Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.Sache war einfach die, daß er seinem erschöpften, durch immer Wenn dieses Gefühl schon im protestantischen Norden lebendig *) Als Ofen endlich gefallen war, weckte die Nachricht davon in ganz
Europa ein Gefühl freudigen Dankes. Aus Rom wurde berichtet: "der Papst habe mit lauter Stimme und unter den Dankesthränen der Car- dinäle das Gebet verrichtet." Ueberall wurden Feste gefeiert (in Genua, Madrid, Brüssel etc. drei Tage lang) und der Kurfürst schrieb, "daß er die vergnügte, für die gesammte Christenheit so importante Nachricht während des Gottesdienstes in Potsdam empfangen und dem Allerhöchsten für die Besiegung eines so blutdürstigen Feindes öffentlich gedankt habe." Man empfand die Abwendung einer Gefahr, die das Christenthum überhaupt bedroht hatte. Sache war einfach die, daß er ſeinem erſchöpften, durch immer Wenn dieſes Gefühl ſchon im proteſtantiſchen Norden lebendig *) Als Ofen endlich gefallen war, weckte die Nachricht davon in ganz
Europa ein Gefühl freudigen Dankes. Aus Rom wurde berichtet: „der Papſt habe mit lauter Stimme und unter den Dankesthränen der Car- dinäle das Gebet verrichtet.“ Ueberall wurden Feſte gefeiert (in Genua, Madrid, Brüſſel ꝛc. drei Tage lang) und der Kurfürſt ſchrieb, „daß er die vergnügte, für die geſammte Chriſtenheit ſo importante Nachricht während des Gottesdienſtes in Potsdam empfangen und dem Allerhöchſten für die Beſiegung eines ſo blutdürſtigen Feindes öffentlich gedankt habe.“ Man empfand die Abwendung einer Gefahr, die das Chriſtenthum überhaupt bedroht hatte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0038" n="26"/> Sache war einfach die, daß er ſeinem erſchöpften, durch immer<lb/> neue Kriege und neue Verwüſtungen hindurchgegangenen Lande,<lb/> vor allem den Frieden gönnte; jeder Krieg, auch der gebotenſte<lb/> und ruhmreichſte, hinderte ihn am Auferbauen. <hi rendition="#g">Das</hi> lähmte ſeinen<lb/> Eifer. Der proteſtantiſche Norden ſtand zu der Türkenfrage aller-<lb/> dings anders, als der katholiſche Süden; ein bedrohtes Oeſterreich<lb/> (bedroht gleichviel von wem) erſchien manchem lutheriſchen Herzen<lb/> als gleichbedeutend mit Sicherung und Kräftigung des Proteſtan-<lb/> tismus, aber weit über dieſes Abwägen Einzelner hinaus, ging<lb/> doch, als <hi rendition="#g">Grundſtimmung</hi>, durch die ganze europäiſche Chriſten-<lb/> heit das Doppelgefühl von Furcht und Haß gegen die Ungläubigen.<lb/> Das ſiegreiche Vordringen der Türken bis vor die Thore Wiens<lb/> (1683) war noch friſch im Gedächtniß und eine dunkle, im Volke<lb/> fortlebende Erinnerung an die Tartarenhorden, die einſt bis an<lb/> die Oder hin alles verwüſtet hatten, mochte, auch in den kurfürſt-<lb/> lichen Landen, wenigſtens die Vorſtellung einer möglichen Gefahr<lb/> und den guten Willen, ihr vorzubeugen, wachgerufen haben. <note place="foot" n="*)">Als Ofen endlich gefallen war, weckte die Nachricht davon in ganz<lb/> Europa ein Gefühl freudigen Dankes. Aus Rom wurde berichtet: „der<lb/> Papſt habe mit lauter Stimme und unter den Dankesthränen der Car-<lb/> dinäle das Gebet verrichtet.“ Ueberall wurden Feſte gefeiert (in Genua,<lb/> Madrid, Brüſſel ꝛc. drei Tage lang) und der Kurfürſt ſchrieb, „daß er die<lb/> vergnügte, für die geſammte Chriſtenheit ſo importante Nachricht während<lb/> des Gottesdienſtes in Potsdam empfangen und dem Allerhöchſten für die<lb/> Beſiegung eines ſo blutdürſtigen Feindes öffentlich gedankt habe.“ Man<lb/> empfand die Abwendung einer Gefahr, die das Chriſtenthum überhaupt<lb/> bedroht hatte.</note></p><lb/> <p>Wenn dieſes Gefühl ſchon im proteſtantiſchen Norden lebendig<lb/> war, ſo ſtieg es in den katholiſchen Ländern Südeuropas bis zu<lb/> einem Enthuſiasmus, ähnlich dem, wie ihn die Kreuzzüge geſehen<lb/> hatten. Von allen Seiten ſtrömten Freiwillige auf den Kampfplatz,<lb/> beſonders aus Spanien. In Wien fanden ſich dieſe Volontärs<lb/> zuſammen, darunter allein ſechzig Catalonier, und wurden dem<lb/> Stahrembergiſchen Regimente als eine eigene Truppe beigegeben.<lb/> Aſtorga, ein Spanier, führte dieſes Freiwilligencorps, das ſpäter vor<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [26/0038]
Sache war einfach die, daß er ſeinem erſchöpften, durch immer
neue Kriege und neue Verwüſtungen hindurchgegangenen Lande,
vor allem den Frieden gönnte; jeder Krieg, auch der gebotenſte
und ruhmreichſte, hinderte ihn am Auferbauen. Das lähmte ſeinen
Eifer. Der proteſtantiſche Norden ſtand zu der Türkenfrage aller-
dings anders, als der katholiſche Süden; ein bedrohtes Oeſterreich
(bedroht gleichviel von wem) erſchien manchem lutheriſchen Herzen
als gleichbedeutend mit Sicherung und Kräftigung des Proteſtan-
tismus, aber weit über dieſes Abwägen Einzelner hinaus, ging
doch, als Grundſtimmung, durch die ganze europäiſche Chriſten-
heit das Doppelgefühl von Furcht und Haß gegen die Ungläubigen.
Das ſiegreiche Vordringen der Türken bis vor die Thore Wiens
(1683) war noch friſch im Gedächtniß und eine dunkle, im Volke
fortlebende Erinnerung an die Tartarenhorden, die einſt bis an
die Oder hin alles verwüſtet hatten, mochte, auch in den kurfürſt-
lichen Landen, wenigſtens die Vorſtellung einer möglichen Gefahr
und den guten Willen, ihr vorzubeugen, wachgerufen haben. *)
Wenn dieſes Gefühl ſchon im proteſtantiſchen Norden lebendig
war, ſo ſtieg es in den katholiſchen Ländern Südeuropas bis zu
einem Enthuſiasmus, ähnlich dem, wie ihn die Kreuzzüge geſehen
hatten. Von allen Seiten ſtrömten Freiwillige auf den Kampfplatz,
beſonders aus Spanien. In Wien fanden ſich dieſe Volontärs
zuſammen, darunter allein ſechzig Catalonier, und wurden dem
Stahrembergiſchen Regimente als eine eigene Truppe beigegeben.
Aſtorga, ein Spanier, führte dieſes Freiwilligencorps, das ſpäter vor
*) Als Ofen endlich gefallen war, weckte die Nachricht davon in ganz
Europa ein Gefühl freudigen Dankes. Aus Rom wurde berichtet: „der
Papſt habe mit lauter Stimme und unter den Dankesthränen der Car-
dinäle das Gebet verrichtet.“ Ueberall wurden Feſte gefeiert (in Genua,
Madrid, Brüſſel ꝛc. drei Tage lang) und der Kurfürſt ſchrieb, „daß er die
vergnügte, für die geſammte Chriſtenheit ſo importante Nachricht während
des Gottesdienſtes in Potsdam empfangen und dem Allerhöchſten für die
Beſiegung eines ſo blutdürſtigen Feindes öffentlich gedankt habe.“ Man
empfand die Abwendung einer Gefahr, die das Chriſtenthum überhaupt
bedroht hatte.
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