Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.In Kurzem toset ein Jüngling daher, während die große Gebärerin seufzt; Aber wer wird vermögen, den zerrütteten Staat wieder herzustellen? Er wird das Banner erfassen, allein grausame Geschicke zu beklagen haben, Er will beim Wehen der Südwinde sein Leben von Festungen ver- traun. oder (nach anderer Uebersetzung): Weht es im Süden hinauf, will Leben er borgen den Klöstern. Dann (Friedrich Wilhelm II.): Welcher ihm folgt, ahmt nach die bösen Sitten der Väter, Hat nicht Kraft im Gemüth, noch eine Gottheit im Volke. Wessen Hülf' er begehrt, der wird entgegen ihm stehen, Und er im Wasser sterben, das Oberste kehrend zu unterst. Dann (Friedrich Wilhelm III.): Der Sohn wird blühen; was er nicht gehofft, wird er besitzen. Allein das Volk wird in diesen Zeiten traurig weinen; Denn es scheinen Geschicke zu kommen sonderbarer Art, Und der Fürst ahnet nicht, daß eine neue Macht im Wach- sen ist. Niemand, der vorurtheilslos an diese Dinge herantritt, er nicht. Das geistige Auge, -- dies müssen wir festhalten, -- kann
Gegenstände eben so gut übersehen wie das leibliche. Ja, es läßt sich aus dem Fehlen König Friedrich Wilhelms I. viel eher, wenigstens mittelbar, ein Beweis für den wirklich prophetischen Gehalt der Weissagung herleiten. Versucht man nämlich (wie einige gethan haben) das, was sich auf Friedrich den Großen bezieht, auf Friedrich Wilhelm I. zu deuten, so entsteht ein völliger Nonsens, und werden dadurch alle diejenigen schlagend widerlegt, die beweisen möchten, daß diese Sätze überhaupt dunkle Allgemeinheiten seien, die schließlich, bei einiger Interpretationskunst, auf jeden paßten. Man kann aber leicht die Probe machen, daß dies durchaus nicht zutrifft, und daß bestimmte Verse auch nur auf bestimmte Personen passen. In Kurzem toſet ein Jüngling daher, während die große Gebärerin ſeufzt; Aber wer wird vermögen, den zerrütteten Staat wieder herzuſtellen? Er wird das Banner erfaſſen, allein grauſame Geſchicke zu beklagen haben, Er will beim Wehen der Südwinde ſein Leben von Feſtungen ver- traun. oder (nach anderer Ueberſetzung): Weht es im Süden hinauf, will Leben er borgen den Klöſtern. Dann (Friedrich Wilhelm II.): Welcher ihm folgt, ahmt nach die böſen Sitten der Väter, Hat nicht Kraft im Gemüth, noch eine Gottheit im Volke. Weſſen Hülf’ er begehrt, der wird entgegen ihm ſtehen, Und er im Waſſer ſterben, das Oberſte kehrend zu unterſt. Dann (Friedrich Wilhelm III.): Der Sohn wird blühen; was er nicht gehofft, wird er beſitzen. Allein das Volk wird in dieſen Zeiten traurig weinen; Denn es ſcheinen Geſchicke zu kommen ſonderbarer Art, Und der Fürſt ahnet nicht, daß eine neue Macht im Wach- ſen iſt. Niemand, der vorurtheilslos an dieſe Dinge herantritt, er nicht. Das geiſtige Auge, — dies müſſen wir feſthalten, — kann
Gegenſtände eben ſo gut überſehen wie das leibliche. Ja, es läßt ſich aus dem Fehlen König Friedrich Wilhelms I. viel eher, wenigſtens mittelbar, ein Beweis für den wirklich prophetiſchen Gehalt der Weiſſagung herleiten. Verſucht man nämlich (wie einige gethan haben) das, was ſich auf Friedrich den Großen bezieht, auf Friedrich Wilhelm I. zu deuten, ſo entſteht ein völliger Nonſens, und werden dadurch alle diejenigen ſchlagend widerlegt, die beweiſen möchten, daß dieſe Sätze überhaupt dunkle Allgemeinheiten ſeien, die ſchließlich, bei einiger Interpretationskunſt, auf jeden paßten. Man kann aber leicht die Probe machen, daß dies durchaus nicht zutrifft, und daß beſtimmte Verſe auch nur auf beſtimmte Perſonen paſſen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0135" n="117"/> <lg type="poem"> <l>In Kurzem toſet ein Jüngling daher, während die große Gebärerin</l><lb/> <l>ſeufzt;</l><lb/> <l>Aber wer wird vermögen, den zerrütteten Staat wieder herzuſtellen?</l><lb/> <l>Er wird das Banner erfaſſen, allein grauſame Geſchicke zu beklagen</l><lb/> <l>haben,</l><lb/> <l>Er will beim Wehen der Südwinde ſein Leben von Feſtungen ver-</l><lb/> <l>traun.</l> </lg><lb/> <p>oder (nach anderer Ueberſetzung):</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Weht es im Süden hinauf, will Leben er borgen den Klöſtern.</l> </lg><lb/> <p>Dann (<hi rendition="#g">Friedrich Wilhelm</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi>):</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Welcher ihm folgt, ahmt nach die böſen Sitten der Väter,</l><lb/> <l>Hat nicht Kraft im Gemüth, noch eine Gottheit im Volke.</l><lb/> <l>Weſſen Hülf’ er begehrt, der wird entgegen ihm ſtehen,</l><lb/> <l>Und er im Waſſer ſterben, das Oberſte kehrend zu unterſt.</l> </lg><lb/> <p>Dann (<hi rendition="#g">Friedrich Wilhelm</hi> <hi rendition="#aq">III.</hi>):</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Der Sohn wird blühen; was er nicht gehofft, wird er beſitzen.</l><lb/> <l>Allein das Volk wird in dieſen Zeiten traurig weinen;</l><lb/> <l>Denn es ſcheinen Geſchicke zu kommen ſonderbarer Art,</l><lb/> <l>Und der Fürſt <hi rendition="#g">ahnet nicht, daß eine neue Macht im Wach-</hi></l><lb/> <l><hi rendition="#g">ſen iſt</hi>.</l> </lg><lb/> <p>Niemand, der vorurtheilslos an dieſe Dinge herantritt,<lb/> wird in Abrede ſtellen können, daß ganz ſpeciell in den letzten<lb/> 8 Zeilen Wendungen anzutreffen ſind, die von einer frappiren-<lb/> den Zutreffendheit ſind, ſo zutreffend, daß in der ganzen Weiſ-<lb/> ſagung nur eine einzige Stelle iſt, (jene 8 Zeilen, die ſich auf<lb/><note xml:id="note-0135" prev="#note-0134" place="foot" n="**)">er <hi rendition="#g">nicht</hi>. Das geiſtige Auge, — dies müſſen wir feſthalten, — kann<lb/> Gegenſtände eben ſo gut überſehen wie das leibliche. Ja, es läßt ſich<lb/> aus dem Fehlen König <hi rendition="#g">Friedrich Wilhelms</hi> <hi rendition="#aq">I.</hi> viel eher, wenigſtens<lb/> mittelbar, ein Beweis <hi rendition="#g">für</hi> den wirklich prophetiſchen Gehalt der<lb/> Weiſſagung herleiten. Verſucht man nämlich (wie einige gethan haben)<lb/> das, was ſich auf <hi rendition="#g">Friedrich den Großen</hi> bezieht, auf <hi rendition="#g">Friedrich<lb/> Wilhelm</hi> <hi rendition="#aq">I.</hi> zu deuten, ſo entſteht ein völliger Nonſens, und werden<lb/> dadurch alle diejenigen ſchlagend widerlegt, die beweiſen möchten, daß<lb/> dieſe Sätze überhaupt dunkle Allgemeinheiten ſeien, die ſchließlich, bei<lb/> einiger Interpretationskunſt, auf <hi rendition="#g">jeden</hi> paßten. Man kann aber leicht<lb/> die Probe machen, daß dies durchaus nicht zutrifft, und daß beſtimmte<lb/> Verſe auch nur auf beſtimmte Perſonen paſſen.</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [117/0135]
In Kurzem toſet ein Jüngling daher, während die große Gebärerin
ſeufzt;
Aber wer wird vermögen, den zerrütteten Staat wieder herzuſtellen?
Er wird das Banner erfaſſen, allein grauſame Geſchicke zu beklagen
haben,
Er will beim Wehen der Südwinde ſein Leben von Feſtungen ver-
traun.
oder (nach anderer Ueberſetzung):
Weht es im Süden hinauf, will Leben er borgen den Klöſtern.
Dann (Friedrich Wilhelm II.):
Welcher ihm folgt, ahmt nach die böſen Sitten der Väter,
Hat nicht Kraft im Gemüth, noch eine Gottheit im Volke.
Weſſen Hülf’ er begehrt, der wird entgegen ihm ſtehen,
Und er im Waſſer ſterben, das Oberſte kehrend zu unterſt.
Dann (Friedrich Wilhelm III.):
Der Sohn wird blühen; was er nicht gehofft, wird er beſitzen.
Allein das Volk wird in dieſen Zeiten traurig weinen;
Denn es ſcheinen Geſchicke zu kommen ſonderbarer Art,
Und der Fürſt ahnet nicht, daß eine neue Macht im Wach-
ſen iſt.
Niemand, der vorurtheilslos an dieſe Dinge herantritt,
wird in Abrede ſtellen können, daß ganz ſpeciell in den letzten
8 Zeilen Wendungen anzutreffen ſind, die von einer frappiren-
den Zutreffendheit ſind, ſo zutreffend, daß in der ganzen Weiſ-
ſagung nur eine einzige Stelle iſt, (jene 8 Zeilen, die ſich auf
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**) er nicht. Das geiſtige Auge, — dies müſſen wir feſthalten, — kann
Gegenſtände eben ſo gut überſehen wie das leibliche. Ja, es läßt ſich
aus dem Fehlen König Friedrich Wilhelms I. viel eher, wenigſtens
mittelbar, ein Beweis für den wirklich prophetiſchen Gehalt der
Weiſſagung herleiten. Verſucht man nämlich (wie einige gethan haben)
das, was ſich auf Friedrich den Großen bezieht, auf Friedrich
Wilhelm I. zu deuten, ſo entſteht ein völliger Nonſens, und werden
dadurch alle diejenigen ſchlagend widerlegt, die beweiſen möchten, daß
dieſe Sätze überhaupt dunkle Allgemeinheiten ſeien, die ſchließlich, bei
einiger Interpretationskunſt, auf jeden paßten. Man kann aber leicht
die Probe machen, daß dies durchaus nicht zutrifft, und daß beſtimmte
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