen von der Pflicht des Idealisirens

nicht bei Hauswirthen in die Schule gegangen und hatten noch
nicht gelernt, der trivialſten Oekonomie die Schönheit und Statt-
lichkeit der Verhältniſſe zu opfern. Es war noch die Epoche der
Treppen und Corridore, wie ſie die, ohne Noth und ohne Ver-
ſtändniß, jetzt vielgeſchmähte Zeit der Renaiſſance überall einführte.

Die Halle des Hauſes nimmt uns auf. Hohe Fenſter blicken auf
den Park hinaus, die andern Wände ſind mit zahlreichen Bildern,
mit Familienporträts jedes Alters und jeder Größe bedeckt. Das
ſtattlichſte und in die Augen fallendſte iſt ein Bildniß über dem
Kamin. Es iſt das überlebensgroße Porträt des alten General-
lieutenants von Goertzke, des ſogenannten „Paladins des großen
Kurfürſten“, der im Jahr 1652 Friedersdorf erſtand, dieſes
Schloß renovirte und hier in hohem Alter verſtarb. Wie derſelbe
ein halbes Leben lang neben Derfflinger geſtanden und den Ruhm
des Alten getheilt hatte, ſo fanden ſich die beiden brandenburgiſchen
Helden auch ſchließlich auf nachbarlicher Scholle hier zuſammen:
Guſow gehörte dem einen, Friedersdorf dem andern. Eines
Goertzke’s Tochter heirathete einen Marwitz und bei den Marwitz
iſt das Gut ſeitdem verblieben.

Dieſes Bildniß des alten „Paladin“ nimmt unſer Intereſſe
aus mehr als Einem Grunde in Anſpruch. Ganz geharniſcht, den
Commandoſtab in der Rechten, die leichte Feldbinde um den Hals,
ſo ſteht er da. Der Helm ruht neben ihm auf einem Felſenvor-
ſprung und ſein langes Haar fällt dunkel und beinahe lockig
herab. Finſterer Ernſt und kalte Beſtimmtheit ſprechen aus ſeinen
Zügen. Es knüpft ſich eine hübſche Anekdote an dieſes Bild,
charakteriſtiſch für den Mann und die Zeit, zumal auch für die
Stellung, die die ſchönen Künſte damals in brandenburgiſchen
Landen einnahmen. Goertzke war bei Lützen ſchwer verwundet
worden und hinkte ſeitdem; ſein linker Fuß war zu kurz geheilt
worden und eine dicke, handhohe Holzſohle mußte wieder gut
machen, was das Unglück oder das Ungeſchick des Arztes verſchul-
det hatte. Es ſcheint, daß er ſich an dieſen Holzfuß nicht gern
erinnern ließ oder Vorſtellungen von der Pflicht des Idealiſirens

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[349/0361] nicht bei Hauswirthen in die Schule gegangen und hatten noch nicht gelernt, der trivialſten Oekonomie die Schönheit und Statt- lichkeit der Verhältniſſe zu opfern. Es war noch die Epoche der Treppen und Corridore, wie ſie die, ohne Noth und ohne Ver- ſtändniß, jetzt vielgeſchmähte Zeit der Renaiſſance überall einführte. Die Halle des Hauſes nimmt uns auf. Hohe Fenſter blicken auf den Park hinaus, die andern Wände ſind mit zahlreichen Bildern, mit Familienporträts jedes Alters und jeder Größe bedeckt. Das ſtattlichſte und in die Augen fallendſte iſt ein Bildniß über dem Kamin. Es iſt das überlebensgroße Porträt des alten General- lieutenants von Goertzke, des ſogenannten „Paladins des großen Kurfürſten“, der im Jahr 1652 Friedersdorf erſtand, dieſes Schloß renovirte und hier in hohem Alter verſtarb. Wie derſelbe ein halbes Leben lang neben Derfflinger geſtanden und den Ruhm des Alten getheilt hatte, ſo fanden ſich die beiden brandenburgiſchen Helden auch ſchließlich auf nachbarlicher Scholle hier zuſammen: Guſow gehörte dem einen, Friedersdorf dem andern. Eines Goertzke’s Tochter heirathete einen Marwitz und bei den Marwitz iſt das Gut ſeitdem verblieben. Dieſes Bildniß des alten „Paladin“ nimmt unſer Intereſſe aus mehr als Einem Grunde in Anſpruch. Ganz geharniſcht, den Commandoſtab in der Rechten, die leichte Feldbinde um den Hals, ſo ſteht er da. Der Helm ruht neben ihm auf einem Felſenvor- ſprung und ſein langes Haar fällt dunkel und beinahe lockig herab. Finſterer Ernſt und kalte Beſtimmtheit ſprechen aus ſeinen Zügen. Es knüpft ſich eine hübſche Anekdote an dieſes Bild, charakteriſtiſch für den Mann und die Zeit, zumal auch für die Stellung, die die ſchönen Künſte damals in brandenburgiſchen Landen einnahmen. Goertzke war bei Lützen ſchwer verwundet worden und hinkte ſeitdem; ſein linker Fuß war zu kurz geheilt worden und eine dicke, handhohe Holzſohle mußte wieder gut machen, was das Unglück oder das Ungeſchick des Arztes verſchul- det hatte. Es ſcheint, daß er ſich an dieſen Holzfuß nicht gern erinnern ließ oder Vorſtellungen von der Pflicht des Idealiſirens

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/361>, abgerufen am 22.11.2024.