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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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ster die Ueberzeugung verschafft, daß das Ganze die Huldigung
eines etwas verliebten, poetisirenden jungen Prinzen war, --
eine Huldigung, die, mal leichter mal leidenschaftlicher auftretend,
von Frau von Wreech halb als eine Zerstreuung, eine Ehre, eine
Schmeichelei, aber halb auch als eine Last entgegen genommen wurde.

Dem entsprechend war denn auch wohl das Verhältniß, das
zwischen Frau von Wreech und Kronprinz Friedrich, diesem glän-
zenden Typus eines jungen poetisirenden Berliners, ins Leben
trat. Die blendende Schönheit, der sinnliche Reiz der jungen Frau
gaben diesen Beziehungen im Laufe der Wochen und Monate eine
andere Färbung; es kamen leidenschaftliche Stunden, aber sie
kamen doch nur wie Anfälle und ließen im Wesentlichen das auf
ästhetischen Interessen aufgeführte Verhältniß fortbestehen. Es war
das geistreiche Bedürfniß, das immer wieder nach Tamsel
hindrängte; der Esprit der Küstriner Garnisons-Offiziere reichte
nicht aus, ihr Verständniß für Verse war vollends zweifelhaft,
und so sehen wir denn die Correspondenz nach Tamsel hin nicht
nur von zahlreichen Poetereien, wie Oden, Stanzen, Hymnen,
Sonetten etc., beständig begleitet, sondern auch die Briefe selbst,
zumal den vorletzten, in jener halb ironischen, halb humoristischen
Weise abgefaßt, die sich immer da einstellt, wo junge Männer dem
Zuge nicht widerstehen können, jeden Brief auch zugleich als eine
kleine literarische That, als eine Anhäufung origineller Gedanken,
oder als eine witzig-geistvolle Beschreibung in die Welt zu senden.

Den ersten Brief des Kronprinzen, der übrigens in esprit-
voller Weise die Correspondenz eröffnet, übergeh' ich hier; ich be-
ginne mit dem zweiten, worin der junge Poet, dem nichts so sehr am
Herzen liegt, als das Schicksal seiner Verse, unverkennbar hervortritt.

"Madame, so schreibt er, die Heuschrecken, die das Land ver-
wüsten, haben die Rücksicht genommen, Ihre Besitzungen und Län-
dereien zu verschonen. Ein zahlloses Heer viel schlimmerer und ge-
fährlicherer Insekten indeß steht auf dem Punkt, sich bei Ihnen
niederzulassen, und nicht zufrieden damit, das Land zu zerstören,
haben diese Geflügelten die Dreistigkeit, Sie persönlich und in

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ſter die Ueberzeugung verſchafft, daß das Ganze die Huldigung
eines etwas verliebten, poetiſirenden jungen Prinzen war, —
eine Huldigung, die, mal leichter mal leidenſchaftlicher auftretend,
von Frau von Wreech halb als eine Zerſtreuung, eine Ehre, eine
Schmeichelei, aber halb auch als eine Laſt entgegen genommen wurde.

Dem entſprechend war denn auch wohl das Verhältniß, das
zwiſchen Frau von Wreech und Kronprinz Friedrich, dieſem glän-
zenden Typus eines jungen poetiſirenden Berliners, ins Leben
trat. Die blendende Schönheit, der ſinnliche Reiz der jungen Frau
gaben dieſen Beziehungen im Laufe der Wochen und Monate eine
andere Färbung; es kamen leidenſchaftliche Stunden, aber ſie
kamen doch nur wie Anfälle und ließen im Weſentlichen das auf
äſthetiſchen Intereſſen aufgeführte Verhältniß fortbeſtehen. Es war
das geiſtreiche Bedürfniß, das immer wieder nach Tamſel
hindrängte; der Eſprit der Küſtriner Garniſons-Offiziere reichte
nicht aus, ihr Verſtändniß für Verſe war vollends zweifelhaft,
und ſo ſehen wir denn die Correſpondenz nach Tamſel hin nicht
nur von zahlreichen Poetereien, wie Oden, Stanzen, Hymnen,
Sonetten ꝛc., beſtändig begleitet, ſondern auch die Briefe ſelbſt,
zumal den vorletzten, in jener halb ironiſchen, halb humoriſtiſchen
Weiſe abgefaßt, die ſich immer da einſtellt, wo junge Männer dem
Zuge nicht widerſtehen können, jeden Brief auch zugleich als eine
kleine literariſche That, als eine Anhäufung origineller Gedanken,
oder als eine witzig-geiſtvolle Beſchreibung in die Welt zu ſenden.

Den erſten Brief des Kronprinzen, der übrigens in eſprit-
voller Weiſe die Correſpondenz eröffnet, übergeh’ ich hier; ich be-
ginne mit dem zweiten, worin der junge Poet, dem nichts ſo ſehr am
Herzen liegt, als das Schickſal ſeiner Verſe, unverkennbar hervortritt.

„Madame, ſo ſchreibt er, die Heuſchrecken, die das Land ver-
wüſten, haben die Rückſicht genommen, Ihre Beſitzungen und Län-
dereien zu verſchonen. Ein zahlloſes Heer viel ſchlimmerer und ge-
fährlicherer Inſekten indeß ſteht auf dem Punkt, ſich bei Ihnen
niederzulaſſen, und nicht zufrieden damit, das Land zu zerſtören,
haben dieſe Geflügelten die Dreiſtigkeit, Sie perſönlich und in

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[49/0061] ſter die Ueberzeugung verſchafft, daß das Ganze die Huldigung eines etwas verliebten, poetiſirenden jungen Prinzen war, — eine Huldigung, die, mal leichter mal leidenſchaftlicher auftretend, von Frau von Wreech halb als eine Zerſtreuung, eine Ehre, eine Schmeichelei, aber halb auch als eine Laſt entgegen genommen wurde. Dem entſprechend war denn auch wohl das Verhältniß, das zwiſchen Frau von Wreech und Kronprinz Friedrich, dieſem glän- zenden Typus eines jungen poetiſirenden Berliners, ins Leben trat. Die blendende Schönheit, der ſinnliche Reiz der jungen Frau gaben dieſen Beziehungen im Laufe der Wochen und Monate eine andere Färbung; es kamen leidenſchaftliche Stunden, aber ſie kamen doch nur wie Anfälle und ließen im Weſentlichen das auf äſthetiſchen Intereſſen aufgeführte Verhältniß fortbeſtehen. Es war das geiſtreiche Bedürfniß, das immer wieder nach Tamſel hindrängte; der Eſprit der Küſtriner Garniſons-Offiziere reichte nicht aus, ihr Verſtändniß für Verſe war vollends zweifelhaft, und ſo ſehen wir denn die Correſpondenz nach Tamſel hin nicht nur von zahlreichen Poetereien, wie Oden, Stanzen, Hymnen, Sonetten ꝛc., beſtändig begleitet, ſondern auch die Briefe ſelbſt, zumal den vorletzten, in jener halb ironiſchen, halb humoriſtiſchen Weiſe abgefaßt, die ſich immer da einſtellt, wo junge Männer dem Zuge nicht widerſtehen können, jeden Brief auch zugleich als eine kleine literariſche That, als eine Anhäufung origineller Gedanken, oder als eine witzig-geiſtvolle Beſchreibung in die Welt zu ſenden. Den erſten Brief des Kronprinzen, der übrigens in eſprit- voller Weiſe die Correſpondenz eröffnet, übergeh’ ich hier; ich be- ginne mit dem zweiten, worin der junge Poet, dem nichts ſo ſehr am Herzen liegt, als das Schickſal ſeiner Verſe, unverkennbar hervortritt. „Madame, ſo ſchreibt er, die Heuſchrecken, die das Land ver- wüſten, haben die Rückſicht genommen, Ihre Beſitzungen und Län- dereien zu verſchonen. Ein zahlloſes Heer viel ſchlimmerer und ge- fährlicherer Inſekten indeß ſteht auf dem Punkt, ſich bei Ihnen niederzulaſſen, und nicht zufrieden damit, das Land zu zerſtören, haben dieſe Geflügelten die Dreiſtigkeit, Sie perſönlich und in 4

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/61>, abgerufen am 23.11.2024.