Sonne glänzte. Diese Kirche (das Wesentliche ihrer äußeren Erscheinung habe ich schon beschrieben) war ihrer architektonischen Anlage nach eher schlicht als schön, mehr geräumig als präch- tig, aber das Leben und Sterben der Geschlechter, Hoffnung und Bangen, Dank und Reue hatten die weiten Räume im Lauf der Jahrhunderte belebt, und die ursprünglich kahlen Wände und Pfeiler waren unter der Buntheit der Decoration, unter dem wachsenden Einfluß von Licht und Farbe, von Reich- thum und Schmuck zu einem immer schöneren und immer impo- santeren Ganzen geworden. Seitenaltäre mit Bildern und Cruci- fixen, Nischen mit Marienbildern und ewigen Lampen (oft gestiftet, um schwere Unthat zu sühnen) zogen sich an Wand und Pfeiler hin, in den langen Seitenschiffen aber lagen die Leichensteine der Aebte, ihr Bild mit Mütze und Krummstab tief in den Stein geschnitten, während an der gewölbten Decke hin, schlanken Leibs und lächelnden Gesichts, die reichvergolde- ten Gestalten der Heiligen und Märtyrer schwebten. In einer der Seitenkapellen lag der Grabstein Abt Siebolds, den die Nahmitzer erschlagen hatten.
Einem reichen Schmuck an Bildwerken, an Erinnerungs- zeichen aller Art begegnete das Auge des Beschauers, wenn es vom Mittelpunkt der Kirche aus in die Kreuz- und Seitenschiffe niederblickte, aber die eigentliche Bedeutung von Kloster Lehnin erschloß sich ihm erst, wenn er, den Blick nach Westen hin auf- gebend, sich wandte, um, statt in das Längsschiff hernieder, in den hohen Chor hinauf zu sehn. Unmittelbar vor ihm, in den Fußboden eingelassen, sah er dann schlicht und unschein- bar den Stumpf der Eiche, unter der Markgraf Otto, der Gründer des Klosters, seinen Traum gehabt hatte; zwischen dem Stumpf und dem Altar aber lagen die Grabsteine der Aska- nier, elf an der Zahl, die hier innerhalb des Klosters, das ihr Ahnherr in's Leben gerufen, ihre letzte Ruhstatt gesucht und gefunden hatten.
Elf Askanier lagen hier, und einträchtig neben ihnen drei aus dem Hause der Hohenzollern, Friedrich mit dem Eisen-
Sonne glänzte. Dieſe Kirche (das Weſentliche ihrer äußeren Erſcheinung habe ich ſchon beſchrieben) war ihrer architektoniſchen Anlage nach eher ſchlicht als ſchön, mehr geräumig als präch- tig, aber das Leben und Sterben der Geſchlechter, Hoffnung und Bangen, Dank und Reue hatten die weiten Räume im Lauf der Jahrhunderte belebt, und die urſprünglich kahlen Wände und Pfeiler waren unter der Buntheit der Decoration, unter dem wachſenden Einfluß von Licht und Farbe, von Reich- thum und Schmuck zu einem immer ſchöneren und immer impo- ſanteren Ganzen geworden. Seitenaltäre mit Bildern und Cruci- fixen, Niſchen mit Marienbildern und ewigen Lampen (oft geſtiftet, um ſchwere Unthat zu ſühnen) zogen ſich an Wand und Pfeiler hin, in den langen Seitenſchiffen aber lagen die Leichenſteine der Aebte, ihr Bild mit Mütze und Krummſtab tief in den Stein geſchnitten, während an der gewölbten Decke hin, ſchlanken Leibs und lächelnden Geſichts, die reichvergolde- ten Geſtalten der Heiligen und Märtyrer ſchwebten. In einer der Seitenkapellen lag der Grabſtein Abt Siebolds, den die Nahmitzer erſchlagen hatten.
Einem reichen Schmuck an Bildwerken, an Erinnerungs- zeichen aller Art begegnete das Auge des Beſchauers, wenn es vom Mittelpunkt der Kirche aus in die Kreuz- und Seitenſchiffe niederblickte, aber die eigentliche Bedeutung von Kloſter Lehnin erſchloß ſich ihm erſt, wenn er, den Blick nach Weſten hin auf- gebend, ſich wandte, um, ſtatt in das Längsſchiff hernieder, in den hohen Chor hinauf zu ſehn. Unmittelbar vor ihm, in den Fußboden eingelaſſen, ſah er dann ſchlicht und unſchein- bar den Stumpf der Eiche, unter der Markgraf Otto, der Gründer des Kloſters, ſeinen Traum gehabt hatte; zwiſchen dem Stumpf und dem Altar aber lagen die Grabſteine der Aska- nier, elf an der Zahl, die hier innerhalb des Kloſters, das ihr Ahnherr in’s Leben gerufen, ihre letzte Ruhſtatt geſucht und gefunden hatten.
Elf Askanier lagen hier, und einträchtig neben ihnen drei aus dem Hauſe der Hohenzollern, Friedrich mit dem Eiſen-
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Sonne glänzte. Dieſe Kirche (das Weſentliche ihrer äußeren
Erſcheinung habe ich ſchon beſchrieben) war ihrer architektoniſchen
Anlage nach eher ſchlicht als ſchön, mehr geräumig als präch-
tig, aber das Leben und Sterben der Geſchlechter, Hoffnung
und Bangen, Dank und Reue hatten die weiten Räume im
Lauf der Jahrhunderte belebt, und die urſprünglich kahlen
Wände und Pfeiler waren unter der Buntheit der Decoration,
unter dem wachſenden Einfluß von Licht und Farbe, von Reich-
thum und Schmuck zu einem immer ſchöneren und immer impo-
ſanteren Ganzen geworden. Seitenaltäre mit Bildern und Cruci-
fixen, Niſchen mit Marienbildern und ewigen Lampen (oft
geſtiftet, um ſchwere Unthat zu ſühnen) zogen ſich an Wand
und Pfeiler hin, in den langen Seitenſchiffen aber lagen die
Leichenſteine der Aebte, ihr Bild mit Mütze und Krummſtab
tief in den Stein geſchnitten, während an der gewölbten Decke
hin, ſchlanken Leibs und lächelnden Geſichts, die reichvergolde-
ten Geſtalten der Heiligen und Märtyrer ſchwebten. In einer
der Seitenkapellen lag der Grabſtein Abt Siebolds, den die
Nahmitzer erſchlagen hatten.
Einem reichen Schmuck an Bildwerken, an Erinnerungs-
zeichen aller Art begegnete das Auge des Beſchauers, wenn es
vom Mittelpunkt der Kirche aus in die Kreuz- und Seitenſchiffe
niederblickte, aber die eigentliche Bedeutung von Kloſter Lehnin
erſchloß ſich ihm erſt, wenn er, den Blick nach Weſten hin auf-
gebend, ſich wandte, um, ſtatt in das Längsſchiff hernieder, in
den hohen Chor hinauf zu ſehn. Unmittelbar vor ihm,
in den Fußboden eingelaſſen, ſah er dann ſchlicht und unſchein-
bar den Stumpf der Eiche, unter der Markgraf Otto, der
Gründer des Kloſters, ſeinen Traum gehabt hatte; zwiſchen dem
Stumpf und dem Altar aber lagen die Grabſteine der Aska-
nier, elf an der Zahl, die hier innerhalb des Kloſters, das ihr
Ahnherr in’s Leben gerufen, ihre letzte Ruhſtatt geſucht und
gefunden hatten.
Elf Askanier lagen hier, und einträchtig neben ihnen drei
aus dem Hauſe der Hohenzollern, Friedrich mit dem Eiſen-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/123>, abgerufen am 26.11.2024.
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