Neben dem Kloster, und vielleicht früher in unmittelbarem Zusammenhang mit demselben, steht die ehemalige Klosterkirche, jetzt die Dorfkirche. Sie ist nicht mehr was sie war. Der Thurm ist kein eigentlicher Thurm mehr, (wird jetzt neu und massiv erbaut) und die Kirche selbst hat unter den verschiedenen Umbauten, denen sie unterworfen wurde, ihren gothischen Charakter fast völlig verloren. Sie besitzt aber aus alter ka- tholischer Zeit her noch mehrere Werthstücke, unter denen, in Kugler's Kunstgeschichte, vor allem eines Taufbeckens Erwäh- nung geschieht. Ich glaube indessen -- irrthümlich. Möglich, daß damals, wo man sich der Mühe des Umherreisens, der Special- forschung in den Provinzen (besonders auch in unsrer Mark) noch wenig unterzogen hatte, ein solches Taufbecken, das zufällig in die Hand eines Kunstforschers kam, als etwas Besonderes angesehen wurde, ähnlich wie noch vor Kurzem die vergoldeten Bilder-Al- täre, von denen einige in Berlin ausgestellt waren, eine gewisse Verwunderung hervorriefen. Ebenso gewiß indeß, wie nunmehr die Existenz von hunderten solcher Bilder-Altäre aus katholischer Zeit her, nachgewiesen ist, ebenso gewiß giebt es auch hunderte solcher Taufbecken, wie sie die Friedländer Kirche aufweist.
Was aber nicht nach hunderten anzutreffen ist, und was in der That eine Sehenswürdigkeit in Friedland bildet, das sind drei reichvergoldete Abendmahlskelche, die noch, als Werth- und Erinnerungsstücke aus der vorlutherischen Zeit her, im Pfarrhause aufbewahrt werden. Alle drei sind von verwandter Form und nur der Größe nach verschieden. Auf einem breiten Fuß ruht ein tul- penförmiger Kelch, in der Mitte des kurzen Stiels aber, der diese Kelchtulpe trägt, legt sich ein sechseckiges Ornament, ringförmig um den Stiel herum. Eins dieser sechseckigen Ornamente ist hohl und von durchbrochener Arbeit; innerhalb desselben klappert eine Reliquie, ein Knochensplitter oder der Zahn eines Heiligen. Der- selbe Kelch (einer der kleineren) trägt auf seinem Fuß die Na- men: Martha. Johannes. Welsickendorp. Ein anderer (der größte
Neben dem Kloſter, und vielleicht früher in unmittelbarem Zuſammenhang mit demſelben, ſteht die ehemalige Kloſterkirche, jetzt die Dorfkirche. Sie iſt nicht mehr was ſie war. Der Thurm iſt kein eigentlicher Thurm mehr, (wird jetzt neu und maſſiv erbaut) und die Kirche ſelbſt hat unter den verſchiedenen Umbauten, denen ſie unterworfen wurde, ihren gothiſchen Charakter faſt völlig verloren. Sie beſitzt aber aus alter ka- tholiſcher Zeit her noch mehrere Werthſtücke, unter denen, in Kugler’s Kunſtgeſchichte, vor allem eines Taufbeckens Erwäh- nung geſchieht. Ich glaube indeſſen — irrthümlich. Möglich, daß damals, wo man ſich der Mühe des Umherreiſens, der Special- forſchung in den Provinzen (beſonders auch in unſrer Mark) noch wenig unterzogen hatte, ein ſolches Taufbecken, das zufällig in die Hand eines Kunſtforſchers kam, als etwas Beſonderes angeſehen wurde, ähnlich wie noch vor Kurzem die vergoldeten Bilder-Al- täre, von denen einige in Berlin ausgeſtellt waren, eine gewiſſe Verwunderung hervorriefen. Ebenſo gewiß indeß, wie nunmehr die Exiſtenz von hunderten ſolcher Bilder-Altäre aus katholiſcher Zeit her, nachgewieſen iſt, ebenſo gewiß giebt es auch hunderte ſolcher Taufbecken, wie ſie die Friedländer Kirche aufweiſt.
Was aber nicht nach hunderten anzutreffen iſt, und was in der That eine Sehenswürdigkeit in Friedland bildet, das ſind drei reichvergoldete Abendmahlskelche, die noch, als Werth- und Erinnerungsſtücke aus der vorlutheriſchen Zeit her, im Pfarrhauſe aufbewahrt werden. Alle drei ſind von verwandter Form und nur der Größe nach verſchieden. Auf einem breiten Fuß ruht ein tul- penförmiger Kelch, in der Mitte des kurzen Stiels aber, der dieſe Kelchtulpe trägt, legt ſich ein ſechseckiges Ornament, ringförmig um den Stiel herum. Eins dieſer ſechseckigen Ornamente iſt hohl und von durchbrochener Arbeit; innerhalb deſſelben klappert eine Reliquie, ein Knochenſplitter oder der Zahn eines Heiligen. Der- ſelbe Kelch (einer der kleineren) trägt auf ſeinem Fuß die Na- men: Martha. Johannes. Welſickendorp. Ein anderer (der größte
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Neben dem Kloſter, und vielleicht früher in unmittelbarem
Zuſammenhang mit demſelben, ſteht die ehemalige Kloſterkirche,
jetzt die Dorfkirche. Sie iſt nicht mehr was ſie war. Der Thurm
iſt kein eigentlicher Thurm mehr, (wird jetzt neu und maſſiv
erbaut) und die Kirche ſelbſt hat unter den verſchiedenen
Umbauten, denen ſie unterworfen wurde, ihren gothiſchen
Charakter faſt völlig verloren. Sie beſitzt aber aus alter ka-
tholiſcher Zeit her noch mehrere Werthſtücke, unter denen, in
Kugler’s Kunſtgeſchichte, vor allem eines Taufbeckens Erwäh-
nung geſchieht. Ich glaube indeſſen — irrthümlich. Möglich, daß
damals, wo man ſich der Mühe des Umherreiſens, der Special-
forſchung in den Provinzen (beſonders auch in unſrer Mark) noch
wenig unterzogen hatte, ein ſolches Taufbecken, das zufällig in die
Hand eines Kunſtforſchers kam, als etwas Beſonderes angeſehen
wurde, ähnlich wie noch vor Kurzem die vergoldeten Bilder-Al-
täre, von denen einige in Berlin ausgeſtellt waren, eine gewiſſe
Verwunderung hervorriefen. Ebenſo gewiß indeß, wie nunmehr die
Exiſtenz von hunderten ſolcher Bilder-Altäre aus katholiſcher Zeit
her, nachgewieſen iſt, ebenſo gewiß giebt es auch hunderte ſolcher
Taufbecken, wie ſie die Friedländer Kirche aufweiſt.
Was aber nicht nach hunderten anzutreffen iſt, und was in
der That eine Sehenswürdigkeit in Friedland bildet, das ſind
drei reichvergoldete Abendmahlskelche, die noch, als Werth- und
Erinnerungsſtücke aus der vorlutheriſchen Zeit her, im Pfarrhauſe
aufbewahrt werden. Alle drei ſind von verwandter Form und nur
der Größe nach verſchieden. Auf einem breiten Fuß ruht ein tul-
penförmiger Kelch, in der Mitte des kurzen Stiels aber, der dieſe
Kelchtulpe trägt, legt ſich ein ſechseckiges Ornament, ringförmig
um den Stiel herum. Eins dieſer ſechseckigen Ornamente iſt hohl
und von durchbrochener Arbeit; innerhalb deſſelben klappert eine
Reliquie, ein Knochenſplitter oder der Zahn eines Heiligen. Der-
ſelbe Kelch (einer der kleineren) trägt auf ſeinem Fuß die Na-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/460>, abgerufen am 23.11.2024.
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