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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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dazwischen zeigten mir, daß dies die Fährstelle sei. Nach rechts
hin also mußte die Brücke sein. Richtig. Der frische Theer-
geruch ließ keinen Zweifel. Ich schritt über die schmale Bohlen-
lage hin.

Der Regen ließ einen Augenblick nach und gestattete einen
Umblick. Ich stand ersichtlich auf einer Insel, der magre Boden
mit dünnem Gras überzogen, die Ufer von blutrothem Werft
eingefaßt. Nach Westen hin Wiesenland, von Spree-Armen
und Eisenbahnbrücken durchzogen; am Horizonte grau in grau
der Spandauer Thurm; unmittelbar vor mir aber ein seltsamer,
jalousieenreicher Bau, rund, mit vier angeklebten flachen Balcon-
häusern und einem kupfernen Dachhelm, auf dessen Spitze drei
Genien mit Genhimmelhaltung eines goldenen Fruchtkorbes
beschäftigt waren. Roccoco durch und durch. Im Grundriß ein
kurzes Kreuz, mit rundem Mittelstück. Dies war das Belve-
dere
. Die drei Genien mit dem Blumenkorb unverkennbar an
das Marmorpalais erinnernd. Die Tage der Lichtenau standen
wie auf einen Schlag vor mir: Sentimentalität und Sinnlich-
keit, Schäferspiele und kurze Röckchen, Antonius und Cleopatra.
Nur alles trivialisirt. Statt des Pharaonenkindes eine Stabs-
trompetertochter.

Ein Gartenarbeiter, wie ich bald wahrnahm, hatte in einem
der angeklebten Häuschen ein Unterkommen gefunden; es fand
sich ein Schlüssel, der eine der Hauptthüren öffnete. Das Erd-
geschoß, einst als Küchen- und Wirthschaftsraum benutzt, war
interesselos; eine schlank gewundene, von einem sauberen Eisen-
gitter eingefaßte Treppe führte in den ersten und zweiten Stock.
Wir stiegen hinauf. Ich hatte dieselbe Empfindung, als ging
es hinunter in eine Gruft. Abgestorbenes ringsum. Nur
mumienhaft erhalten.

Die Einrichtung beider Stockwerke ist dieselbe: ein einziges
saalartiges Rundzimmer.

Der Saal des ersten Stockwerkes ist der reichere; der Fuß-
boden parkettirt, die Wände rhombisch getäfelt von rothbraunem
Pflaumbaumholz. An der weißen Decke krystallne Leuchter.

dazwiſchen zeigten mir, daß dies die Fährſtelle ſei. Nach rechts
hin alſo mußte die Brücke ſein. Richtig. Der friſche Theer-
geruch ließ keinen Zweifel. Ich ſchritt über die ſchmale Bohlen-
lage hin.

Der Regen ließ einen Augenblick nach und geſtattete einen
Umblick. Ich ſtand erſichtlich auf einer Inſel, der magre Boden
mit dünnem Gras überzogen, die Ufer von blutrothem Werft
eingefaßt. Nach Weſten hin Wieſenland, von Spree-Armen
und Eiſenbahnbrücken durchzogen; am Horizonte grau in grau
der Spandauer Thurm; unmittelbar vor mir aber ein ſeltſamer,
jalouſieenreicher Bau, rund, mit vier angeklebten flachen Balcon-
häuſern und einem kupfernen Dachhelm, auf deſſen Spitze drei
Genien mit Genhimmelhaltung eines goldenen Fruchtkorbes
beſchäftigt waren. Roccoco durch und durch. Im Grundriß ein
kurzes Kreuz, mit rundem Mittelſtück. Dies war das Belve-
dère
. Die drei Genien mit dem Blumenkorb unverkennbar an
das Marmorpalais erinnernd. Die Tage der Lichtenau ſtanden
wie auf einen Schlag vor mir: Sentimentalität und Sinnlich-
keit, Schäferſpiele und kurze Röckchen, Antonius und Cleopatra.
Nur alles trivialiſirt. Statt des Pharaonenkindes eine Stabs-
trompetertochter.

Ein Gartenarbeiter, wie ich bald wahrnahm, hatte in einem
der angeklebten Häuschen ein Unterkommen gefunden; es fand
ſich ein Schlüſſel, der eine der Hauptthüren öffnete. Das Erd-
geſchoß, einſt als Küchen- und Wirthſchaftsraum benutzt, war
intereſſelos; eine ſchlank gewundene, von einem ſauberen Eiſen-
gitter eingefaßte Treppe führte in den erſten und zweiten Stock.
Wir ſtiegen hinauf. Ich hatte dieſelbe Empfindung, als ging
es hinunter in eine Gruft. Abgeſtorbenes ringsum. Nur
mumienhaft erhalten.

Die Einrichtung beider Stockwerke iſt dieſelbe: ein einziges
ſaalartiges Rundzimmer.

Der Saal des erſten Stockwerkes iſt der reichere; der Fuß-
boden parkettirt, die Wände rhombiſch getäfelt von rothbraunem
Pflaumbaumholz. An der weißen Decke kryſtallne Leuchter.

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[140/0158] dazwiſchen zeigten mir, daß dies die Fährſtelle ſei. Nach rechts hin alſo mußte die Brücke ſein. Richtig. Der friſche Theer- geruch ließ keinen Zweifel. Ich ſchritt über die ſchmale Bohlen- lage hin. Der Regen ließ einen Augenblick nach und geſtattete einen Umblick. Ich ſtand erſichtlich auf einer Inſel, der magre Boden mit dünnem Gras überzogen, die Ufer von blutrothem Werft eingefaßt. Nach Weſten hin Wieſenland, von Spree-Armen und Eiſenbahnbrücken durchzogen; am Horizonte grau in grau der Spandauer Thurm; unmittelbar vor mir aber ein ſeltſamer, jalouſieenreicher Bau, rund, mit vier angeklebten flachen Balcon- häuſern und einem kupfernen Dachhelm, auf deſſen Spitze drei Genien mit Genhimmelhaltung eines goldenen Fruchtkorbes beſchäftigt waren. Roccoco durch und durch. Im Grundriß ein kurzes Kreuz, mit rundem Mittelſtück. Dies war das Belve- dère. Die drei Genien mit dem Blumenkorb unverkennbar an das Marmorpalais erinnernd. Die Tage der Lichtenau ſtanden wie auf einen Schlag vor mir: Sentimentalität und Sinnlich- keit, Schäferſpiele und kurze Röckchen, Antonius und Cleopatra. Nur alles trivialiſirt. Statt des Pharaonenkindes eine Stabs- trompetertochter. Ein Gartenarbeiter, wie ich bald wahrnahm, hatte in einem der angeklebten Häuschen ein Unterkommen gefunden; es fand ſich ein Schlüſſel, der eine der Hauptthüren öffnete. Das Erd- geſchoß, einſt als Küchen- und Wirthſchaftsraum benutzt, war intereſſelos; eine ſchlank gewundene, von einem ſauberen Eiſen- gitter eingefaßte Treppe führte in den erſten und zweiten Stock. Wir ſtiegen hinauf. Ich hatte dieſelbe Empfindung, als ging es hinunter in eine Gruft. Abgeſtorbenes ringsum. Nur mumienhaft erhalten. Die Einrichtung beider Stockwerke iſt dieſelbe: ein einziges ſaalartiges Rundzimmer. Der Saal des erſten Stockwerkes iſt der reichere; der Fuß- boden parkettirt, die Wände rhombiſch getäfelt von rothbraunem Pflaumbaumholz. An der weißen Decke kryſtallne Leuchter.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/158>, abgerufen am 23.11.2024.