es ein anderes? Die Anschauungen, die bis jetzt darüber gegolten haben, waren dem guten Rufe der schönen Frau nicht allzu gün- stig; verschiedene eigenhändige Briefe jedoch, die der Kronprinz eben damals an Frau v. Wreech richtete und deren Inhalt, ja deren Existenz erst in neuester Zeit bekannt geworden ist, werden vielleicht im Stande sein, die gäng und geben Ansichten über die- sen Punkt wesentlich zu modificiren. Diese an Frau v. Wreech gerichteten Briefe, die sich jetzt im Besitz einer Urenkelin derselben befinden, wurden von der letzteren Dame, in ihrem von der Groß- mutter auf sie vererbten Berliner Hause, zufällig aufgefunden, als ihr, beim Ordnen von Papieren, ein ziemlich vergilbtes Packet mit der kurzen Bezeichnung: "Papiers concernant la famille de Wreich" in die Hände fiel. Ein zweiter Umschlag führte die Auf- schrift: "Lettres et vers de certain grand Prince," woran sich, wie zu bestimmterer Bezeichnung des Inhalts, die Worte reihten: "Lettres de Frederic II. (comme Prince royal) a Mad. de Schoening et a sa fille Mad. de Wreich."
Diese Briefe sind auf gewöhnlichem grobem Schreibpapier und oft bis an den untersten Rand hin voll geschrieben; die Li- nien sind krumm, die Orthographie höchst mangelhaft und die meisten leider nicht datirt; nur einer trägt das völlige Datum und zwar den 5. September 1731. Doch ergiebt sich aus dem Inhalt der Briefe mit Bestimmtheit, daß sie zwischen Ende August 1731 und Ende Februar 1732 geschrieben sein müssen.
Die Bedeutung dieser Briefe ist eine doppelte. Sie werfen, wie schon angedeutet, nach meiner Meinung ein ganz bestimm- tes und ein sehr vortheilhaftes Licht auf die Art des Verhält- nisses, das zwischen dem Kronprinzen und Frau v. Wreech be- stand; sollten aber die traditionell gewordenen Anschauungen über dies Verhältniß durch den Inhalt dieser Briefe nicht erschüttert werden, so werden die letzteren doch unter allen Umständen das Gute haben, an die Stelle bloßer Ueberschriften, einen verhältniß- mäßigen Reichthum von Details und an die Stelle des blassen
es ein anderes? Die Anſchauungen, die bis jetzt darüber gegolten haben, waren dem guten Rufe der ſchönen Frau nicht allzu gün- ſtig; verſchiedene eigenhändige Briefe jedoch, die der Kronprinz eben damals an Frau v. Wreech richtete und deren Inhalt, ja deren Exiſtenz erſt in neueſter Zeit bekannt geworden iſt, werden vielleicht im Stande ſein, die gäng und geben Anſichten über die- ſen Punkt weſentlich zu modificiren. Dieſe an Frau v. Wreech gerichteten Briefe, die ſich jetzt im Beſitz einer Urenkelin derſelben befinden, wurden von der letzteren Dame, in ihrem von der Groß- mutter auf ſie vererbten Berliner Hauſe, zufällig aufgefunden, als ihr, beim Ordnen von Papieren, ein ziemlich vergilbtes Packet mit der kurzen Bezeichnung: „Papiers concernant la famille de Wreich“ in die Hände fiel. Ein zweiter Umſchlag führte die Auf- ſchrift: „Lettres et vers de certain grand Prince,“ woran ſich, wie zu beſtimmterer Bezeichnung des Inhalts, die Worte reihten: „Lettres de Fréderic II. (comme Prince royal) à Mad. de Schoening et à sa fille Mad. de Wreich.“
Dieſe Briefe ſind auf gewöhnlichem grobem Schreibpapier und oft bis an den unterſten Rand hin voll geſchrieben; die Li- nien ſind krumm, die Orthographie höchſt mangelhaft und die meiſten leider nicht datirt; nur einer trägt das völlige Datum und zwar den 5. September 1731. Doch ergiebt ſich aus dem Inhalt der Briefe mit Beſtimmtheit, daß ſie zwiſchen Ende Auguſt 1731 und Ende Februar 1732 geſchrieben ſein müſſen.
Die Bedeutung dieſer Briefe iſt eine doppelte. Sie werfen, wie ſchon angedeutet, nach meiner Meinung ein ganz beſtimm- tes und ein ſehr vortheilhaftes Licht auf die Art des Verhält- niſſes, das zwiſchen dem Kronprinzen und Frau v. Wreech be- ſtand; ſollten aber die traditionell gewordenen Anſchauungen über dies Verhältniß durch den Inhalt dieſer Briefe nicht erſchüttert werden, ſo werden die letzteren doch unter allen Umſtänden das Gute haben, an die Stelle bloßer Ueberſchriften, einen verhältniß- mäßigen Reichthum von Details und an die Stelle des blaſſen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0056"n="44"/>
es ein anderes? Die Anſchauungen, die bis jetzt darüber gegolten<lb/>
haben, waren dem guten Rufe der ſchönen Frau nicht allzu gün-<lb/>ſtig; verſchiedene eigenhändige Briefe jedoch, die der Kronprinz<lb/>
eben damals an Frau v. Wreech richtete und deren Inhalt, ja<lb/>
deren Exiſtenz erſt in neueſter Zeit bekannt geworden iſt, werden<lb/>
vielleicht im Stande ſein, die gäng und geben Anſichten über die-<lb/>ſen Punkt weſentlich zu modificiren. Dieſe an Frau v. Wreech<lb/>
gerichteten Briefe, die ſich jetzt im Beſitz einer Urenkelin derſelben<lb/>
befinden, wurden von der letzteren Dame, in ihrem von der Groß-<lb/>
mutter auf ſie vererbten Berliner Hauſe, zufällig aufgefunden, als<lb/>
ihr, beim Ordnen von Papieren, ein ziemlich vergilbtes Packet mit<lb/>
der kurzen Bezeichnung: <hirendition="#aq">„Papiers concernant la famille de<lb/>
Wreich“</hi> in die Hände fiel. Ein zweiter Umſchlag führte die Auf-<lb/>ſchrift: <hirendition="#aq">„Lettres et vers de certain grand Prince,“</hi> woran<lb/>ſich, wie zu beſtimmterer Bezeichnung des Inhalts, die Worte<lb/>
reihten: <hirendition="#aq">„Lettres de Fréderic II. (comme Prince royal) à<lb/>
Mad. de Schoening et à sa fille Mad. de Wreich.“</hi></p><lb/><p>Dieſe Briefe ſind auf gewöhnlichem grobem Schreibpapier<lb/>
und oft bis an den unterſten Rand hin voll geſchrieben; die Li-<lb/>
nien ſind krumm, die Orthographie höchſt mangelhaft und die<lb/>
meiſten leider nicht datirt; nur einer trägt das völlige Datum und<lb/>
zwar den 5. September 1731. Doch ergiebt ſich aus dem Inhalt<lb/>
der Briefe mit Beſtimmtheit, daß ſie zwiſchen Ende Auguſt 1731<lb/>
und Ende Februar 1732 geſchrieben ſein müſſen.</p><lb/><p>Die Bedeutung dieſer Briefe iſt eine doppelte. Sie werfen,<lb/>
wie ſchon angedeutet, nach meiner Meinung ein ganz <hirendition="#g">beſtimm-<lb/>
tes</hi> und ein ſehr vortheilhaftes Licht auf die <hirendition="#g">Art</hi> des Verhält-<lb/>
niſſes, das zwiſchen dem Kronprinzen und Frau v. Wreech be-<lb/>ſtand; ſollten aber die traditionell gewordenen Anſchauungen über<lb/>
dies Verhältniß durch den Inhalt dieſer Briefe <hirendition="#g">nicht</hi> erſchüttert<lb/>
werden, ſo werden die letzteren doch unter allen Umſtänden <hirendition="#g">das</hi><lb/>
Gute haben, an die Stelle bloßer Ueberſchriften, einen verhältniß-<lb/>
mäßigen Reichthum von Details und an die Stelle des blaſſen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[44/0056]
es ein anderes? Die Anſchauungen, die bis jetzt darüber gegolten
haben, waren dem guten Rufe der ſchönen Frau nicht allzu gün-
ſtig; verſchiedene eigenhändige Briefe jedoch, die der Kronprinz
eben damals an Frau v. Wreech richtete und deren Inhalt, ja
deren Exiſtenz erſt in neueſter Zeit bekannt geworden iſt, werden
vielleicht im Stande ſein, die gäng und geben Anſichten über die-
ſen Punkt weſentlich zu modificiren. Dieſe an Frau v. Wreech
gerichteten Briefe, die ſich jetzt im Beſitz einer Urenkelin derſelben
befinden, wurden von der letzteren Dame, in ihrem von der Groß-
mutter auf ſie vererbten Berliner Hauſe, zufällig aufgefunden, als
ihr, beim Ordnen von Papieren, ein ziemlich vergilbtes Packet mit
der kurzen Bezeichnung: „Papiers concernant la famille de
Wreich“ in die Hände fiel. Ein zweiter Umſchlag führte die Auf-
ſchrift: „Lettres et vers de certain grand Prince,“ woran
ſich, wie zu beſtimmterer Bezeichnung des Inhalts, die Worte
reihten: „Lettres de Fréderic II. (comme Prince royal) à
Mad. de Schoening et à sa fille Mad. de Wreich.“
Dieſe Briefe ſind auf gewöhnlichem grobem Schreibpapier
und oft bis an den unterſten Rand hin voll geſchrieben; die Li-
nien ſind krumm, die Orthographie höchſt mangelhaft und die
meiſten leider nicht datirt; nur einer trägt das völlige Datum und
zwar den 5. September 1731. Doch ergiebt ſich aus dem Inhalt
der Briefe mit Beſtimmtheit, daß ſie zwiſchen Ende Auguſt 1731
und Ende Februar 1732 geſchrieben ſein müſſen.
Die Bedeutung dieſer Briefe iſt eine doppelte. Sie werfen,
wie ſchon angedeutet, nach meiner Meinung ein ganz beſtimm-
tes und ein ſehr vortheilhaftes Licht auf die Art des Verhält-
niſſes, das zwiſchen dem Kronprinzen und Frau v. Wreech be-
ſtand; ſollten aber die traditionell gewordenen Anſchauungen über
dies Verhältniß durch den Inhalt dieſer Briefe nicht erſchüttert
werden, ſo werden die letzteren doch unter allen Umſtänden das
Gute haben, an die Stelle bloßer Ueberſchriften, einen verhältniß-
mäßigen Reichthum von Details und an die Stelle des blaſſen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/56>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.