der Eigentlichen einreiht. Dies, was sie voraus hat, ist ihr historisches Gepräge, ist der Umstand, daß sie, bis in aller- frühste Zeiten zurück (ja damals mehr denn später) ein Grenz- fluß war, und es dadurch, weit über Löcknitz und Stobber hinaus, zu einer politischen Bedeutung brachte. Man könnte die Nuthe nach dieser Seite hin mit der Königsau vergleichen, die, auch nur ein Wässerchen von kaum Nuthe-Bedeutung, doch als Grenzlinie zwischen deutscher und skandinavischer Welt zu einem Ansehn kam, um das sie mancher Groß-Strom be- neiden könnte.
Die zwei Welten, zwischen die sich die Nuthe trennend schob, hießen zwar nur Zauche und Teltow und werden in den großen Büchern nicht verzeichnet stehen, aber es traf sich durch ein ganzes Jahrhundert hin, daß diese zwei kleinen Namen in der That zwei Welten schieden: die germanische und die sla- vische. Die Zauche, durch Albrecht den Bären unterworfen, war christlich und deutsch, der Teltow, den alten Göttern treu verblieben, stak noch in Heiden- und Wendenthum. Das war die Zeit, als die Nuthe ihre großen historischen Tage zählte; das war das Jahrhundert der "Nutheburgen."
Diese (die Nutheburgen) wuchsen auf, als aus Brennibor ein Brandenburg wurde. Sie waren Mittelpunkte und Zeu- gen des Kampfes, der damals das christliche Vorland zwischen Elbe und Oder bewegte. Ob sie, in den Jahrzehnten ihres Entstehens, Aggressiv- oder Defensiv-Punkte waren, ob sie die Deutschen bauten, um von der Zauche aus den Teltow zu erobern, oder ob sie die Wenden bauten, um der vordrin- genden Eroberung einen Damm entgegenzusetzen, -- diese Fra- gen werden nie mehr gelöst werden; alle Aufzeichnungen fehlen und die Schlüsse, die man aus diesem und jenem gezogen hat, werden es nie mehr über die vagste Hypothese hinausbringen. Die Nutheburgen jener ersten christlichen Epoche sind todt, und vielleicht eben deshalb zählen sie zu den Lieblingen märkisch- archäologischer Forschung. Man kennt wenig mehr als ihre
der Eigentlichen einreiht. Dies, was ſie voraus hat, iſt ihr hiſtoriſches Gepräge, iſt der Umſtand, daß ſie, bis in aller- frühſte Zeiten zurück (ja damals mehr denn ſpäter) ein Grenz- fluß war, und es dadurch, weit über Löcknitz und Stobber hinaus, zu einer politiſchen Bedeutung brachte. Man könnte die Nuthe nach dieſer Seite hin mit der Königsau vergleichen, die, auch nur ein Wäſſerchen von kaum Nuthe-Bedeutung, doch als Grenzlinie zwiſchen deutſcher und ſkandinaviſcher Welt zu einem Anſehn kam, um das ſie mancher Groß-Strom be- neiden könnte.
Die zwei Welten, zwiſchen die ſich die Nuthe trennend ſchob, hießen zwar nur Zauche und Teltow und werden in den großen Büchern nicht verzeichnet ſtehen, aber es traf ſich durch ein ganzes Jahrhundert hin, daß dieſe zwei kleinen Namen in der That zwei Welten ſchieden: die germaniſche und die ſla- viſche. Die Zauche, durch Albrecht den Bären unterworfen, war chriſtlich und deutſch, der Teltow, den alten Göttern treu verblieben, ſtak noch in Heiden- und Wendenthum. Das war die Zeit, als die Nuthe ihre großen hiſtoriſchen Tage zählte; das war das Jahrhundert der „Nutheburgen.“
Dieſe (die Nutheburgen) wuchſen auf, als aus Brennibor ein Brandenburg wurde. Sie waren Mittelpunkte und Zeu- gen des Kampfes, der damals das chriſtliche Vorland zwiſchen Elbe und Oder bewegte. Ob ſie, in den Jahrzehnten ihres Entſtehens, Aggreſſiv- oder Defenſiv-Punkte waren, ob ſie die Deutſchen bauten, um von der Zauche aus den Teltow zu erobern, oder ob ſie die Wenden bauten, um der vordrin- genden Eroberung einen Damm entgegenzuſetzen, — dieſe Fra- gen werden nie mehr gelöſt werden; alle Aufzeichnungen fehlen und die Schlüſſe, die man aus dieſem und jenem gezogen hat, werden es nie mehr über die vagſte Hypotheſe hinausbringen. Die Nutheburgen jener erſten chriſtlichen Epoche ſind todt, und vielleicht eben deshalb zählen ſie zu den Lieblingen märkiſch- archäologiſcher Forſchung. Man kennt wenig mehr als ihre
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der Eigentlichen einreiht. Dies, was ſie voraus hat, iſt ihr
hiſtoriſches Gepräge, iſt der Umſtand, daß ſie, bis in aller-
frühſte Zeiten zurück (ja damals mehr denn ſpäter) ein Grenz-
fluß war, und es dadurch, weit über Löcknitz und Stobber
hinaus, zu einer politiſchen Bedeutung brachte. Man könnte
die Nuthe nach dieſer Seite hin mit der Königsau vergleichen,
die, auch nur ein Wäſſerchen von kaum Nuthe-Bedeutung,
doch als Grenzlinie zwiſchen deutſcher und ſkandinaviſcher Welt
zu einem Anſehn kam, um das ſie mancher Groß-Strom be-
neiden könnte.
Die zwei Welten, zwiſchen die ſich die Nuthe trennend
ſchob, hießen zwar nur Zauche und Teltow und werden in
den großen Büchern nicht verzeichnet ſtehen, aber es traf ſich
durch ein ganzes Jahrhundert hin, daß dieſe zwei kleinen Namen
in der That zwei Welten ſchieden: die germaniſche und die ſla-
viſche. Die Zauche, durch Albrecht den Bären unterworfen,
war chriſtlich und deutſch, der Teltow, den alten Göttern
treu verblieben, ſtak noch in Heiden- und Wendenthum. Das
war die Zeit, als die Nuthe ihre großen hiſtoriſchen Tage
zählte; das war das Jahrhundert der „Nutheburgen.“
Dieſe (die Nutheburgen) wuchſen auf, als aus Brennibor
ein Brandenburg wurde. Sie waren Mittelpunkte und Zeu-
gen des Kampfes, der damals das chriſtliche Vorland zwiſchen
Elbe und Oder bewegte. Ob ſie, in den Jahrzehnten ihres
Entſtehens, Aggreſſiv- oder Defenſiv-Punkte waren, ob ſie die
Deutſchen bauten, um von der Zauche aus den Teltow zu
erobern, oder ob ſie die Wenden bauten, um der vordrin-
genden Eroberung einen Damm entgegenzuſetzen, — dieſe Fra-
gen werden nie mehr gelöſt werden; alle Aufzeichnungen fehlen
und die Schlüſſe, die man aus dieſem und jenem gezogen hat,
werden es nie mehr über die vagſte Hypotheſe hinausbringen.
Die Nutheburgen jener erſten chriſtlichen Epoche ſind todt, und
vielleicht eben deshalb zählen ſie zu den Lieblingen märkiſch-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/382>, abgerufen am 24.11.2024.
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