Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

loyal und frei. Frei. Da liegt's. Auf dieser Freiheit, die zu
erheblichem Theile sich auf dem wichtigen Paragraphen:
"Wirths- und Kaffeehäuser sind unzulässig an dieser Stelle"
aufbaute, gründete Frau Friedrich ihre Pfaueninsel-Herrschaft.
Alles, was hier landete, wenn es seinen Schloßgang hinter sich
hatte, hatte das dem norddeutschen Menschen tief innewohnende
Bedürfniß des Nachmittagskaffee, und da kein Platz da war,
wo dies Bedürfniß regelrecht, nach den alten Traditionen von
Angebot und Nachfrage befriedigt werden konnte, so blieb den
Durstigen nichts übrig, als um Dinge zu bitten, die nun
mal nach Lage der Sache nicht beordert und befohlen werden
konnten. So wurde das Maschinenmeisterhaus ein Kaffeehaus
von Frau Friedrichs Gnaden und aus dieser eigenthüm-
lichen Machtstellung entwickelte sich schließlich jener Absolutismus,
der wohl gelegentlich, wie alle unumschränkte Herrschergewalt,
ein wenig bedrücklich empfunden worden ist. Um keinen Louis-
Quatorze
ist 50 Jahre lang so andauernd geworben worden,
wie um diesen l'etat c'est moi. Die weibliche Trägerin dieses
Satzes verkaufte nicht, sie spendete nur. Ein kleinster Verstoß,
ein zu sicheres Auftreten, eine zu früh gezeigte Börse, eine
Cravatte, deren Farbe mißfiel, und -- die Gnade konnte ent-
zogen werden. Man trank hier seinen Kaffee immer mit Augen
links, immer lächelnd, immer die Hand am Hut und vielleicht
schmeckte er nur deshalb so vorzüglich, weil er wirklich theuer
erkauft und errungen war.

Dies alles traf nun aber blos den Namenlosen, den
Unbekannten, der führerlos an diese Küste verschlagen, des Vor-
zugs entbehren mußte, der Frau Friedrich vorgestellt, oder
irgendwie empfohlen zu sein. Ueber alle diese (Hazardeurs,
wissentlich oder nicht) brach es gelegentlich herein. Die Kugel
rollte; roth oder schwarz; wer wollte sagen, wohin sie fiel.
Aber die Billigkeit erzwingt doch gleicherzeit das Anerkenntniß,
daß das Gesetz des Introducirtseins nicht mit Strenge gehand-
habt wurde und daß im Großen und Ganzen jeder ein
Empfohlener war, der sich -- nach den Traditionen des alten

loyal und frei. Frei. Da liegt’s. Auf dieſer Freiheit, die zu
erheblichem Theile ſich auf dem wichtigen Paragraphen:
„Wirths- und Kaffeehäuſer ſind unzuläſſig an dieſer Stelle“
aufbaute, gründete Frau Friedrich ihre Pfaueninſel-Herrſchaft.
Alles, was hier landete, wenn es ſeinen Schloßgang hinter ſich
hatte, hatte das dem norddeutſchen Menſchen tief innewohnende
Bedürfniß des Nachmittagskaffee, und da kein Platz da war,
wo dies Bedürfniß regelrecht, nach den alten Traditionen von
Angebot und Nachfrage befriedigt werden konnte, ſo blieb den
Durſtigen nichts übrig, als um Dinge zu bitten, die nun
mal nach Lage der Sache nicht beordert und befohlen werden
konnten. So wurde das Maſchinenmeiſterhaus ein Kaffeehaus
von Frau Friedrichs Gnaden und aus dieſer eigenthüm-
lichen Machtſtellung entwickelte ſich ſchließlich jener Abſolutismus,
der wohl gelegentlich, wie alle unumſchränkte Herrſchergewalt,
ein wenig bedrücklich empfunden worden iſt. Um keinen Louis-
Quatorze
iſt 50 Jahre lang ſo andauernd geworben worden,
wie um dieſen l’état c’est moi. Die weibliche Trägerin dieſes
Satzes verkaufte nicht, ſie ſpendete nur. Ein kleinſter Verſtoß,
ein zu ſicheres Auftreten, eine zu früh gezeigte Börſe, eine
Cravatte, deren Farbe mißfiel, und — die Gnade konnte ent-
zogen werden. Man trank hier ſeinen Kaffee immer mit Augen
links, immer lächelnd, immer die Hand am Hut und vielleicht
ſchmeckte er nur deshalb ſo vorzüglich, weil er wirklich theuer
erkauft und errungen war.

Dies alles traf nun aber blos den Namenloſen, den
Unbekannten, der führerlos an dieſe Küſte verſchlagen, des Vor-
zugs entbehren mußte, der Frau Friedrich vorgeſtellt, oder
irgendwie empfohlen zu ſein. Ueber alle dieſe (Hazardeurs,
wiſſentlich oder nicht) brach es gelegentlich herein. Die Kugel
rollte; roth oder ſchwarz; wer wollte ſagen, wohin ſie fiel.
Aber die Billigkeit erzwingt doch gleicherzeit das Anerkenntniß,
daß das Geſetz des Introducirtſeins nicht mit Strenge gehand-
habt wurde und daß im Großen und Ganzen jeder ein
Empfohlener war, der ſich — nach den Traditionen des alten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0175" n="157"/>
loyal und frei. Frei. Da liegt&#x2019;s. Auf die&#x017F;er Freiheit, die zu<lb/>
erheblichem Theile &#x017F;ich auf dem wichtigen Paragraphen:<lb/>
&#x201E;Wirths- und Kaffeehäu&#x017F;er &#x017F;ind unzulä&#x017F;&#x017F;ig an die&#x017F;er Stelle&#x201C;<lb/>
aufbaute, gründete Frau Friedrich ihre Pfauenin&#x017F;el-Herr&#x017F;chaft.<lb/>
Alles, was hier landete, wenn es &#x017F;einen Schloßgang hinter &#x017F;ich<lb/>
hatte, hatte das dem norddeut&#x017F;chen Men&#x017F;chen tief innewohnende<lb/>
Bedürfniß des Nachmittagskaffee, und da kein Platz da war,<lb/>
wo dies Bedürfniß regelrecht, nach den alten Traditionen von<lb/>
Angebot und Nachfrage befriedigt werden konnte, &#x017F;o blieb den<lb/>
Dur&#x017F;tigen nichts übrig, als um Dinge zu <hi rendition="#g">bitten</hi>, die nun<lb/>
mal nach Lage der Sache nicht beordert und befohlen werden<lb/>
konnten. So wurde das Ma&#x017F;chinenmei&#x017F;terhaus ein Kaffeehaus<lb/>
von <hi rendition="#g">Frau Friedrichs Gnaden</hi> und aus die&#x017F;er eigenthüm-<lb/>
lichen Macht&#x017F;tellung entwickelte &#x017F;ich &#x017F;chließlich jener Ab&#x017F;olutismus,<lb/>
der wohl gelegentlich, wie alle unum&#x017F;chränkte Herr&#x017F;chergewalt,<lb/>
ein wenig bedrücklich empfunden worden i&#x017F;t. Um keinen <hi rendition="#aq">Louis-<lb/>
Quatorze</hi> i&#x017F;t 50 Jahre lang &#x017F;o andauernd geworben worden,<lb/>
wie um <hi rendition="#g">die&#x017F;en</hi> <hi rendition="#aq">l&#x2019;état c&#x2019;est moi.</hi> Die weibliche Trägerin die&#x017F;es<lb/>
Satzes verkaufte nicht, &#x017F;ie &#x017F;pendete nur. Ein klein&#x017F;ter Ver&#x017F;toß,<lb/>
ein zu &#x017F;icheres Auftreten, eine zu früh gezeigte Bör&#x017F;e, eine<lb/>
Cravatte, deren Farbe mißfiel, und &#x2014; die Gnade konnte ent-<lb/>
zogen werden. Man trank hier &#x017F;einen Kaffee immer mit Augen<lb/>
links, immer lächelnd, immer die Hand am Hut und vielleicht<lb/>
&#x017F;chmeckte er nur deshalb &#x017F;o vorzüglich, weil er wirklich theuer<lb/>
erkauft und errungen war.</p><lb/>
          <p>Dies alles traf nun aber blos den Namenlo&#x017F;en, den<lb/>
Unbekannten, der führerlos an die&#x017F;e Kü&#x017F;te ver&#x017F;chlagen, des Vor-<lb/>
zugs entbehren mußte, der Frau Friedrich vorge&#x017F;tellt, oder<lb/>
irgendwie empfohlen zu &#x017F;ein. Ueber alle <hi rendition="#g">die&#x017F;e</hi> (Hazardeurs,<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;entlich oder nicht) brach es gelegentlich herein. Die Kugel<lb/>
rollte; roth oder &#x017F;chwarz; wer wollte &#x017F;agen, wohin &#x017F;ie fiel.<lb/>
Aber die Billigkeit erzwingt doch gleicherzeit das Anerkenntniß,<lb/>
daß das Ge&#x017F;etz des Introducirt&#x017F;eins nicht mit Strenge gehand-<lb/>
habt wurde und daß im Großen und Ganzen <hi rendition="#g">jeder</hi> ein<lb/>
Empfohlener war, der &#x017F;ich &#x2014; nach den Traditionen des <hi rendition="#g">alten</hi><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0175] loyal und frei. Frei. Da liegt’s. Auf dieſer Freiheit, die zu erheblichem Theile ſich auf dem wichtigen Paragraphen: „Wirths- und Kaffeehäuſer ſind unzuläſſig an dieſer Stelle“ aufbaute, gründete Frau Friedrich ihre Pfaueninſel-Herrſchaft. Alles, was hier landete, wenn es ſeinen Schloßgang hinter ſich hatte, hatte das dem norddeutſchen Menſchen tief innewohnende Bedürfniß des Nachmittagskaffee, und da kein Platz da war, wo dies Bedürfniß regelrecht, nach den alten Traditionen von Angebot und Nachfrage befriedigt werden konnte, ſo blieb den Durſtigen nichts übrig, als um Dinge zu bitten, die nun mal nach Lage der Sache nicht beordert und befohlen werden konnten. So wurde das Maſchinenmeiſterhaus ein Kaffeehaus von Frau Friedrichs Gnaden und aus dieſer eigenthüm- lichen Machtſtellung entwickelte ſich ſchließlich jener Abſolutismus, der wohl gelegentlich, wie alle unumſchränkte Herrſchergewalt, ein wenig bedrücklich empfunden worden iſt. Um keinen Louis- Quatorze iſt 50 Jahre lang ſo andauernd geworben worden, wie um dieſen l’état c’est moi. Die weibliche Trägerin dieſes Satzes verkaufte nicht, ſie ſpendete nur. Ein kleinſter Verſtoß, ein zu ſicheres Auftreten, eine zu früh gezeigte Börſe, eine Cravatte, deren Farbe mißfiel, und — die Gnade konnte ent- zogen werden. Man trank hier ſeinen Kaffee immer mit Augen links, immer lächelnd, immer die Hand am Hut und vielleicht ſchmeckte er nur deshalb ſo vorzüglich, weil er wirklich theuer erkauft und errungen war. Dies alles traf nun aber blos den Namenloſen, den Unbekannten, der führerlos an dieſe Küſte verſchlagen, des Vor- zugs entbehren mußte, der Frau Friedrich vorgeſtellt, oder irgendwie empfohlen zu ſein. Ueber alle dieſe (Hazardeurs, wiſſentlich oder nicht) brach es gelegentlich herein. Die Kugel rollte; roth oder ſchwarz; wer wollte ſagen, wohin ſie fiel. Aber die Billigkeit erzwingt doch gleicherzeit das Anerkenntniß, daß das Geſetz des Introducirtſeins nicht mit Strenge gehand- habt wurde und daß im Großen und Ganzen jeder ein Empfohlener war, der ſich — nach den Traditionen des alten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/175
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/175>, abgerufen am 23.11.2024.