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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Abdallah, König der kleinen Bucharei, kommt auf einer
Pilgerreise, die er nach dem Grabe des Propheten unternimmt,
auch nach Delhi in Indien. Hier nimmt ihn Aurengzeb,
Beherrscher von Delhi, mit großer Gastfreundschaft auf. Die
Vermählung ihrer ältesten Kinder: des bucharischen Prinzen
Aliris und der indischen Prinzessin Lallah Rukh wird beschlos-
sen, und soll demnächst in Kaschmir, wo Prinz Aliris zurück-
geblieben ist, vollzogen werden. Lallah Rukh verläßt deshalb
Delhi und begiebt sich mit großem Gefolge nach Kaschmir.
Unterwegs wird sie durch die poetischen Erzählungen eines jun-
gen Dichters Namens Feramors unterhalten, der sich unter den
Personen befindet, die Prinz Aliris, von Kaschmir aus, zu
ihrem Empfange entgegengesandt hat. Vier Erzählungen sind
es nun, die ganz besonders die Theilnahme der Prinzessin
wecken: "Der verschleierte Prophet von Khorasan;" "Para-
dies und Peri;" die Geschichte "von den Ghebern" und
"Nurmahal und Dschehangir." Zuletzt fällt die Maske und
Feramors erweist sich als Prinz Aliris selbst.

So der Rahmen. Es ist bekannt, daß die vier poeti-
schen Erzählungen, die wir eben nannten, den eigentlichen
Inhalt der Dichtung bilden. Es wurde nun beschlossen die
Aufführung dahin zu regeln, daß das Erscheinen Abdallahs
am Hofe Aurengzebs durch einen großen, aus Bucharen und
Indern bestehenden Festzug, der Inhalt der vier Erzählungen
aber durch lebende Bilder, unter Vortrag eines angepaß-
ten musikalischen Textes dargestellt werden solle. Und so ge-
schah es.

Unter den Klängen eines eigens für diese Feier kompo-
nirten Marsches setzte sich der aus 168 Personen bestehende
Festzug in Bewegung, durchschritt die bekannten Paradekammern
des Schlosses, trat in den weißen Saal ein und nahm hier
vor der errichteten Bühne Platz. Nun ging der Vorhang auf
und in rascher Reihenfolge folgte Bild auf Bild, im Ganzen
zwölf. Der Erfolg war der glänzendste, wie bei den Kräften,
die mitgewirkt hatten, nicht anders zu erwarten stand. Die

Abdallah, König der kleinen Bucharei, kommt auf einer
Pilgerreiſe, die er nach dem Grabe des Propheten unternimmt,
auch nach Delhi in Indien. Hier nimmt ihn Aurengzeb,
Beherrſcher von Delhi, mit großer Gaſtfreundſchaft auf. Die
Vermählung ihrer älteſten Kinder: des buchariſchen Prinzen
Aliris und der indiſchen Prinzeſſin Lallah Rukh wird beſchloſ-
ſen, und ſoll demnächſt in Kaſchmir, wo Prinz Aliris zurück-
geblieben iſt, vollzogen werden. Lallah Rukh verläßt deshalb
Delhi und begiebt ſich mit großem Gefolge nach Kaſchmir.
Unterwegs wird ſie durch die poetiſchen Erzählungen eines jun-
gen Dichters Namens Feramors unterhalten, der ſich unter den
Perſonen befindet, die Prinz Aliris, von Kaſchmir aus, zu
ihrem Empfange entgegengeſandt hat. Vier Erzählungen ſind
es nun, die ganz beſonders die Theilnahme der Prinzeſſin
wecken: „Der verſchleierte Prophet von Khoraſan;“ „Para-
dies und Peri;“ die Geſchichte „von den Ghebern“ und
„Nurmahal und Dſchehangir.“ Zuletzt fällt die Maske und
Feramors erweiſt ſich als Prinz Aliris ſelbſt.

So der Rahmen. Es iſt bekannt, daß die vier poeti-
ſchen Erzählungen, die wir eben nannten, den eigentlichen
Inhalt der Dichtung bilden. Es wurde nun beſchloſſen die
Aufführung dahin zu regeln, daß das Erſcheinen Abdallahs
am Hofe Aurengzebs durch einen großen, aus Bucharen und
Indern beſtehenden Feſtzug, der Inhalt der vier Erzählungen
aber durch lebende Bilder, unter Vortrag eines angepaß-
ten muſikaliſchen Textes dargeſtellt werden ſolle. Und ſo ge-
ſchah es.

Unter den Klängen eines eigens für dieſe Feier kompo-
nirten Marſches ſetzte ſich der aus 168 Perſonen beſtehende
Feſtzug in Bewegung, durchſchritt die bekannten Paradekammern
des Schloſſes, trat in den weißen Saal ein und nahm hier
vor der errichteten Bühne Platz. Nun ging der Vorhang auf
und in raſcher Reihenfolge folgte Bild auf Bild, im Ganzen
zwölf. Der Erfolg war der glänzendſte, wie bei den Kräften,
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[386/0404] Abdallah, König der kleinen Bucharei, kommt auf einer Pilgerreiſe, die er nach dem Grabe des Propheten unternimmt, auch nach Delhi in Indien. Hier nimmt ihn Aurengzeb, Beherrſcher von Delhi, mit großer Gaſtfreundſchaft auf. Die Vermählung ihrer älteſten Kinder: des buchariſchen Prinzen Aliris und der indiſchen Prinzeſſin Lallah Rukh wird beſchloſ- ſen, und ſoll demnächſt in Kaſchmir, wo Prinz Aliris zurück- geblieben iſt, vollzogen werden. Lallah Rukh verläßt deshalb Delhi und begiebt ſich mit großem Gefolge nach Kaſchmir. Unterwegs wird ſie durch die poetiſchen Erzählungen eines jun- gen Dichters Namens Feramors unterhalten, der ſich unter den Perſonen befindet, die Prinz Aliris, von Kaſchmir aus, zu ihrem Empfange entgegengeſandt hat. Vier Erzählungen ſind es nun, die ganz beſonders die Theilnahme der Prinzeſſin wecken: „Der verſchleierte Prophet von Khoraſan;“ „Para- dies und Peri;“ die Geſchichte „von den Ghebern“ und „Nurmahal und Dſchehangir.“ Zuletzt fällt die Maske und Feramors erweiſt ſich als Prinz Aliris ſelbſt. So der Rahmen. Es iſt bekannt, daß die vier poeti- ſchen Erzählungen, die wir eben nannten, den eigentlichen Inhalt der Dichtung bilden. Es wurde nun beſchloſſen die Aufführung dahin zu regeln, daß das Erſcheinen Abdallahs am Hofe Aurengzebs durch einen großen, aus Bucharen und Indern beſtehenden Feſtzug, der Inhalt der vier Erzählungen aber durch lebende Bilder, unter Vortrag eines angepaß- ten muſikaliſchen Textes dargeſtellt werden ſolle. Und ſo ge- ſchah es. Unter den Klängen eines eigens für dieſe Feier kompo- nirten Marſches ſetzte ſich der aus 168 Perſonen beſtehende Feſtzug in Bewegung, durchſchritt die bekannten Paradekammern des Schloſſes, trat in den weißen Saal ein und nahm hier vor der errichteten Bühne Platz. Nun ging der Vorhang auf und in raſcher Reihenfolge folgte Bild auf Bild, im Ganzen zwölf. Der Erfolg war der glänzendſte, wie bei den Kräften, die mitgewirkt hatten, nicht anders zu erwarten ſtand. Die

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/404>, abgerufen am 27.07.2024.