nächst stehenden hohen Pappeln beugten sich, Blätter, wie Flocken, fielen auf uns nieder, die Chaussee herauf kam eine Wolke von Kies und Staub und über den ganzen Himmel hin rollte die erste Ankündigung des Gewitters. Es war, als ob wir erleben sollten, daß auch diese Stille täusche. Ueber- all rollen die Donner Gottes und künden, daß kein ewiger Friede sei.
Einen Augenblick schwankten wir, ob wir von der Poesie des Gegensatzes Nutzen ziehen und die sich öffnenden Schloß- räume, die verblaßten Zeichen stillen Familienglücks, bei Ge- witterschein in Augenschein nehmen sollten, aber das mahnende Wort: "das kommt schwer herauf" gab uns doch zu denken, und nachdem erst einmal gezweifelt und der "angebornen Farbe der Entschließung" die bekannte Gedankenblässe angekränkelt war, gaben wir's auf und nahmen die Einladung an, die uns in die Wohnung des Hofgärtners führte. Es war die höchste Zeit; noch trafen uns die ersten großen Tropfen; kaum unter Dach und das Schauspiel begann: Regen und Feuer fielen vom Himmel nieder. Als es vorüber war, war es zu spät, den Rückweg anzutreten; die Wege waren grundlos, die tiefen Stellen unter Wasser; wir blieben zu Nacht. Wer einregnet und eingewittert, mög' es immer so gastlich treffen, wie wir im Gärtnerhause zu Paretz.
Ein Morgen kam, wie er nur nach solchem Abend kommt. Die Sonne funkelte wie gebadet, und als die Läden des Schlosses sich wieder öffneten, schoß das Licht hinein und lief wie ein Blitz durch alle Räume. Das Dunstige und Trüb- selige, das sonst in solchen Räumen zu Hause ist, es war wie ausgefegt; Licht macht wohnlich, Alles schien bereit; es war, als solle das schöne königliche Paar, das hier vor siebenzig Jahren lebte und lachte, jeden Augenblick wieder seinen Einzug halten.
Und wenn es so wäre, sie würden die Stätte ihres Glücks wenig verändert finden. Da sind noch dieselben Tape- ten und Wandgemälde, dieselben kissenreichen, mit Zitz über-
nächſt ſtehenden hohen Pappeln beugten ſich, Blätter, wie Flocken, fielen auf uns nieder, die Chauſſee herauf kam eine Wolke von Kies und Staub und über den ganzen Himmel hin rollte die erſte Ankündigung des Gewitters. Es war, als ob wir erleben ſollten, daß auch dieſe Stille täuſche. Ueber- all rollen die Donner Gottes und künden, daß kein ewiger Friede ſei.
Einen Augenblick ſchwankten wir, ob wir von der Poeſie des Gegenſatzes Nutzen ziehen und die ſich öffnenden Schloß- räume, die verblaßten Zeichen ſtillen Familienglücks, bei Ge- witterſchein in Augenſchein nehmen ſollten, aber das mahnende Wort: „das kommt ſchwer herauf“ gab uns doch zu denken, und nachdem erſt einmal gezweifelt und der „angebornen Farbe der Entſchließung“ die bekannte Gedankenbläſſe angekränkelt war, gaben wir’s auf und nahmen die Einladung an, die uns in die Wohnung des Hofgärtners führte. Es war die höchſte Zeit; noch trafen uns die erſten großen Tropfen; kaum unter Dach und das Schauſpiel begann: Regen und Feuer fielen vom Himmel nieder. Als es vorüber war, war es zu ſpät, den Rückweg anzutreten; die Wege waren grundlos, die tiefen Stellen unter Waſſer; wir blieben zu Nacht. Wer einregnet und eingewittert, mög’ es immer ſo gaſtlich treffen, wie wir im Gärtnerhauſe zu Paretz.
Ein Morgen kam, wie er nur nach ſolchem Abend kommt. Die Sonne funkelte wie gebadet, und als die Läden des Schloſſes ſich wieder öffneten, ſchoß das Licht hinein und lief wie ein Blitz durch alle Räume. Das Dunſtige und Trüb- ſelige, das ſonſt in ſolchen Räumen zu Hauſe iſt, es war wie ausgefegt; Licht macht wohnlich, Alles ſchien bereit; es war, als ſolle das ſchöne königliche Paar, das hier vor ſiebenzig Jahren lebte und lachte, jeden Augenblick wieder ſeinen Einzug halten.
Und wenn es ſo wäre, ſie würden die Stätte ihres Glücks wenig verändert finden. Da ſind noch dieſelben Tape- ten und Wandgemälde, dieſelben kiſſenreichen, mit Zitz über-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0352"n="334"/>
nächſt ſtehenden hohen Pappeln beugten ſich, Blätter, wie<lb/>
Flocken, fielen auf uns nieder, die Chauſſee herauf kam eine<lb/>
Wolke von Kies und Staub und über den ganzen Himmel hin<lb/>
rollte die erſte Ankündigung des Gewitters. Es war, als ob<lb/>
wir erleben ſollten, daß auch <hirendition="#g">dieſe</hi> Stille täuſche. Ueber-<lb/>
all rollen die Donner Gottes und künden, daß kein ewiger<lb/>
Friede ſei.</p><lb/><p>Einen Augenblick ſchwankten wir, ob wir von der Poeſie<lb/>
des Gegenſatzes Nutzen ziehen und die ſich öffnenden Schloß-<lb/>
räume, die verblaßten Zeichen ſtillen Familienglücks, bei Ge-<lb/>
witterſchein in Augenſchein nehmen ſollten, aber das mahnende<lb/>
Wort: „das kommt ſchwer herauf“ gab uns doch zu denken,<lb/>
und nachdem erſt einmal gezweifelt und der „angebornen Farbe<lb/>
der Entſchließung“ die bekannte Gedankenbläſſe angekränkelt<lb/>
war, gaben wir’s auf und nahmen die Einladung an, die uns<lb/>
in die Wohnung des Hofgärtners führte. Es war die höchſte<lb/>
Zeit; noch trafen uns die erſten großen Tropfen; kaum unter<lb/>
Dach und das Schauſpiel begann: Regen und Feuer fielen<lb/>
vom Himmel nieder. Als es vorüber war, war es zu ſpät,<lb/>
den Rückweg anzutreten; die Wege waren grundlos, die tiefen<lb/>
Stellen unter Waſſer; wir blieben zu Nacht. Wer einregnet<lb/>
und eingewittert, mög’ es immer ſo gaſtlich treffen, wie wir<lb/>
im Gärtnerhauſe zu Paretz.</p><lb/><p>Ein Morgen kam, wie er nur nach <hirendition="#g">ſolchem</hi> Abend kommt.<lb/>
Die Sonne funkelte wie gebadet, und als die Läden des<lb/>
Schloſſes ſich wieder öffneten, ſchoß das Licht hinein und lief<lb/>
wie ein Blitz durch alle Räume. Das Dunſtige und Trüb-<lb/>ſelige, das ſonſt in ſolchen Räumen zu Hauſe iſt, es war wie<lb/>
ausgefegt; Licht macht wohnlich, Alles ſchien bereit; es war,<lb/>
als ſolle das ſchöne königliche Paar, das hier vor ſiebenzig<lb/>
Jahren lebte und lachte, jeden Augenblick wieder ſeinen Einzug<lb/>
halten.</p><lb/><p>Und <hirendition="#g">wenn</hi> es ſo wäre, ſie würden die Stätte ihres<lb/>
Glücks wenig verändert finden. Da ſind noch dieſelben Tape-<lb/>
ten und Wandgemälde, dieſelben kiſſenreichen, mit Zitz über-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[334/0352]
nächſt ſtehenden hohen Pappeln beugten ſich, Blätter, wie
Flocken, fielen auf uns nieder, die Chauſſee herauf kam eine
Wolke von Kies und Staub und über den ganzen Himmel hin
rollte die erſte Ankündigung des Gewitters. Es war, als ob
wir erleben ſollten, daß auch dieſe Stille täuſche. Ueber-
all rollen die Donner Gottes und künden, daß kein ewiger
Friede ſei.
Einen Augenblick ſchwankten wir, ob wir von der Poeſie
des Gegenſatzes Nutzen ziehen und die ſich öffnenden Schloß-
räume, die verblaßten Zeichen ſtillen Familienglücks, bei Ge-
witterſchein in Augenſchein nehmen ſollten, aber das mahnende
Wort: „das kommt ſchwer herauf“ gab uns doch zu denken,
und nachdem erſt einmal gezweifelt und der „angebornen Farbe
der Entſchließung“ die bekannte Gedankenbläſſe angekränkelt
war, gaben wir’s auf und nahmen die Einladung an, die uns
in die Wohnung des Hofgärtners führte. Es war die höchſte
Zeit; noch trafen uns die erſten großen Tropfen; kaum unter
Dach und das Schauſpiel begann: Regen und Feuer fielen
vom Himmel nieder. Als es vorüber war, war es zu ſpät,
den Rückweg anzutreten; die Wege waren grundlos, die tiefen
Stellen unter Waſſer; wir blieben zu Nacht. Wer einregnet
und eingewittert, mög’ es immer ſo gaſtlich treffen, wie wir
im Gärtnerhauſe zu Paretz.
Ein Morgen kam, wie er nur nach ſolchem Abend kommt.
Die Sonne funkelte wie gebadet, und als die Läden des
Schloſſes ſich wieder öffneten, ſchoß das Licht hinein und lief
wie ein Blitz durch alle Räume. Das Dunſtige und Trüb-
ſelige, das ſonſt in ſolchen Räumen zu Hauſe iſt, es war wie
ausgefegt; Licht macht wohnlich, Alles ſchien bereit; es war,
als ſolle das ſchöne königliche Paar, das hier vor ſiebenzig
Jahren lebte und lachte, jeden Augenblick wieder ſeinen Einzug
halten.
Und wenn es ſo wäre, ſie würden die Stätte ihres
Glücks wenig verändert finden. Da ſind noch dieſelben Tape-
ten und Wandgemälde, dieſelben kiſſenreichen, mit Zitz über-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/352>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.