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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Diese Vorzüglichkeit der Bienenwirthschaft nun war das na-
türliche Resultat einer vorzüglichen Bienenlokalität, d. h. einer
andauernden, nie erschöpften Bienenweide. Solche Lokalitäten,
wenn man die höchsten Anforderungen stellt, sind nicht eben allzu-
häufig, da es sich darum handelt, durch fast volle 6 Monate hin
den Bienen immer Pflanzen zu bieten, aus denen sie sammeln
können. Wo Raps blüht, da ist für die Bienen während des Mai
und Juni, und wo die Linden blühn für den Juli gesorgt; aber
erst aus dem Vorhandensein mannigfachster Bäume, die sich im
Blühn unter einander ablösen und vom April bis in den
September hinein eine immer wechselnde Bienennahrung bieten,
erst aus dem Vorhandensein solcher Mannigfaltigkeit ergiebt sich
das eigentliche Bienen- und Honig-Terrain. Ein solches Terrain
nun war Kienbaum in eminenter Weise. Ein viele Quadratmeilen
großer Kiefern-Forst schloß es ein, und mitten durch diesen Forst
hindurch schlängelte sich die Loecknitz, *) ein Flüßchen, das auf Mei-
len hin Wiesen und honigreiche Wiesenblumen zu seiner Rechten
und Linken hatte. Unmittelbar das Flüßchen entlang zogen sich
Werft und Haselbüsche, die den Bienen, im März und April
schon, eine bevorzugte Nahrung boten; im Mai dann begannen
sommerlang die Wiesen zu blühn, bis endlich, vom August an,
die weiten Strecken voll Haidekraut, gelegentlicher weißer Kleefelder
zu geschweigen, eine nicht auszunutzende Nahrungsquelle boten.

Die Erträge waren zu Zeiten sehr bedeutend, und das Dorf,
das fast aus lauter Zeidlern und Beutnern bestand, erfreute sich
trotz seiner Ackerarmuth einer gewissen Wohlhabenheit. Der Schul-

*) Die Loecknitz ist eines jener vielen Wässerchen in unsrer Mark
(wie z. B. die Nuthe, die Notte, die Finow, der Stobber oder Stobberow),
die, plötzlich aus einem See oder Luch tretend, auf die kurze Strecke ihres
Laufes hin ein grünes Wiesenband malerisch durch das Sand- und
Haideland ziehn. Keines unter allen diesen Wässerchen ist vielleicht reiz-
voller und unbekannter zugleich als die Loecknitz, die, aus dem rothen
Luche kommend, in einem der Seen zwischen "Erkner" und den Rüders-
dorfer Kalkbergen verschwindet. Die Loecknitz ist nur 4 Meilen lang, aber
auf ihrer ganzen Länge führt sie einen sich schlängelnden Streifen von

Dieſe Vorzüglichkeit der Bienenwirthſchaft nun war das na-
türliche Reſultat einer vorzüglichen Bienenlokalität, d. h. einer
andauernden, nie erſchöpften Bienenweide. Solche Lokalitäten,
wenn man die höchſten Anforderungen ſtellt, ſind nicht eben allzu-
häufig, da es ſich darum handelt, durch faſt volle 6 Monate hin
den Bienen immer Pflanzen zu bieten, aus denen ſie ſammeln
können. Wo Raps blüht, da iſt für die Bienen während des Mai
und Juni, und wo die Linden blühn für den Juli geſorgt; aber
erſt aus dem Vorhandenſein mannigfachſter Bäume, die ſich im
Blühn unter einander ablöſen und vom April bis in den
September hinein eine immer wechſelnde Bienennahrung bieten,
erſt aus dem Vorhandenſein ſolcher Mannigfaltigkeit ergiebt ſich
das eigentliche Bienen- und Honig-Terrain. Ein ſolches Terrain
nun war Kienbaum in eminenter Weiſe. Ein viele Quadratmeilen
großer Kiefern-Forſt ſchloß es ein, und mitten durch dieſen Forſt
hindurch ſchlängelte ſich die Loecknitz, *) ein Flüßchen, das auf Mei-
len hin Wieſen und honigreiche Wieſenblumen zu ſeiner Rechten
und Linken hatte. Unmittelbar das Flüßchen entlang zogen ſich
Werft und Haſelbüſche, die den Bienen, im März und April
ſchon, eine bevorzugte Nahrung boten; im Mai dann begannen
ſommerlang die Wieſen zu blühn, bis endlich, vom Auguſt an,
die weiten Strecken voll Haidekraut, gelegentlicher weißer Kleefelder
zu geſchweigen, eine nicht auszunutzende Nahrungsquelle boten.

Die Erträge waren zu Zeiten ſehr bedeutend, und das Dorf,
das faſt aus lauter Zeidlern und Beutnern beſtand, erfreute ſich
trotz ſeiner Ackerarmuth einer gewiſſen Wohlhabenheit. Der Schul-

*) Die Loecknitz iſt eines jener vielen Wäſſerchen in unſrer Mark
(wie z. B. die Nuthe, die Notte, die Finow, der Stobber oder Stobberow),
die, plötzlich aus einem See oder Luch tretend, auf die kurze Strecke ihres
Laufes hin ein grünes Wieſenband maleriſch durch das Sand- und
Haideland ziehn. Keines unter allen dieſen Wäſſerchen iſt vielleicht reiz-
voller und unbekannter zugleich als die Loecknitz, die, aus dem rothen
Luche kommend, in einem der Seen zwiſchen „Erkner“ und den Rüders-
dorfer Kalkbergen verſchwindet. Die Loecknitz iſt nur 4 Meilen lang, aber
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[498/0510] Dieſe Vorzüglichkeit der Bienenwirthſchaft nun war das na- türliche Reſultat einer vorzüglichen Bienenlokalität, d. h. einer andauernden, nie erſchöpften Bienenweide. Solche Lokalitäten, wenn man die höchſten Anforderungen ſtellt, ſind nicht eben allzu- häufig, da es ſich darum handelt, durch faſt volle 6 Monate hin den Bienen immer Pflanzen zu bieten, aus denen ſie ſammeln können. Wo Raps blüht, da iſt für die Bienen während des Mai und Juni, und wo die Linden blühn für den Juli geſorgt; aber erſt aus dem Vorhandenſein mannigfachſter Bäume, die ſich im Blühn unter einander ablöſen und vom April bis in den September hinein eine immer wechſelnde Bienennahrung bieten, erſt aus dem Vorhandenſein ſolcher Mannigfaltigkeit ergiebt ſich das eigentliche Bienen- und Honig-Terrain. Ein ſolches Terrain nun war Kienbaum in eminenter Weiſe. Ein viele Quadratmeilen großer Kiefern-Forſt ſchloß es ein, und mitten durch dieſen Forſt hindurch ſchlängelte ſich die Loecknitz, *) ein Flüßchen, das auf Mei- len hin Wieſen und honigreiche Wieſenblumen zu ſeiner Rechten und Linken hatte. Unmittelbar das Flüßchen entlang zogen ſich Werft und Haſelbüſche, die den Bienen, im März und April ſchon, eine bevorzugte Nahrung boten; im Mai dann begannen ſommerlang die Wieſen zu blühn, bis endlich, vom Auguſt an, die weiten Strecken voll Haidekraut, gelegentlicher weißer Kleefelder zu geſchweigen, eine nicht auszunutzende Nahrungsquelle boten. Die Erträge waren zu Zeiten ſehr bedeutend, und das Dorf, das faſt aus lauter Zeidlern und Beutnern beſtand, erfreute ſich trotz ſeiner Ackerarmuth einer gewiſſen Wohlhabenheit. Der Schul- *) Die Loecknitz iſt eines jener vielen Wäſſerchen in unſrer Mark (wie z. B. die Nuthe, die Notte, die Finow, der Stobber oder Stobberow), die, plötzlich aus einem See oder Luch tretend, auf die kurze Strecke ihres Laufes hin ein grünes Wieſenband maleriſch durch das Sand- und Haideland ziehn. Keines unter allen dieſen Wäſſerchen iſt vielleicht reiz- voller und unbekannter zugleich als die Loecknitz, die, aus dem rothen Luche kommend, in einem der Seen zwiſchen „Erkner“ und den Rüders- dorfer Kalkbergen verſchwindet. Die Loecknitz iſt nur 4 Meilen lang, aber auf ihrer ganzen Länge führt ſie einen ſich ſchlängelnden Streifen von

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/510>, abgerufen am 21.11.2024.