Ihrem eigenen Schlosse zu überfallen. Diese Geflügelten führen den Namen Verse, sind Sechsfüßler, haben scharfe Zähne und einen langgestreckten Körper, dazu eine gewisse Kadenz, die genau genommen ihr Grundprincip ist und ihnen das Leben giebt. Es ist eine böse Race, jüngst vom Parnaß angekommen, wo sie der gute Geschmack nicht länger dulden wollte. Ein gleiches Schicksal wird ihrer in Tamsel harren. Wie immer dem sein möge, ich freue mich, daß Apollo sich aufgerafft hat, um seinen Musenberg von der Spreu der unächten Poeten zu säubern. Sein Staub- besen hat gründlich aufgeräumt. Ich selbst freilich bin unter den zumeist Getroffenen, aber ich verzeihe alles, verzeihe es um so lie- ber, als ich sehr wohl weiß, daß überall da, wo das Böse seine Strafe, auch das Gute seinen Lohn erhält. Sie, Madame, wer- den diesen Lohn empfangen und ich bitte Sie dann um Ihr aller- gnädigstes Fürwort. Sagen Sie dem Apoll, daß er als Direc- teur der Künste und Wissenschaften eigentlich doch zu grob operirt und mich kaum noch als einen Mann von Ehre behandelt habe. Bitte, sagen Sie ihm ferner, daß es eigentlich nur ein Mittel gäbe, solche Züchtigungen und Backenstreiche erträglich zu machen, nämlich die Stiftung eines Ordens vom schlechten Reim. Willigt er darin, so kann er uns von da ab treffen, wie er will, wir werden es ruhig und dankbar hinnehmen -- Ritter, die wir dann sind."
So der Brief. Der Kronprinz hat in den ersten Zeilen des- selben ein ganzes Heer von Versen angekündigt, Sechsfüßler mit scharfen Zähnen und langgestrecktem Körper, und diese Verse, die dem Briefe beiliegen, so wie andere, die folgten, beschäftigen uns jetzt. Alle diese Verse theilen sich in zwei Gruppen, in solche, die in directer Huldigung gegen die schöne Frau geschrieben, und solche, die ihr bloß zur Kritik, muthmaßlich zur mildestdenkbaren, vorgelegt wurden.
Eine Ode, an Frau von Wreech gerichtet, eröffnet den Rei- gen. Man muß es damals mit den Gattungs-Eintheilungen und den demgemäßen Ueberschriften nicht sehr genau genommen haben,
Ihrem eigenen Schloſſe zu überfallen. Dieſe Geflügelten führen den Namen Verſe, ſind Sechsfüßler, haben ſcharfe Zähne und einen langgeſtreckten Körper, dazu eine gewiſſe Kadenz, die genau genommen ihr Grundprincip iſt und ihnen das Leben giebt. Es iſt eine böſe Race, jüngſt vom Parnaß angekommen, wo ſie der gute Geſchmack nicht länger dulden wollte. Ein gleiches Schickſal wird ihrer in Tamſel harren. Wie immer dem ſein möge, ich freue mich, daß Apollo ſich aufgerafft hat, um ſeinen Muſenberg von der Spreu der unächten Poeten zu ſäubern. Sein Staub- beſen hat gründlich aufgeräumt. Ich ſelbſt freilich bin unter den zumeiſt Getroffenen, aber ich verzeihe alles, verzeihe es um ſo lie- ber, als ich ſehr wohl weiß, daß überall da, wo das Böſe ſeine Strafe, auch das Gute ſeinen Lohn erhält. Sie, Madame, wer- den dieſen Lohn empfangen und ich bitte Sie dann um Ihr aller- gnädigſtes Fürwort. Sagen Sie dem Apoll, daß er als Direc- teur der Künſte und Wiſſenſchaften eigentlich doch zu grob operirt und mich kaum noch als einen Mann von Ehre behandelt habe. Bitte, ſagen Sie ihm ferner, daß es eigentlich nur ein Mittel gäbe, ſolche Züchtigungen und Backenſtreiche erträglich zu machen, nämlich die Stiftung eines Ordens vom ſchlechten Reim. Willigt er darin, ſo kann er uns von da ab treffen, wie er will, wir werden es ruhig und dankbar hinnehmen — Ritter, die wir dann ſind.“
So der Brief. Der Kronprinz hat in den erſten Zeilen deſ- ſelben ein ganzes Heer von Verſen angekündigt, Sechsfüßler mit ſcharfen Zähnen und langgeſtrecktem Körper, und dieſe Verſe, die dem Briefe beiliegen, ſo wie andere, die folgten, beſchäftigen uns jetzt. Alle dieſe Verſe theilen ſich in zwei Gruppen, in ſolche, die in directer Huldigung gegen die ſchöne Frau geſchrieben, und ſolche, die ihr bloß zur Kritik, muthmaßlich zur mildeſtdenkbaren, vorgelegt wurden.
Eine Ode, an Frau von Wreech gerichtet, eröffnet den Rei- gen. Man muß es damals mit den Gattungs-Eintheilungen und den demgemäßen Ueberſchriften nicht ſehr genau genommen haben,
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Ihrem eigenen Schloſſe zu überfallen. Dieſe Geflügelten führen
den Namen Verſe, ſind Sechsfüßler, haben ſcharfe Zähne und
einen langgeſtreckten Körper, dazu eine gewiſſe Kadenz, die genau
genommen ihr Grundprincip iſt und ihnen das Leben giebt. Es
iſt eine böſe Race, jüngſt vom Parnaß angekommen, wo ſie der
gute Geſchmack nicht länger dulden wollte. Ein gleiches Schickſal
wird ihrer in Tamſel harren. Wie immer dem ſein möge, ich
freue mich, daß Apollo ſich aufgerafft hat, um ſeinen Muſenberg
von der Spreu der unächten Poeten zu ſäubern. Sein Staub-
beſen hat gründlich aufgeräumt. Ich ſelbſt freilich bin unter den
zumeiſt Getroffenen, aber ich verzeihe alles, verzeihe es um ſo lie-
ber, als ich ſehr wohl weiß, daß überall da, wo das Böſe ſeine
Strafe, auch das Gute ſeinen Lohn erhält. Sie, Madame, wer-
den dieſen Lohn empfangen und ich bitte Sie dann um Ihr aller-
gnädigſtes Fürwort. Sagen Sie dem Apoll, daß er als Direc-
teur der Künſte und Wiſſenſchaften eigentlich doch zu grob operirt
und mich kaum noch als einen Mann von Ehre behandelt habe.
Bitte, ſagen Sie ihm ferner, daß es eigentlich nur ein Mittel
gäbe, ſolche Züchtigungen und Backenſtreiche erträglich zu machen,
nämlich die Stiftung eines Ordens vom ſchlechten Reim.
Willigt er darin, ſo kann er uns von da ab treffen, wie er will,
wir werden es ruhig und dankbar hinnehmen — Ritter, die wir
dann ſind.“
So der Brief. Der Kronprinz hat in den erſten Zeilen deſ-
ſelben ein ganzes Heer von Verſen angekündigt, Sechsfüßler mit
ſcharfen Zähnen und langgeſtrecktem Körper, und dieſe Verſe, die
dem Briefe beiliegen, ſo wie andere, die folgten, beſchäftigen uns
jetzt. Alle dieſe Verſe theilen ſich in zwei Gruppen, in ſolche, die
in directer Huldigung gegen die ſchöne Frau geſchrieben, und
ſolche, die ihr bloß zur Kritik, muthmaßlich zur mildeſtdenkbaren,
vorgelegt wurden.
Eine Ode, an Frau von Wreech gerichtet, eröffnet den Rei-
gen. Man muß es damals mit den Gattungs-Eintheilungen und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/62>, abgerufen am 23.11.2024.
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