Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.sen zu sein, während die Bischofswerderschen Kinder aus seiner 1803 starb der General. Wir haben seine Beisetzung *) Es waren dies zwei Töchter. Die eine, Caroline Erdmuthe
Christiane, blieb unverheirathet und starb 1842. Ueber ihr Begräbniß in Marquardt berichten wir an anderer Stelle ausführlich. Die andere vermählte sich schon 1794 oder 95 mit dem jungen Grafen Gurowski, dem Besitzer der Starostei Kolo. Die "vertrauten Briefe" sagen von ihm: "Er war ein junger Krüppel mit einem kurzen Beine, sonst ein Ungethüm und unter den jungen Polen der verdorbenste. Ein Libertin, auf der untersten Stufe des Cynismus. Wenige Wochen nach der Hei- rath kam es zur Scheidung; er nahm dann Theil an der Insurrection, und trat später das schöne Gut Murowanna Goßlin an seine geschie- dene Frau ab." Ueber die weiteren Schicksale dieser verlautet nichts. -- Beide Fräulein v. Bischofswerder waren übrigens sehr liebenswürdig, von feiner Bildung und Sitte. Nichts war unwahrer und bösartiger als eine Schilderung derselben in den mehrgenannten "Anmerkungen" zu den Geheimen-Briefen, worin es heißt: Les Demoiselles Bischofs- werder sont deux petites filles mal elevees. L'ainee a dans ses yeux le flambeau de l'hymen. On les dit intriguantes. A propos jaloux. Au reste il faut distinguer les ridicules des vices et dire que jusqu'ici la conduite de ces Demoiselles est intacte." So die "Anmerkungen." Die "Vertrauten-Briefe," "Geheimen- Briefe" etc. jener Epoche sind nie impertinenter, wie wenn sie sich zu einer halben Huldigung oder Anerkennung herablassen. ſen zu ſein, während die Biſchofswerderſchen Kinder aus ſeiner 1803 ſtarb der General. Wir haben ſeine Beiſetzung *) Es waren dies zwei Töchter. Die eine, Caroline Erdmuthe
Chriſtiane, blieb unverheirathet und ſtarb 1842. Ueber ihr Begräbniß in Marquardt berichten wir an anderer Stelle ausführlich. Die andere vermählte ſich ſchon 1794 oder 95 mit dem jungen Grafen Gurowski, dem Beſitzer der Staroſtei Kolo. Die „vertrauten Briefe“ ſagen von ihm: „Er war ein junger Krüppel mit einem kurzen Beine, ſonſt ein Ungethüm und unter den jungen Polen der verdorbenſte. Ein Libertin, auf der unterſten Stufe des Cynismus. Wenige Wochen nach der Hei- rath kam es zur Scheidung; er nahm dann Theil an der Inſurrection, und trat ſpäter das ſchöne Gut Murowanna Goßlin an ſeine geſchie- dene Frau ab.“ Ueber die weiteren Schickſale dieſer verlautet nichts. — Beide Fräulein v. Biſchofswerder waren übrigens ſehr liebenswürdig, von feiner Bildung und Sitte. Nichts war unwahrer und bösartiger als eine Schilderung derſelben in den mehrgenannten „Anmerkungen“ zu den Geheimen-Briefen, worin es heißt: Les Demoiselles Bischofs- werder sont deux petites filles mal élevées. L’ainée a dans ses yeux le flambeau de l’hymen. On les dit intriguantes. A propos jaloux. Au reste il faut distinguer les ridicules des vices et dire que jusqu’ici la conduite de ces Demoiselles est intacte.“ So die „Anmerkungen.“ Die „Vertrauten-Briefe,“ „Geheimen- Briefe“ ꝛc. jener Epoche ſind nie impertinenter, wie wenn ſie ſich zu einer halben Huldigung oder Anerkennung herablaſſen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0297" n="279"/> ſen zu ſein, während die Biſchofswerderſchen Kinder aus ſeiner<lb/> erſten Ehe mit Frl. v. Wilke, bis zuletzt die freundlichſten Be-<lb/> ziehungen zum Marquardter Herrenhauſe unterhielten.<note place="foot" n="*)">Es waren dies <hi rendition="#g">zwei</hi> Töchter. Die eine, Caroline Erdmuthe<lb/> Chriſtiane, blieb unverheirathet und ſtarb 1842. Ueber ihr Begräbniß<lb/> in Marquardt berichten wir an anderer Stelle ausführlich. Die andere<lb/> vermählte ſich ſchon 1794 oder 95 mit dem jungen Grafen <hi rendition="#g">Gurowski</hi>,<lb/> dem Beſitzer der Staroſtei Kolo. Die „vertrauten Briefe“ ſagen von<lb/> ihm: „Er war ein junger Krüppel mit einem kurzen Beine, ſonſt ein<lb/> Ungethüm und unter den jungen Polen der verdorbenſte. Ein Libertin,<lb/> auf der unterſten Stufe des Cynismus. Wenige Wochen nach der Hei-<lb/> rath kam es zur Scheidung; er nahm dann Theil an der Inſurrection,<lb/> und trat ſpäter das ſchöne Gut Murowanna Goßlin an ſeine geſchie-<lb/> dene Frau ab.“ Ueber die weiteren Schickſale dieſer verlautet nichts. —<lb/> Beide Fräulein v. Biſchofswerder waren übrigens ſehr liebenswürdig,<lb/> von feiner Bildung und Sitte. Nichts war unwahrer und bösartiger<lb/> als eine Schilderung derſelben in den mehrgenannten „Anmerkungen“<lb/> zu den Geheimen-Briefen, worin es heißt: <hi rendition="#aq">Les Demoiselles Bischofs-<lb/> werder sont deux petites filles mal élevées. L’ainée a dans ses<lb/> yeux le flambeau de l’hymen. On les dit intriguantes. A propos<lb/> jaloux. Au reste il faut distinguer les ridicules des vices et dire<lb/> que jusqu’ici la conduite de ces Demoiselles est intacte.“</hi><lb/> So die „Anmerkungen.“ Die „Vertrauten-Briefe,“ „Geheimen-<lb/> Briefe“ ꝛc. jener Epoche ſind nie impertinenter, wie wenn ſie ſich zu<lb/> einer halben Huldigung oder Anerkennung herablaſſen.</note></p><lb/> <p>1803 ſtarb der General. Wir haben ſeine Beiſetzung<lb/> geſchildert. Seine Ehe, wie ſchon hervorgehoben, war eine<lb/> glückliche geweſen und die Wahrnehmung, daß auch ein all-<lb/> mächtiger Miniſter irgendwo die Grenzen ſeiner Allmacht finden<lb/> müſſe, hatte weder ſeinen Frieden noch ſeine Heiterkeit getrübt.<lb/> Die „Gräfin,“ eine Benennung, die ihr vielfach blieb, hatte<lb/> ihr Leben nach dem Satze eingerichtet, daß, „wer der herrſche-<lb/> fähigſte ſei, auch die Herrſchaft zu führen habe“ und dies<lb/> ſcheint uns der Ort, ehe wir in der Vorführung biographiſchen<lb/> Materials fortfahren, eine Charakterſchilderung der Frau einzu-<lb/> ſchalten. Ihren Mann, trotz aller Herrſchſucht, liebte ſie übri-<lb/> gens wirklich und noch in den letzten Lebensjahren pflegte ſie<lb/> halb ſcherzhaft zu ſagen: „wenn ich im Himmel meinem erſten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [279/0297]
ſen zu ſein, während die Biſchofswerderſchen Kinder aus ſeiner
erſten Ehe mit Frl. v. Wilke, bis zuletzt die freundlichſten Be-
ziehungen zum Marquardter Herrenhauſe unterhielten. *)
1803 ſtarb der General. Wir haben ſeine Beiſetzung
geſchildert. Seine Ehe, wie ſchon hervorgehoben, war eine
glückliche geweſen und die Wahrnehmung, daß auch ein all-
mächtiger Miniſter irgendwo die Grenzen ſeiner Allmacht finden
müſſe, hatte weder ſeinen Frieden noch ſeine Heiterkeit getrübt.
Die „Gräfin,“ eine Benennung, die ihr vielfach blieb, hatte
ihr Leben nach dem Satze eingerichtet, daß, „wer der herrſche-
fähigſte ſei, auch die Herrſchaft zu führen habe“ und dies
ſcheint uns der Ort, ehe wir in der Vorführung biographiſchen
Materials fortfahren, eine Charakterſchilderung der Frau einzu-
ſchalten. Ihren Mann, trotz aller Herrſchſucht, liebte ſie übri-
gens wirklich und noch in den letzten Lebensjahren pflegte ſie
halb ſcherzhaft zu ſagen: „wenn ich im Himmel meinem erſten
*) Es waren dies zwei Töchter. Die eine, Caroline Erdmuthe
Chriſtiane, blieb unverheirathet und ſtarb 1842. Ueber ihr Begräbniß
in Marquardt berichten wir an anderer Stelle ausführlich. Die andere
vermählte ſich ſchon 1794 oder 95 mit dem jungen Grafen Gurowski,
dem Beſitzer der Staroſtei Kolo. Die „vertrauten Briefe“ ſagen von
ihm: „Er war ein junger Krüppel mit einem kurzen Beine, ſonſt ein
Ungethüm und unter den jungen Polen der verdorbenſte. Ein Libertin,
auf der unterſten Stufe des Cynismus. Wenige Wochen nach der Hei-
rath kam es zur Scheidung; er nahm dann Theil an der Inſurrection,
und trat ſpäter das ſchöne Gut Murowanna Goßlin an ſeine geſchie-
dene Frau ab.“ Ueber die weiteren Schickſale dieſer verlautet nichts. —
Beide Fräulein v. Biſchofswerder waren übrigens ſehr liebenswürdig,
von feiner Bildung und Sitte. Nichts war unwahrer und bösartiger
als eine Schilderung derſelben in den mehrgenannten „Anmerkungen“
zu den Geheimen-Briefen, worin es heißt: Les Demoiselles Bischofs-
werder sont deux petites filles mal élevées. L’ainée a dans ses
yeux le flambeau de l’hymen. On les dit intriguantes. A propos
jaloux. Au reste il faut distinguer les ridicules des vices et dire
que jusqu’ici la conduite de ces Demoiselles est intacte.“
So die „Anmerkungen.“ Die „Vertrauten-Briefe,“ „Geheimen-
Briefe“ ꝛc. jener Epoche ſind nie impertinenter, wie wenn ſie ſich zu
einer halben Huldigung oder Anerkennung herablaſſen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeFontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |