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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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denn er liebte mich zu sehr und brachte mich oft zur Verzweiflung
mit seiner unbequemen Liebe."

Diese Worte, die fast wie ein Resume klingen, sind mir als
besonders charakteristisch erschienen. Ende Februar verließ der Kron-
prinz Küstrin, um nicht mehr (es sei denn auf ein paar Tage
im März oder April) dahin zurückzukehren. --

Die Jahre gingen; andere Zeiten kamen. Das Verhältniß,
das einen Winter lang so viel Trost und Freude im Geleite ge-
habt hatte, schien todt, schien vergessen; erst 26 Jahre später sehen
wir den Kronprinzen, nun König Friedrich, der mit seinem
Ruhme die Welt erfüllt hat, noch einmal wieder in Tamsel, und
noch einmal sitzt er nieder, um an Frau von Wreech zu schreiben.

Aber wie anders sieht ihn jetzt Tamsel an! Es ist am
30. August 1758, fünf Tage nach der Schlacht bei Zorndorf. Das
Schloß ist von den Russen ausgeplündert, alle Bewohner sind
geflohen, der zurückgebliebene Lehrer der Wreech'schen Kinder liegt
erschlagen im Park, Alles ist wüst, öde, halb verbrannt; mit
Mühe wird ein Tisch herbeigeschafft, an dem es möglich ist, zu
schreiben. Der König, so oft lieblos gescholten, gedenkt jetzt ent-
schwundener Tage, alter Liebe, alter Pflicht, und Angesichts der
Zerstörung, die sein Herz an diesem Orte doppelt schmerzlich
trifft, schreibt er noch einmal an Frau von Wreech. Keine Verse
sind eingeschlossen, aber ein Besseres hat er sich in der Schule
des Lebens erobert -- ein ächtes Gefühl. Der Brief selbst aber
lautet:

"Madame! Ich habe mich nach der Schlacht vom 25. hier-
her begeben und eine volle Zerstörung an diesem Orte vorgefun-
den. Sie mögen versichert sein, daß ich alles nur Mögliche thun
werde, um zu retten, was noch zu retten ist. Meine Armee hat
sich genöthigt gesehen, hier in Tamsel zu fouragiren, und wenn
freilich die verdrießliche Lage, in der ich mich befinde, es ganz
unmöglich macht, für all' den Schaden aufzukommen, den die
Feinde (vor mir) hier angerichtet haben, so will ich wenigstens
nicht, daß von mir es heiße, ich hätte zum Ruin von Personen

denn er liebte mich zu ſehr und brachte mich oft zur Verzweiflung
mit ſeiner unbequemen Liebe.“

Dieſe Worte, die faſt wie ein Reſumé klingen, ſind mir als
beſonders charakteriſtiſch erſchienen. Ende Februar verließ der Kron-
prinz Küſtrin, um nicht mehr (es ſei denn auf ein paar Tage
im März oder April) dahin zurückzukehren. —

Die Jahre gingen; andere Zeiten kamen. Das Verhältniß,
das einen Winter lang ſo viel Troſt und Freude im Geleite ge-
habt hatte, ſchien todt, ſchien vergeſſen; erſt 26 Jahre ſpäter ſehen
wir den Krónprinzen, nun König Friedrich, der mit ſeinem
Ruhme die Welt erfüllt hat, noch einmal wieder in Tamſel, und
noch einmal ſitzt er nieder, um an Frau von Wreech zu ſchreiben.

Aber wie anders ſieht ihn jetzt Tamſel an! Es iſt am
30. Auguſt 1758, fünf Tage nach der Schlacht bei Zorndorf. Das
Schloß iſt von den Ruſſen ausgeplündert, alle Bewohner ſind
geflohen, der zurückgebliebene Lehrer der Wreech’ſchen Kinder liegt
erſchlagen im Park, Alles iſt wüſt, öde, halb verbrannt; mit
Mühe wird ein Tiſch herbeigeſchafft, an dem es möglich iſt, zu
ſchreiben. Der König, ſo oft lieblos geſcholten, gedenkt jetzt ent-
ſchwundener Tage, alter Liebe, alter Pflicht, und Angeſichts der
Zerſtörung, die ſein Herz an dieſem Orte doppelt ſchmerzlich
trifft, ſchreibt er noch einmal an Frau von Wreech. Keine Verſe
ſind eingeſchloſſen, aber ein Beſſeres hat er ſich in der Schule
des Lebens erobert — ein ächtes Gefühl. Der Brief ſelbſt aber
lautet:

„Madame! Ich habe mich nach der Schlacht vom 25. hier-
her begeben und eine volle Zerſtörung an dieſem Orte vorgefun-
den. Sie mögen verſichert ſein, daß ich alles nur Mögliche thun
werde, um zu retten, was noch zu retten iſt. Meine Armee hat
ſich genöthigt geſehen, hier in Tamſel zu fouragiren, und wenn
freilich die verdrießliche Lage, in der ich mich befinde, es ganz
unmöglich macht, für all’ den Schaden aufzukommen, den die
Feinde (vor mir) hier angerichtet haben, ſo will ich wenigſtens
nicht, daß von mir es heiße, ich hätte zum Ruin von Perſonen

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[55/0067] denn er liebte mich zu ſehr und brachte mich oft zur Verzweiflung mit ſeiner unbequemen Liebe.“ Dieſe Worte, die faſt wie ein Reſumé klingen, ſind mir als beſonders charakteriſtiſch erſchienen. Ende Februar verließ der Kron- prinz Küſtrin, um nicht mehr (es ſei denn auf ein paar Tage im März oder April) dahin zurückzukehren. — Die Jahre gingen; andere Zeiten kamen. Das Verhältniß, das einen Winter lang ſo viel Troſt und Freude im Geleite ge- habt hatte, ſchien todt, ſchien vergeſſen; erſt 26 Jahre ſpäter ſehen wir den Krónprinzen, nun König Friedrich, der mit ſeinem Ruhme die Welt erfüllt hat, noch einmal wieder in Tamſel, und noch einmal ſitzt er nieder, um an Frau von Wreech zu ſchreiben. Aber wie anders ſieht ihn jetzt Tamſel an! Es iſt am 30. Auguſt 1758, fünf Tage nach der Schlacht bei Zorndorf. Das Schloß iſt von den Ruſſen ausgeplündert, alle Bewohner ſind geflohen, der zurückgebliebene Lehrer der Wreech’ſchen Kinder liegt erſchlagen im Park, Alles iſt wüſt, öde, halb verbrannt; mit Mühe wird ein Tiſch herbeigeſchafft, an dem es möglich iſt, zu ſchreiben. Der König, ſo oft lieblos geſcholten, gedenkt jetzt ent- ſchwundener Tage, alter Liebe, alter Pflicht, und Angeſichts der Zerſtörung, die ſein Herz an dieſem Orte doppelt ſchmerzlich trifft, ſchreibt er noch einmal an Frau von Wreech. Keine Verſe ſind eingeſchloſſen, aber ein Beſſeres hat er ſich in der Schule des Lebens erobert — ein ächtes Gefühl. Der Brief ſelbſt aber lautet: „Madame! Ich habe mich nach der Schlacht vom 25. hier- her begeben und eine volle Zerſtörung an dieſem Orte vorgefun- den. Sie mögen verſichert ſein, daß ich alles nur Mögliche thun werde, um zu retten, was noch zu retten iſt. Meine Armee hat ſich genöthigt geſehen, hier in Tamſel zu fouragiren, und wenn freilich die verdrießliche Lage, in der ich mich befinde, es ganz unmöglich macht, für all’ den Schaden aufzukommen, den die Feinde (vor mir) hier angerichtet haben, ſo will ich wenigſtens nicht, daß von mir es heiße, ich hätte zum Ruin von Perſonen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/67>, abgerufen am 23.11.2024.