dieser Zeit zwischen ihm und Rahel gewechselt wurden, ihn anfäng- lich noch auf einem Höhenpunkt der Schwermuth und Rathlosigkeit zeigen, klärt sich gegen das Ende hin die Situation plötzlich auf. Das Gewitter scheint vorüber und wir blicken wieder in klareren Him- mel. Einzelne Briefbruchstücke aus jener Zeit mögen diesen Ueber- gang vom Trübsinn bis zur neu erwachenden Hoffnung zeigen.
"Mit mir wird es besser. Zwar will mir das Herz noch zu- weilen erkranken, aber ich gebiete ihm Ruhe. Wille und Thätigkeit bändigen es. Machen Sie sich meinetwegen keinen Kummer. Unter- gehen kann ich, aber mir zum Ekel, andern zur Last leben, das kann ich nicht. Und das ist doch noch sehr glücklich. Ich habe in dieser Zeit zuweilen an den Selbstmord gedacht, aber immer ist er mir vorgekommen wie eine verruchte Rohheit."
"Ich bin bis jetzt hier geblieben, theure Rahel, und hatte vor, noch einen Monat hier zu bleiben, weil, ungeachtet der Ge- spenster, die in meinem Innern herum wandeln, doch eigentlich der Körper durch Landluft gedeiht und ich jene durch Thätigkeit zu verscheuchen hoffte. Aber ich traue nicht mehr, denn gesunder bin ich zwar, aber nicht weniger reizbar. Ein einziger Moment kann mich dahin zurückwerfen, wo ich war, und was am Ende aus dem finstern Brüten werden kann, übersehe ich nicht. Nun sehe ich zwei Auswege. Der eine ist, mit Ihnen nach Töplitz zu gehen (unbeschreiblich reizend), der andere ist eine Reise nach England und von dort aus weiter nach Spanien, wo ich Dienste nehmen kann. Wäre es so unrecht, die Kraft der südlichen Sonne an mir zu prüfen?"
Diese Bruchstücke zeigen zur Genüge, daß er unmittelbar vor seinem Abgange aus Berlin einen Entschluß gefaßt hatte. Er will den Anblick fliehen, der so viele Gefahren in sich birgt; darum dehnt er auch den Aufenthalt in Friedersdorf aus. Er will nicht nach Berlin zurück, denn "er traut sich selbst nicht und fürchtet, daß er dahin zurückgeworfen werden könne, wo er war." Er bangt vor der Möglichkeit neuen Brütens, neu aufsteigender Gespenster, und er will fort, weit fort -- nach Spanien. Er will Dienste
dieſer Zeit zwiſchen ihm und Rahel gewechſelt wurden, ihn anfäng- lich noch auf einem Höhenpunkt der Schwermuth und Rathloſigkeit zeigen, klärt ſich gegen das Ende hin die Situation plötzlich auf. Das Gewitter ſcheint vorüber und wir blicken wieder in klareren Him- mel. Einzelne Briefbruchſtücke aus jener Zeit mögen dieſen Ueber- gang vom Trübſinn bis zur neu erwachenden Hoffnung zeigen.
„Mit mir wird es beſſer. Zwar will mir das Herz noch zu- weilen erkranken, aber ich gebiete ihm Ruhe. Wille und Thätigkeit bändigen es. Machen Sie ſich meinetwegen keinen Kummer. Unter- gehen kann ich, aber mir zum Ekel, andern zur Laſt leben, das kann ich nicht. Und das iſt doch noch ſehr glücklich. Ich habe in dieſer Zeit zuweilen an den Selbſtmord gedacht, aber immer iſt er mir vorgekommen wie eine verruchte Rohheit.“
„Ich bin bis jetzt hier geblieben, theure Rahel, und hatte vor, noch einen Monat hier zu bleiben, weil, ungeachtet der Ge- ſpenſter, die in meinem Innern herum wandeln, doch eigentlich der Körper durch Landluft gedeiht und ich jene durch Thätigkeit zu verſcheuchen hoffte. Aber ich traue nicht mehr, denn geſunder bin ich zwar, aber nicht weniger reizbar. Ein einziger Moment kann mich dahin zurückwerfen, wo ich war, und was am Ende aus dem finſtern Brüten werden kann, überſehe ich nicht. Nun ſehe ich zwei Auswege. Der eine iſt, mit Ihnen nach Töplitz zu gehen (unbeſchreiblich reizend), der andere iſt eine Reiſe nach England und von dort aus weiter nach Spanien, wo ich Dienſte nehmen kann. Wäre es ſo unrecht, die Kraft der ſüdlichen Sonne an mir zu prüfen?“
Dieſe Bruchſtücke zeigen zur Genüge, daß er unmittelbar vor ſeinem Abgange aus Berlin einen Entſchluß gefaßt hatte. Er will den Anblick fliehen, der ſo viele Gefahren in ſich birgt; darum dehnt er auch den Aufenthalt in Friedersdorf aus. Er will nicht nach Berlin zurück, denn „er traut ſich ſelbſt nicht und fürchtet, daß er dahin zurückgeworfen werden könne, wo er war.“ Er bangt vor der Möglichkeit neuen Brütens, neu aufſteigender Geſpenſter, und er will fort, weit fort — nach Spanien. Er will Dienſte
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dieſer Zeit zwiſchen ihm und Rahel gewechſelt wurden, ihn anfäng-
lich noch auf einem Höhenpunkt der Schwermuth und Rathloſigkeit
zeigen, klärt ſich gegen das Ende hin die Situation plötzlich auf.
Das Gewitter ſcheint vorüber und wir blicken wieder in klareren Him-
mel. Einzelne Briefbruchſtücke aus jener Zeit mögen dieſen Ueber-
gang vom Trübſinn bis zur neu erwachenden Hoffnung zeigen.
„Mit mir wird es beſſer. Zwar will mir das Herz noch zu-
weilen erkranken, aber ich gebiete ihm Ruhe. Wille und Thätigkeit
bändigen es. Machen Sie ſich meinetwegen keinen Kummer. Unter-
gehen kann ich, aber mir zum Ekel, andern zur Laſt leben, das
kann ich nicht. Und das iſt doch noch ſehr glücklich. Ich habe in
dieſer Zeit zuweilen an den Selbſtmord gedacht, aber immer iſt er
mir vorgekommen wie eine verruchte Rohheit.“
„Ich bin bis jetzt hier geblieben, theure Rahel, und hatte
vor, noch einen Monat hier zu bleiben, weil, ungeachtet der Ge-
ſpenſter, die in meinem Innern herum wandeln, doch eigentlich der
Körper durch Landluft gedeiht und ich jene durch Thätigkeit zu
verſcheuchen hoffte. Aber ich traue nicht mehr, denn geſunder bin
ich zwar, aber nicht weniger reizbar. Ein einziger Moment kann
mich dahin zurückwerfen, wo ich war, und was am Ende aus
dem finſtern Brüten werden kann, überſehe ich nicht. Nun ſehe ich
zwei Auswege. Der eine iſt, mit Ihnen nach Töplitz zu gehen
(unbeſchreiblich reizend), der andere iſt eine Reiſe nach England und
von dort aus weiter nach Spanien, wo ich Dienſte nehmen kann.
Wäre es ſo unrecht, die Kraft der ſüdlichen Sonne an mir zu
prüfen?“
Dieſe Bruchſtücke zeigen zur Genüge, daß er unmittelbar vor
ſeinem Abgange aus Berlin einen Entſchluß gefaßt hatte. Er will
den Anblick fliehen, der ſo viele Gefahren in ſich birgt; darum
dehnt er auch den Aufenthalt in Friedersdorf aus. Er will nicht
nach Berlin zurück, denn „er traut ſich ſelbſt nicht und fürchtet,
daß er dahin zurückgeworfen werden könne, wo er war.“ Er bangt
vor der Möglichkeit neuen Brütens, neu aufſteigender Geſpenſter,
und er will fort, weit fort — nach Spanien. Er will Dienſte
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/412>, abgerufen am 21.11.2024.
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