Jugendfreundin entspann, keinen Zweifel darüber ließe, welche Em- pfindungen damals beinah ausschließlich das Herz der freilich schwer heimgesuchten Frau erfüllten; und wenn die Jugendbriefe des Kronprinzen uns ungleich mehr mit der Empfängerin in Tam- sel als mit dem Küstriner Verfasser sympathisiren ließen, wendet sich nun das Blatt und der König kommt zu seinem Recht.
Auch auf diese zweite Correspondenz werfen wir noch einen flüchtigen Blick. Sie besteht nur aus fünf Briefen und diese Blätter liegen neben der Jugendcorrespondenz, wie die Briefe eines Ehemannes, der sich mit Anstand zurückgezogen hat, neben dem Brief-Päckchen das er als Bräutigam geschrieben.
Aber diesen fünf Prosabriefen gebührt diesmal dennoch der Vorzug. Von verschiedenen Punkten aus datirt, wohin der Krieg den schwerbedrängten König gerade rief, von Dresden, Breslau, Leipzig aus, gereicht jeder einzelne dem Schreiber zu hoher Ehre. Aus ihrem Inhalt ergiebt sich, daß Frau von Wreech nicht müde wurde, den König zuerst um Unterstützung für die verarmten Bau- ern der Wreechschen Güter, dann um Darlehne für sich selbst zu bitten. Diese Gesuche waren sicherlich dazu angethan, die Geduld des Königs zu erschöpfen, der z. B. einen dieser Briefe im De- cember 1760, also kurz nach dem schwer erkauften Siege von Torgau und jedenfalls zu einer Zeit empfing, wo die halbe Mo- narchie ziemlich eben so verwüstet war, wie die Güter der Frau von Wreech; aber seine Antworten (nur zum Theil von ihm selbst geschrieben) verrathen nirgends Ungeduld, oder jene Schärfe und Herbe, durch die er so schwer verletzen konnte; und selbst da, wo er auf das Bestimmteste ablehnt, lehnt er nur ab, weil er muß. Er schreibt eigenhändig von Breslau aus:
"Madame, Sie stellen sich die Dinge sehr anders vor, als sie sind. Bedenken Sie, daß ich seit einem Jahre weder Gehalte noch Pensionen zahle; bedenken Sie, daß mir Provinzen fehlen, daß andere verwüstet sind; denken Sie an die enormen Anstren- gungen, die ich machen muß, und Sie werden einsehen, daß meine Ablehnung nur in der völligen Unfähigkeit ihren Grund hat, Ih-
Jugendfreundin entſpann, keinen Zweifel darüber ließe, welche Em- pfindungen damals beinah ausſchließlich das Herz der freilich ſchwer heimgeſuchten Frau erfüllten; und wenn die Jugendbriefe des Kronprinzen uns ungleich mehr mit der Empfängerin in Tam- ſel als mit dem Küſtriner Verfaſſer ſympathiſiren ließen, wendet ſich nun das Blatt und der König kommt zu ſeinem Recht.
Auch auf dieſe zweite Correſpondenz werfen wir noch einen flüchtigen Blick. Sie beſteht nur aus fünf Briefen und dieſe Blätter liegen neben der Jugendcorreſpondenz, wie die Briefe eines Ehemannes, der ſich mit Anſtand zurückgezogen hat, neben dem Brief-Päckchen das er als Bräutigam geſchrieben.
Aber dieſen fünf Proſabriefen gebührt diesmal dennoch der Vorzug. Von verſchiedenen Punkten aus datirt, wohin der Krieg den ſchwerbedrängten König gerade rief, von Dresden, Breslau, Leipzig aus, gereicht jeder einzelne dem Schreiber zu hoher Ehre. Aus ihrem Inhalt ergiebt ſich, daß Frau von Wreech nicht müde wurde, den König zuerſt um Unterſtützung für die verarmten Bau- ern der Wreechſchen Güter, dann um Darlehne für ſich ſelbſt zu bitten. Dieſe Geſuche waren ſicherlich dazu angethan, die Geduld des Königs zu erſchöpfen, der z. B. einen dieſer Briefe im De- cember 1760, alſo kurz nach dem ſchwer erkauften Siege von Torgau und jedenfalls zu einer Zeit empfing, wo die halbe Mo- narchie ziemlich eben ſo verwüſtet war, wie die Güter der Frau von Wreech; aber ſeine Antworten (nur zum Theil von ihm ſelbſt geſchrieben) verrathen nirgends Ungeduld, oder jene Schärfe und Herbe, durch die er ſo ſchwer verletzen konnte; und ſelbſt da, wo er auf das Beſtimmteſte ablehnt, lehnt er nur ab, weil er muß. Er ſchreibt eigenhändig von Breslau aus:
„Madame, Sie ſtellen ſich die Dinge ſehr anders vor, als ſie ſind. Bedenken Sie, daß ich ſeit einem Jahre weder Gehalte noch Penſionen zahle; bedenken Sie, daß mir Provinzen fehlen, daß andere verwüſtet ſind; denken Sie an die enormen Anſtren- gungen, die ich machen muß, und Sie werden einſehen, daß meine Ablehnung nur in der völligen Unfähigkeit ihren Grund hat, Ih-
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Jugendfreundin entſpann, keinen Zweifel darüber ließe, welche Em-
pfindungen damals beinah ausſchließlich das Herz der freilich
ſchwer heimgeſuchten Frau erfüllten; und wenn die Jugendbriefe
des Kronprinzen uns ungleich mehr mit der Empfängerin in Tam-
ſel als mit dem Küſtriner Verfaſſer ſympathiſiren ließen, wendet
ſich nun das Blatt und der König kommt zu ſeinem Recht.
Auch auf dieſe zweite Correſpondenz werfen wir noch einen
flüchtigen Blick. Sie beſteht nur aus fünf Briefen und dieſe
Blätter liegen neben der Jugendcorreſpondenz, wie die Briefe eines
Ehemannes, der ſich mit Anſtand zurückgezogen hat, neben dem
Brief-Päckchen das er als Bräutigam geſchrieben.
Aber dieſen fünf Proſabriefen gebührt diesmal dennoch der
Vorzug. Von verſchiedenen Punkten aus datirt, wohin der Krieg
den ſchwerbedrängten König gerade rief, von Dresden, Breslau,
Leipzig aus, gereicht jeder einzelne dem Schreiber zu hoher Ehre.
Aus ihrem Inhalt ergiebt ſich, daß Frau von Wreech nicht müde
wurde, den König zuerſt um Unterſtützung für die verarmten Bau-
ern der Wreechſchen Güter, dann um Darlehne für ſich ſelbſt zu
bitten. Dieſe Geſuche waren ſicherlich dazu angethan, die Geduld
des Königs zu erſchöpfen, der z. B. einen dieſer Briefe im De-
cember 1760, alſo kurz nach dem ſchwer erkauften Siege von
Torgau und jedenfalls zu einer Zeit empfing, wo die halbe Mo-
narchie ziemlich eben ſo verwüſtet war, wie die Güter der Frau
von Wreech; aber ſeine Antworten (nur zum Theil von ihm ſelbſt
geſchrieben) verrathen nirgends Ungeduld, oder jene Schärfe und
Herbe, durch die er ſo ſchwer verletzen konnte; und ſelbſt da, wo
er auf das Beſtimmteſte ablehnt, lehnt er nur ab, weil er muß.
Er ſchreibt eigenhändig von Breslau aus:
„Madame, Sie ſtellen ſich die Dinge ſehr anders vor, als
ſie ſind. Bedenken Sie, daß ich ſeit einem Jahre weder Gehalte
noch Penſionen zahle; bedenken Sie, daß mir Provinzen fehlen,
daß andere verwüſtet ſind; denken Sie an die enormen Anſtren-
gungen, die ich machen muß, und Sie werden einſehen, daß meine
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/69>, abgerufen am 23.11.2024.
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