Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

wichtigsten, ja überhaupt die einzig wichtigen Mitglieder
waren. Ohne die Namen Bischofswerder und Wöllner wären
die Rosenkreuzer wie so viele andere Orden jener Zeit ohne
Sang und Klang vom Schauplatz abgetreten.

Was wollte der Orden? wie entstand er? Er war, sei-
nem Kern und Wesen nach, eine Unausbleiblichkeit, weil ein
naturgemäßer Rückschlag. Wir gedenken hier keineswegs in eine
Polemik gegen den Rationalismus einzutreten (er ist lange der
"Uebel größtes nicht"), wir constatiren nur einfach eine That-
sache, wenn wir hervorheben, daß diese Dinge einem beständi-
gen Wechsel unterliegen und daß man in den letzten Regie-
rungsjahren Friedrichs des Großen in vielen Kreisen anfing,
der Aufklärung wenig froh zu werden. Gegensätze, die sich
befehden, die beide in der Natur des Menschen ihre Wurzel
und ihre Berechtigung finden, pflegen sich unter einander in
Herrschaft und Obmacht abzulösen. Dem Puritanismus folgte
Libertinage, der starren Orthodoxie Friedrich Wilhelms I. folgte
der Voltairianismus der Fridericianischen Zeit, dem Kosmopo-
litismus folgte eine nationale Bewegung und dem Illuminaten-
thum, das überall ein Licht anzünden wollte, mußte naturge-
mäß irgend ein Rosenkreuzerthum folgen, das davon ausging:
alles Tiefe liegt nicht im Licht, sondern im Dunkel. Das
Empfinden der Zeiten und der Individuen wird in Bezug auf
diese Frage immer aus einander gehen und jene Enthusiasten,
die überall ein Räthsel, ein Wunder, ein directes Eingreifen
Gottes sehen, wo der Nüchternheitsmensch einfach das Verhält-
niß von Ursache und Wirkung zu erkennen glaubt, diese phan-
[t]asiereicheren, unserer besten Ueberzeugung nach höher angeleg-
ten Naturen dürfen mindestens eins verlangen: Gleichstellung
in bürgerlicher Ehre. Es ist nichts damit gethan, ihnen ein-
fach den Zettel "Dunkelmänner" aufzukleben und sie damit,
zu beliebiger Verhöhnung, auf den Markt zu stellen. Seinem
Kern und Wesen nach (man vergleiche oben, was wir aus Chry-
sophirons Schriften mitgetheilt haben) war das moderne Rosen-
kreuzerthum nichts als eine Vereinigung von Männern, die,

wichtigſten, ja überhaupt die einzig wichtigen Mitglieder
waren. Ohne die Namen Biſchofswerder und Wöllner wären
die Roſenkreuzer wie ſo viele andere Orden jener Zeit ohne
Sang und Klang vom Schauplatz abgetreten.

Was wollte der Orden? wie entſtand er? Er war, ſei-
nem Kern und Weſen nach, eine Unausbleiblichkeit, weil ein
naturgemäßer Rückſchlag. Wir gedenken hier keineswegs in eine
Polemik gegen den Rationalismus einzutreten (er iſt lange der
„Uebel größtes nicht“), wir conſtatiren nur einfach eine That-
ſache, wenn wir hervorheben, daß dieſe Dinge einem beſtändi-
gen Wechſel unterliegen und daß man in den letzten Regie-
rungsjahren Friedrichs des Großen in vielen Kreiſen anfing,
der Aufklärung wenig froh zu werden. Gegenſätze, die ſich
befehden, die beide in der Natur des Menſchen ihre Wurzel
und ihre Berechtigung finden, pflegen ſich unter einander in
Herrſchaft und Obmacht abzulöſen. Dem Puritanismus folgte
Libertinage, der ſtarren Orthodoxie Friedrich Wilhelms I. folgte
der Voltairianismus der Fridericianiſchen Zeit, dem Kosmopo-
litismus folgte eine nationale Bewegung und dem Illuminaten-
thum, das überall ein Licht anzünden wollte, mußte naturge-
mäß irgend ein Roſenkreuzerthum folgen, das davon ausging:
alles Tiefe liegt nicht im Licht, ſondern im Dunkel. Das
Empfinden der Zeiten und der Individuen wird in Bezug auf
dieſe Frage immer aus einander gehen und jene Enthuſiaſten,
die überall ein Räthſel, ein Wunder, ein directes Eingreifen
Gottes ſehen, wo der Nüchternheitsmenſch einfach das Verhält-
niß von Urſache und Wirkung zu erkennen glaubt, dieſe phan-
[t]aſiereicheren, unſerer beſten Ueberzeugung nach höher angeleg-
ten Naturen dürfen mindeſtens eins verlangen: Gleichſtellung
in bürgerlicher Ehre. Es iſt nichts damit gethan, ihnen ein-
fach den Zettel „Dunkelmänner“ aufzukleben und ſie damit,
zu beliebiger Verhöhnung, auf den Markt zu ſtellen. Seinem
Kern und Weſen nach (man vergleiche oben, was wir aus Chry-
ſophirons Schriften mitgetheilt haben) war das moderne Roſen-
kreuzerthum nichts als eine Vereinigung von Männern, die,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0332" n="314"/>
wichtig&#x017F;ten, ja überhaupt die <hi rendition="#g">einzig wichtigen</hi> Mitglieder<lb/>
waren. Ohne die Namen Bi&#x017F;chofswerder und Wöllner wären<lb/>
die Ro&#x017F;enkreuzer wie &#x017F;o viele andere Orden jener Zeit ohne<lb/>
Sang und Klang vom Schauplatz abgetreten.</p><lb/>
          <p>Was wollte der Orden? wie ent&#x017F;tand er? Er war, &#x017F;ei-<lb/>
nem Kern und We&#x017F;en nach, eine Unausbleiblichkeit, weil ein<lb/>
naturgemäßer Rück&#x017F;chlag. Wir gedenken hier keineswegs in eine<lb/>
Polemik gegen den Rationalismus einzutreten (er i&#x017F;t lange der<lb/>
&#x201E;Uebel größtes <hi rendition="#g">nicht</hi>&#x201C;), wir con&#x017F;tatiren nur einfach eine That-<lb/>
&#x017F;ache, wenn wir hervorheben, daß die&#x017F;e Dinge einem be&#x017F;tändi-<lb/>
gen Wech&#x017F;el unterliegen und daß man in den letzten Regie-<lb/>
rungsjahren Friedrichs des Großen in vielen Krei&#x017F;en anfing,<lb/>
der Aufklärung wenig froh zu werden. Gegen&#x017F;ätze, die &#x017F;ich<lb/>
befehden, die beide in der Natur des Men&#x017F;chen ihre Wurzel<lb/>
und ihre Berechtigung finden, pflegen &#x017F;ich unter einander in<lb/>
Herr&#x017F;chaft und Obmacht abzulö&#x017F;en. Dem Puritanismus folgte<lb/>
Libertinage, der &#x017F;tarren Orthodoxie Friedrich Wilhelms <hi rendition="#aq">I.</hi> folgte<lb/>
der Voltairianismus der Fridericiani&#x017F;chen Zeit, dem Kosmopo-<lb/>
litismus folgte eine nationale Bewegung und dem Illuminaten-<lb/>
thum, das überall ein Licht anzünden wollte, mußte naturge-<lb/>
mäß irgend ein Ro&#x017F;enkreuzerthum folgen, das davon ausging:<lb/>
alles Tiefe liegt nicht im Licht, &#x017F;ondern im Dunkel. Das<lb/>
Empfinden der Zeiten und der Individuen wird in Bezug auf<lb/>
die&#x017F;e Frage immer aus einander gehen und jene Enthu&#x017F;ia&#x017F;ten,<lb/>
die überall ein Räth&#x017F;el, ein Wunder, ein directes Eingreifen<lb/>
Gottes &#x017F;ehen, wo der Nüchternheitsmen&#x017F;ch einfach das Verhält-<lb/>
niß von Ur&#x017F;ache und Wirkung zu erkennen glaubt, die&#x017F;e phan-<lb/><supplied>t</supplied>a&#x017F;iereicheren, un&#x017F;erer be&#x017F;ten Ueberzeugung nach höher angeleg-<lb/>
ten Naturen dürfen minde&#x017F;tens <hi rendition="#g">eins</hi> verlangen: Gleich&#x017F;tellung<lb/>
in bürgerlicher Ehre. Es i&#x017F;t nichts damit gethan, ihnen ein-<lb/>
fach den Zettel &#x201E;Dunkelmänner&#x201C; aufzukleben und &#x017F;ie damit,<lb/>
zu beliebiger Verhöhnung, auf den Markt zu &#x017F;tellen. Seinem<lb/>
Kern und We&#x017F;en nach (man vergleiche oben, was wir aus Chry-<lb/>
&#x017F;ophirons Schriften mitgetheilt haben) war das moderne Ro&#x017F;en-<lb/>
kreuzerthum nichts als eine Vereinigung von Männern, die,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[314/0332] wichtigſten, ja überhaupt die einzig wichtigen Mitglieder waren. Ohne die Namen Biſchofswerder und Wöllner wären die Roſenkreuzer wie ſo viele andere Orden jener Zeit ohne Sang und Klang vom Schauplatz abgetreten. Was wollte der Orden? wie entſtand er? Er war, ſei- nem Kern und Weſen nach, eine Unausbleiblichkeit, weil ein naturgemäßer Rückſchlag. Wir gedenken hier keineswegs in eine Polemik gegen den Rationalismus einzutreten (er iſt lange der „Uebel größtes nicht“), wir conſtatiren nur einfach eine That- ſache, wenn wir hervorheben, daß dieſe Dinge einem beſtändi- gen Wechſel unterliegen und daß man in den letzten Regie- rungsjahren Friedrichs des Großen in vielen Kreiſen anfing, der Aufklärung wenig froh zu werden. Gegenſätze, die ſich befehden, die beide in der Natur des Menſchen ihre Wurzel und ihre Berechtigung finden, pflegen ſich unter einander in Herrſchaft und Obmacht abzulöſen. Dem Puritanismus folgte Libertinage, der ſtarren Orthodoxie Friedrich Wilhelms I. folgte der Voltairianismus der Fridericianiſchen Zeit, dem Kosmopo- litismus folgte eine nationale Bewegung und dem Illuminaten- thum, das überall ein Licht anzünden wollte, mußte naturge- mäß irgend ein Roſenkreuzerthum folgen, das davon ausging: alles Tiefe liegt nicht im Licht, ſondern im Dunkel. Das Empfinden der Zeiten und der Individuen wird in Bezug auf dieſe Frage immer aus einander gehen und jene Enthuſiaſten, die überall ein Räthſel, ein Wunder, ein directes Eingreifen Gottes ſehen, wo der Nüchternheitsmenſch einfach das Verhält- niß von Urſache und Wirkung zu erkennen glaubt, dieſe phan- taſiereicheren, unſerer beſten Ueberzeugung nach höher angeleg- ten Naturen dürfen mindeſtens eins verlangen: Gleichſtellung in bürgerlicher Ehre. Es iſt nichts damit gethan, ihnen ein- fach den Zettel „Dunkelmänner“ aufzukleben und ſie damit, zu beliebiger Verhöhnung, auf den Markt zu ſtellen. Seinem Kern und Weſen nach (man vergleiche oben, was wir aus Chry- ſophirons Schriften mitgetheilt haben) war das moderne Roſen- kreuzerthum nichts als eine Vereinigung von Männern, die,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/332
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/332>, abgerufen am 24.11.2024.