Mann begegnen werde, so weiß ich nicht, wie er mich begrü- ßen wird, aber vor meinem Bischofswerder ist mir nicht bange."
Die "Gräfin," auch wenn uns nichts anderes vorläge, als was ihre Neider und Tadler über sie ausgesagt haben, war jedenfalls eine "distinguirte" Frau. Es mußte seinen Grund haben, daß zwei Günstlinge sich um ihre Gunst bewarben. Ein Enkel von ihr mochte mit Fug und Recht schreiben: "Die in meinen Händen befindlichen Papiere, leider nur Bruchstücke, geben ganz neue Aufschlüsse. Reichen sie auch zu einer klaren geschichtlichen Darstellung nicht aus, so haben sie mir doch einen genügenden Anhalt geboten, die für Preußens Größe begeisterte, die kühnsten Wünsche und Pläne hegende Frau verstehen zu lernen und die Bitterkeit zu begreifen, als sie mehr und mehr einsah, daß nicht die Macht der Verhältnisse, son- dern die Schwäche der Menschen Alles vereitelte und häufig in das Gegentheil verkehrte." Wir haben nicht selbst Einblick in die Papiere, die hier erwähnt werden, nehmen dürfen, aber nach Allem, was uns sonst vorliegt, sind wir geneigt, diese Schilderung für richtig zu halten. Sie war keine liebenswür- dige, aber eine bedeutende Frau, ein ausgesprochener Charakter.
In den zahlreichen mehr oder weniger libellartigen Schrif- ten jener Zeit, wie auch im Gedächtniß der Marquardter Dorf- bewohner, von denen sie noch viele gekannt haben, lebt sie allerdings nur in zwei Eigenschaften fort, als habsüchtig-geizig und bigott-katholisch. In den mehrfach schon citirten "Ver- trauten Briefen" finden wir zunächst: "Herrn v. Bischofswer- ders Ehehälfte läßt sich jedes gnädige Lächeln mit Geld auf- wiegen" und an anderer Stelle heißt es: Die in Südpreußen veranstalteten Güterverschleuderungen waren ihr Werk, indem sie ihrem Manne beständig sagte: "Sie werden wie ein Bettler sterben, wenn Sie nicht noch die letzten Tage des Königs benutzen, um etwas für Ihre Familie zu thun."
Das Fundament dieser Habsucht war muthmaßlich mehr Ehrgeiz als irgend etwas andres. Sie wußte: "Besitz ist Macht"
Mann begegnen werde, ſo weiß ich nicht, wie er mich begrü- ßen wird, aber vor meinem Biſchofswerder iſt mir nicht bange.“
Die „Gräfin,“ auch wenn uns nichts anderes vorläge, als was ihre Neider und Tadler über ſie ausgeſagt haben, war jedenfalls eine „diſtinguirte“ Frau. Es mußte ſeinen Grund haben, daß zwei Günſtlinge ſich um ihre Gunſt bewarben. Ein Enkel von ihr mochte mit Fug und Recht ſchreiben: „Die in meinen Händen befindlichen Papiere, leider nur Bruchſtücke, geben ganz neue Aufſchlüſſe. Reichen ſie auch zu einer klaren geſchichtlichen Darſtellung nicht aus, ſo haben ſie mir doch einen genügenden Anhalt geboten, die für Preußens Größe begeiſterte, die kühnſten Wünſche und Pläne hegende Frau verſtehen zu lernen und die Bitterkeit zu begreifen, als ſie mehr und mehr einſah, daß nicht die Macht der Verhältniſſe, ſon- dern die Schwäche der Menſchen Alles vereitelte und häufig in das Gegentheil verkehrte.“ Wir haben nicht ſelbſt Einblick in die Papiere, die hier erwähnt werden, nehmen dürfen, aber nach Allem, was uns ſonſt vorliegt, ſind wir geneigt, dieſe Schilderung für richtig zu halten. Sie war keine liebenswür- dige, aber eine bedeutende Frau, ein ausgeſprochener Charakter.
In den zahlreichen mehr oder weniger libellartigen Schrif- ten jener Zeit, wie auch im Gedächtniß der Marquardter Dorf- bewohner, von denen ſie noch viele gekannt haben, lebt ſie allerdings nur in zwei Eigenſchaften fort, als habſüchtig-geizig und bigott-katholiſch. In den mehrfach ſchon citirten „Ver- trauten Briefen“ finden wir zunächſt: „Herrn v. Biſchofswer- ders Ehehälfte läßt ſich jedes gnädige Lächeln mit Geld auf- wiegen“ und an anderer Stelle heißt es: Die in Südpreußen veranſtalteten Güterverſchleuderungen waren ihr Werk, indem ſie ihrem Manne beſtändig ſagte: „Sie werden wie ein Bettler ſterben, wenn Sie nicht noch die letzten Tage des Königs benutzen, um etwas für Ihre Familie zu thun.“
Das Fundament dieſer Habſucht war muthmaßlich mehr Ehrgeiz als irgend etwas andres. Sie wußte: „Beſitz iſt Macht“
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Mann begegnen werde, ſo weiß ich nicht, wie er mich begrü-
ßen wird, aber vor meinem Biſchofswerder iſt mir nicht
bange.“
Die „Gräfin,“ auch wenn uns nichts anderes vorläge,
als was ihre Neider und Tadler über ſie ausgeſagt haben, war
jedenfalls eine „diſtinguirte“ Frau. Es mußte ſeinen Grund
haben, daß zwei Günſtlinge ſich um ihre Gunſt bewarben. Ein
Enkel von ihr mochte mit Fug und Recht ſchreiben: „Die in
meinen Händen befindlichen Papiere, leider nur Bruchſtücke,
geben ganz neue Aufſchlüſſe. Reichen ſie auch zu einer klaren
geſchichtlichen Darſtellung nicht aus, ſo haben ſie mir doch einen
genügenden Anhalt geboten, die für Preußens Größe
begeiſterte, die kühnſten Wünſche und Pläne hegende Frau
verſtehen zu lernen und die Bitterkeit zu begreifen, als ſie mehr
und mehr einſah, daß nicht die Macht der Verhältniſſe, ſon-
dern die Schwäche der Menſchen Alles vereitelte und häufig in
das Gegentheil verkehrte.“ Wir haben nicht ſelbſt Einblick in
die Papiere, die hier erwähnt werden, nehmen dürfen, aber
nach Allem, was uns ſonſt vorliegt, ſind wir geneigt, dieſe
Schilderung für richtig zu halten. Sie war keine liebenswür-
dige, aber eine bedeutende Frau, ein ausgeſprochener Charakter.
In den zahlreichen mehr oder weniger libellartigen Schrif-
ten jener Zeit, wie auch im Gedächtniß der Marquardter Dorf-
bewohner, von denen ſie noch viele gekannt haben, lebt ſie
allerdings nur in zwei Eigenſchaften fort, als habſüchtig-geizig
und bigott-katholiſch. In den mehrfach ſchon citirten „Ver-
trauten Briefen“ finden wir zunächſt: „Herrn v. Biſchofswer-
ders Ehehälfte läßt ſich jedes gnädige Lächeln mit Geld auf-
wiegen“ und an anderer Stelle heißt es: Die in Südpreußen
veranſtalteten Güterverſchleuderungen waren ihr Werk, indem
ſie ihrem Manne beſtändig ſagte: „Sie werden wie ein Bettler
ſterben, wenn Sie nicht noch die letzten Tage des Königs
benutzen, um etwas für Ihre Familie zu thun.“
Das Fundament dieſer Habſucht war muthmaßlich mehr
Ehrgeiz als irgend etwas andres. Sie wußte: „Beſitz iſt Macht“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/298>, abgerufen am 24.11.2024.
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