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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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beigetragen, denen gegenüber ich die Pflicht, sie glücklich zu ma-
chen, in einem besondern Grade empfinde. Ich halte es für mög-
lich, daß es Ihnen selbst, Madame, eben jetzt am Nothwendigsten
gebricht, und diese Erwägung ist es, die mich bestimmt, auf der
Stelle die Vergütigung alles dessen anzuordnen, was unsere Fou-
ragirungen Ihnen gekostet haben. Ich hoffe, daß Sie diese Aus-
zeichnung als ein Zeichen jener Werthschätzung entgegennehmen
werden, in der ich verharre als Ihr wohlgewogener Freund
Friedrich."

Frau von Wreech empfing diesen Brief am selben Tage noch,
woraus sich schließen läßt, daß sie auf einem der benachbarten
Güter Zuflucht gesucht hatte, denn dem Briefe sind von der Hand
der Empfängerin die Worte hinzugefügt: "Empfangen am 30. Au-
gust 1758, in demselben Jahre, in dem ich Alles verlor, das ich
mein nannte" -- oder wie es im Originale heißt: "L'annee ou
j'ai perdu tout ce que j'avais dans le monde pour vivre."

Diese Worte der Frau von Wreech sind charakteristischer, als
sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. Der Brief des Königs
hatte zweifellos den Zweck, ein Trostbrief zu sein; der Ausdruck
seiner Theilnahme, seine Zusage für alles das aufkommen zu wol-
len, was die Verpflegung seiner Truppen gekostet hatte, alles
das bezeugte genugsam, daß er trösten, aufrichten wollte, aufrich-
ten vor allem auch durch die Aufmerksamkeit (er deutet es selber
an), die allein schon in der Thatsache lag, daß er unter solchen
Umständen schrieb. Frau von Wreech aber, unter dem Druck un-
bestreitbar schwerer Sorgen, scheint (unberührt fast von dem In-
halt jenes Briefes) nur dem einen niederdrückenden und bitteren
Gedanken gelebt zu haben: Ich war reich und bin nun arm, ich
konnte geben und helfen und bin nun selber hülfebedürftig.

Es würde gewagt sein, aus der kurzen Notiz: "das Jahr,
in dem ich Alles verlor, was ich mein nannte," so weit gehende
Schlüsse auf die damalige Stimmung der Frau von Wreech ziehen
zu wollen, wenn nicht die Correspondenz, die sich nun (also 26
Jahre nach jenem ersten Briefwechsel) zwischen Jugendfreund und

beigetragen, denen gegenüber ich die Pflicht, ſie glücklich zu ma-
chen, in einem beſondern Grade empfinde. Ich halte es für mög-
lich, daß es Ihnen ſelbſt, Madame, eben jetzt am Nothwendigſten
gebricht, und dieſe Erwägung iſt es, die mich beſtimmt, auf der
Stelle die Vergütigung alles deſſen anzuordnen, was unſere Fou-
ragirungen Ihnen gekoſtet haben. Ich hoffe, daß Sie dieſe Aus-
zeichnung als ein Zeichen jener Werthſchätzung entgegennehmen
werden, in der ich verharre als Ihr wohlgewogener Freund
Friedrich.“

Frau von Wreech empfing dieſen Brief am ſelben Tage noch,
woraus ſich ſchließen läßt, daß ſie auf einem der benachbarten
Güter Zuflucht geſucht hatte, denn dem Briefe ſind von der Hand
der Empfängerin die Worte hinzugefügt: „Empfangen am 30. Au-
guſt 1758, in demſelben Jahre, in dem ich Alles verlor, das ich
mein nannte“ — oder wie es im Originale heißt: „L’année où
j’ai perdu tout ce que j’avais dans le monde pour vivre.“

Dieſe Worte der Frau von Wreech ſind charakteriſtiſcher, als
ſie auf den erſten Blick erſcheinen mögen. Der Brief des Königs
hatte zweifellos den Zweck, ein Troſtbrief zu ſein; der Ausdruck
ſeiner Theilnahme, ſeine Zuſage für alles das aufkommen zu wol-
len, was die Verpflegung ſeiner Truppen gekoſtet hatte, alles
das bezeugte genugſam, daß er tröſten, aufrichten wollte, aufrich-
ten vor allem auch durch die Aufmerkſamkeit (er deutet es ſelber
an), die allein ſchon in der Thatſache lag, daß er unter ſolchen
Umſtänden ſchrieb. Frau von Wreech aber, unter dem Druck un-
beſtreitbar ſchwerer Sorgen, ſcheint (unberührt faſt von dem In-
halt jenes Briefes) nur dem einen niederdrückenden und bitteren
Gedanken gelebt zu haben: Ich war reich und bin nun arm, ich
konnte geben und helfen und bin nun ſelber hülfebedürftig.

Es würde gewagt ſein, aus der kurzen Notiz: „das Jahr,
in dem ich Alles verlor, was ich mein nannte,“ ſo weit gehende
Schlüſſe auf die damalige Stimmung der Frau von Wreech ziehen
zu wollen, wenn nicht die Correſpondenz, die ſich nun (alſo 26
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[56/0068] beigetragen, denen gegenüber ich die Pflicht, ſie glücklich zu ma- chen, in einem beſondern Grade empfinde. Ich halte es für mög- lich, daß es Ihnen ſelbſt, Madame, eben jetzt am Nothwendigſten gebricht, und dieſe Erwägung iſt es, die mich beſtimmt, auf der Stelle die Vergütigung alles deſſen anzuordnen, was unſere Fou- ragirungen Ihnen gekoſtet haben. Ich hoffe, daß Sie dieſe Aus- zeichnung als ein Zeichen jener Werthſchätzung entgegennehmen werden, in der ich verharre als Ihr wohlgewogener Freund Friedrich.“ Frau von Wreech empfing dieſen Brief am ſelben Tage noch, woraus ſich ſchließen läßt, daß ſie auf einem der benachbarten Güter Zuflucht geſucht hatte, denn dem Briefe ſind von der Hand der Empfängerin die Worte hinzugefügt: „Empfangen am 30. Au- guſt 1758, in demſelben Jahre, in dem ich Alles verlor, das ich mein nannte“ — oder wie es im Originale heißt: „L’année où j’ai perdu tout ce que j’avais dans le monde pour vivre.“ Dieſe Worte der Frau von Wreech ſind charakteriſtiſcher, als ſie auf den erſten Blick erſcheinen mögen. Der Brief des Königs hatte zweifellos den Zweck, ein Troſtbrief zu ſein; der Ausdruck ſeiner Theilnahme, ſeine Zuſage für alles das aufkommen zu wol- len, was die Verpflegung ſeiner Truppen gekoſtet hatte, alles das bezeugte genugſam, daß er tröſten, aufrichten wollte, aufrich- ten vor allem auch durch die Aufmerkſamkeit (er deutet es ſelber an), die allein ſchon in der Thatſache lag, daß er unter ſolchen Umſtänden ſchrieb. Frau von Wreech aber, unter dem Druck un- beſtreitbar ſchwerer Sorgen, ſcheint (unberührt faſt von dem In- halt jenes Briefes) nur dem einen niederdrückenden und bitteren Gedanken gelebt zu haben: Ich war reich und bin nun arm, ich konnte geben und helfen und bin nun ſelber hülfebedürftig. Es würde gewagt ſein, aus der kurzen Notiz: „das Jahr, in dem ich Alles verlor, was ich mein nannte,“ ſo weit gehende Schlüſſe auf die damalige Stimmung der Frau von Wreech ziehen zu wollen, wenn nicht die Correſpondenz, die ſich nun (alſo 26 Jahre nach jenem erſten Briefwechſel) zwiſchen Jugendfreund und

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/68>, abgerufen am 23.11.2024.