Allgemeinen, bestimmtere Farben und plastischere Gestaltung gesetzt zu haben.
Denn die "Frau v. Wreech-Literatur" (wenn man diesen Ausdruck gestatten will) war bisher eine ziemlich kümmerliche, und die Zusammenstellung alles dessen, was man wußte, hatte auf einem Quartblatt Platz. Es waren eigentlich nur zwei Brief-Ci- tate, von denen das eine Citat einem Briefe des Grafen Schu- lenburg (wenn ich nicht irre, an Grumbkow), das andere Citat einem Briefe Grumbkows an Seckendorf entnommen war. Beide Citate unterschieden sich von einander dadurch, daß sich das eine mit der Persönlichkeit der Frau v. Wreech, das andere mit der Art ihres Verhältnisses zum Kronprinzen beschäftigte; aber beide Briefstellen waren äußerst aphoristisch, und während Schulenburg meldete: "Frau v. Wreech sei sehr schön und habe einen Rosen- und Lilien-Teint," sprach Grumbkow von einer "starken amour," in die der Prinz verfallen sei, und fügte einige derbe Worte hin- zu, die der König, gewissermaßen in Billigung und Gutheißung des Verhältnisses, geäußert haben sollte. Dies ist Alles. Wohl sprechen die diplomatischen Klatsch-Briefe, die damals mit wichtig- ster Miene hin- und hergeschrieben wurden, von allerhand "De- bauchen," in die der Prinz verfallen sei, dieser Ausdruck aber be- zieht sich ersichtlich nur auf sein Küstriner Leben und nicht auf seine Tamseler Besuche. Ja, ich möchte weiter gehen und die Be- hauptung wagen, daß Tamsel damals die Kehrseite, der Gegen- satz von dem Küstriner Leben gewesen sei, ganz geeignet, durch Sitte, Feinheit und Anstand ein Leben wieder zu reguliren, das solcher Regulatoren allerdings dringend bedürftig war.
Auch wir heute, gestützt auf die Briefe des Kronprinzen, be- schäftigen uns zunächst mit der Persönlichkeit und dem Cha- rakter der Frau v. Wreech. Haben wir diese beiden festgestellt, so haben wir, anderer Aufklärungen zu geschweigen, bereits viel ge- wonnen; denn die Handlungen der Menschen sind im Einklang mit ihrem Sein.
"Ein Teint wie Lilien und Rosen" schreibt Schulenburg und
Allgemeinen, beſtimmtere Farben und plaſtiſchere Geſtaltung geſetzt zu haben.
Denn die „Frau v. Wreech-Literatur“ (wenn man dieſen Ausdruck geſtatten will) war bisher eine ziemlich kümmerliche, und die Zuſammenſtellung alles deſſen, was man wußte, hatte auf einem Quartblatt Platz. Es waren eigentlich nur zwei Brief-Ci- tate, von denen das eine Citat einem Briefe des Grafen Schu- lenburg (wenn ich nicht irre, an Grumbkow), das andere Citat einem Briefe Grumbkows an Seckendorf entnommen war. Beide Citate unterſchieden ſich von einander dadurch, daß ſich das eine mit der Perſönlichkeit der Frau v. Wreech, das andere mit der Art ihres Verhältniſſes zum Kronprinzen beſchäftigte; aber beide Briefſtellen waren äußerſt aphoriſtiſch, und während Schulenburg meldete: „Frau v. Wreech ſei ſehr ſchön und habe einen Roſen- und Lilien-Teint,“ ſprach Grumbkow von einer „ſtarken amour,“ in die der Prinz verfallen ſei, und fügte einige derbe Worte hin- zu, die der König, gewiſſermaßen in Billigung und Gutheißung des Verhältniſſes, geäußert haben ſollte. Dies iſt Alles. Wohl ſprechen die diplomatiſchen Klatſch-Briefe, die damals mit wichtig- ſter Miene hin- und hergeſchrieben wurden, von allerhand „De- bauchen,“ in die der Prinz verfallen ſei, dieſer Ausdruck aber be- zieht ſich erſichtlich nur auf ſein Küſtriner Leben und nicht auf ſeine Tamſeler Beſuche. Ja, ich möchte weiter gehen und die Be- hauptung wagen, daß Tamſel damals die Kehrſeite, der Gegen- ſatz von dem Küſtriner Leben geweſen ſei, ganz geeignet, durch Sitte, Feinheit und Anſtand ein Leben wieder zu reguliren, das ſolcher Regulatoren allerdings dringend bedürftig war.
Auch wir heute, geſtützt auf die Briefe des Kronprinzen, be- ſchäftigen uns zunächſt mit der Perſönlichkeit und dem Cha- rakter der Frau v. Wreech. Haben wir dieſe beiden feſtgeſtellt, ſo haben wir, anderer Aufklärungen zu geſchweigen, bereits viel ge- wonnen; denn die Handlungen der Menſchen ſind im Einklang mit ihrem Sein.
„Ein Teint wie Lilien und Roſen“ ſchreibt Schulenburg und
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Allgemeinen, beſtimmtere Farben und plaſtiſchere Geſtaltung geſetzt
zu haben.
Denn die „Frau v. Wreech-Literatur“ (wenn man dieſen
Ausdruck geſtatten will) war bisher eine ziemlich kümmerliche, und
die Zuſammenſtellung alles deſſen, was man wußte, hatte auf
einem Quartblatt Platz. Es waren eigentlich nur zwei Brief-Ci-
tate, von denen das eine Citat einem Briefe des Grafen Schu-
lenburg (wenn ich nicht irre, an Grumbkow), das andere Citat
einem Briefe Grumbkows an Seckendorf entnommen war. Beide
Citate unterſchieden ſich von einander dadurch, daß ſich das eine
mit der Perſönlichkeit der Frau v. Wreech, das andere mit der
Art ihres Verhältniſſes zum Kronprinzen beſchäftigte; aber beide
Briefſtellen waren äußerſt aphoriſtiſch, und während Schulenburg
meldete: „Frau v. Wreech ſei ſehr ſchön und habe einen Roſen-
und Lilien-Teint,“ ſprach Grumbkow von einer „ſtarken amour,“
in die der Prinz verfallen ſei, und fügte einige derbe Worte hin-
zu, die der König, gewiſſermaßen in Billigung und Gutheißung
des Verhältniſſes, geäußert haben ſollte. Dies iſt Alles. Wohl
ſprechen die diplomatiſchen Klatſch-Briefe, die damals mit wichtig-
ſter Miene hin- und hergeſchrieben wurden, von allerhand „De-
bauchen,“ in die der Prinz verfallen ſei, dieſer Ausdruck aber be-
zieht ſich erſichtlich nur auf ſein Küſtriner Leben und nicht auf
ſeine Tamſeler Beſuche. Ja, ich möchte weiter gehen und die Be-
hauptung wagen, daß Tamſel damals die Kehrſeite, der Gegen-
ſatz von dem Küſtriner Leben geweſen ſei, ganz geeignet, durch
Sitte, Feinheit und Anſtand ein Leben wieder zu reguliren, das
ſolcher Regulatoren allerdings dringend bedürftig war.
Auch wir heute, geſtützt auf die Briefe des Kronprinzen, be-
ſchäftigen uns zunächſt mit der Perſönlichkeit und dem Cha-
rakter der Frau v. Wreech. Haben wir dieſe beiden feſtgeſtellt, ſo
haben wir, anderer Aufklärungen zu geſchweigen, bereits viel ge-
wonnen; denn die Handlungen der Menſchen ſind im Einklang
mit ihrem Sein.
„Ein Teint wie Lilien und Roſen“ ſchreibt Schulenburg und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/57>, abgerufen am 23.11.2024.
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