und Besitz nicht lassen. Sie geht um. Aber es ist, als ob ihr Schatten allmählich schwände. Noch vor 20 Jahren wurde sie gesehen, in schwarzer Robe, das Gesicht abgewandt; jetzt hören die Bewohner des Hauses sie nur noch. Wie auf gro- ßen Socken schlurrt es durch alle unteren Räume; man hört die Thüren gehn; dann alles still. Einige sagen, es bedeute Trauer im Hause; aber das Haus ist nicht Bischofswerdersch mehr und so mögen die Recht haben, die da sagen: sie "revi- dirt," sie kann nicht los.
Marquardt von 1833--1858.
General v. BischofswerderII.
Es folgte nun der Sohn. Dem Rechte und dem Namen nach, wie bereits angedeutet, war er Besitzer von Marquardt seit 1819, aber in Wahrheit ward er es erst, nachdem der Mutter die Zügel aus der Hand gefallen waren. Die "Grä- fin" war keine Frau, die sich mit Halbem begnügte.
Dem Sohne war dies Entsagen, wenn es überhaupt ein solches war, ziemlich leicht gefallen; der "Dienst" und die "Gesellschaft," die ihn beide in der Residenz hielten, waren ihm mehr als die Herrschaft über Marquardt. Die Passion für die Stille und Zurückgezogenheit des Landlebens (eine der letz- ten, die in unser Herz einzieht), diese zu empfinden, dazu war er noch zu jung, dazu lag noch zu wenig hinter ihm, dazu nahm er den Schein noch zu voll für das Sein. Im Uebrigen war er in Erscheinung und Charakter ganz der Sohn seines Vaters, ganz ein Bischofswerder: groß, ritterlich, dem Dienst des Königs und der Frauen in gleicher Weise hingege- ben, eine "Persönlichkeit," mit Leidenschaft Soldat. Dabei, als bemerkenswerthestes Erbtheil, ganz im Mysticismus und Aberglauben stehend. Er trug das rothseidene Kissen auf der Brust, das der Vater, bis zu seinem Tode, als Amulet getra- gen hatte.
und Beſitz nicht laſſen. Sie geht um. Aber es iſt, als ob ihr Schatten allmählich ſchwände. Noch vor 20 Jahren wurde ſie geſehen, in ſchwarzer Robe, das Geſicht abgewandt; jetzt hören die Bewohner des Hauſes ſie nur noch. Wie auf gro- ßen Socken ſchlurrt es durch alle unteren Räume; man hört die Thüren gehn; dann alles ſtill. Einige ſagen, es bedeute Trauer im Hauſe; aber das Haus iſt nicht Biſchofswerderſch mehr und ſo mögen die Recht haben, die da ſagen: ſie „revi- dirt,“ ſie kann nicht los.
Marquardt von 1833—1858.
General v. BiſchofswerderII.
Es folgte nun der Sohn. Dem Rechte und dem Namen nach, wie bereits angedeutet, war er Beſitzer von Marquardt ſeit 1819, aber in Wahrheit ward er es erſt, nachdem der Mutter die Zügel aus der Hand gefallen waren. Die „Grä- fin“ war keine Frau, die ſich mit Halbem begnügte.
Dem Sohne war dies Entſagen, wenn es überhaupt ein ſolches war, ziemlich leicht gefallen; der „Dienſt“ und die „Geſellſchaft,“ die ihn beide in der Reſidenz hielten, waren ihm mehr als die Herrſchaft über Marquardt. Die Paſſion für die Stille und Zurückgezogenheit des Landlebens (eine der letz- ten, die in unſer Herz einzieht), dieſe zu empfinden, dazu war er noch zu jung, dazu lag noch zu wenig hinter ihm, dazu nahm er den Schein noch zu voll für das Sein. Im Uebrigen war er in Erſcheinung und Charakter ganz der Sohn ſeines Vaters, ganz ein Biſchofswerder: groß, ritterlich, dem Dienſt des Königs und der Frauen in gleicher Weiſe hingege- ben, eine „Perſönlichkeit,“ mit Leidenſchaft Soldat. Dabei, als bemerkenswertheſtes Erbtheil, ganz im Myſticismus und Aberglauben ſtehend. Er trug das rothſeidene Kiſſen auf der Bruſt, das der Vater, bis zu ſeinem Tode, als Amulet getra- gen hatte.
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und Beſitz nicht laſſen. Sie geht um. Aber es iſt, als ob
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ſie geſehen, in ſchwarzer Robe, das Geſicht abgewandt; jetzt
hören die Bewohner des Hauſes ſie nur noch. Wie auf gro-
ßen Socken ſchlurrt es durch alle unteren Räume; man hört
die Thüren gehn; dann alles ſtill. Einige ſagen, es bedeute
Trauer im Hauſe; aber das Haus iſt nicht Biſchofswerderſch
mehr und ſo mögen die Recht haben, die da ſagen: ſie „revi-
dirt,“ ſie kann nicht los.
Marquardt von 1833—1858.
General v. Biſchofswerder II.
Es folgte nun der Sohn. Dem Rechte und dem Namen
nach, wie bereits angedeutet, war er Beſitzer von Marquardt
ſeit 1819, aber in Wahrheit ward er es erſt, nachdem der
Mutter die Zügel aus der Hand gefallen waren. Die „Grä-
fin“ war keine Frau, die ſich mit Halbem begnügte.
Dem Sohne war dies Entſagen, wenn es überhaupt ein
ſolches war, ziemlich leicht gefallen; der „Dienſt“ und die
„Geſellſchaft,“ die ihn beide in der Reſidenz hielten, waren
ihm mehr als die Herrſchaft über Marquardt. Die Paſſion für
die Stille und Zurückgezogenheit des Landlebens (eine der letz-
ten, die in unſer Herz einzieht), dieſe zu empfinden, dazu
war er noch zu jung, dazu lag noch zu wenig hinter ihm,
dazu nahm er den Schein noch zu voll für das Sein. Im
Uebrigen war er in Erſcheinung und Charakter ganz der Sohn
ſeines Vaters, ganz ein Biſchofswerder: groß, ritterlich, dem
Dienſt des Königs und der Frauen in gleicher Weiſe hingege-
ben, eine „Perſönlichkeit,“ mit Leidenſchaft Soldat. Dabei,
als bemerkenswertheſtes Erbtheil, ganz im Myſticismus und
Aberglauben ſtehend. Er trug das rothſeidene Kiſſen auf der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/302>, abgerufen am 24.11.2024.
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