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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Als Bischof Thietmar diese Schilderung von Rhetra ent-
warf, stand dasselbe noch in höchstem Ansehen bei der Gesammt-
heit des Wendenvolkes, aber schon wenige Jahre später ging
sein Ruhm als erste Tempel- und Orakelstätte des Wenden-
reiches unter; Arkona auf Rügen trat an seine Stelle. Nach
1066 hatten die Wenden, nach einem siegreichen Rachezuge, den
Bischof Johann von Mecklenburg nach Rhetra geschleppt und
dem Radigast das Haupt des Bischofs geopfert; aber dies Ereig-
niß führte zugleich zu jener Niederlage Rhetra's, von der es
sich nicht mehr ganz erholte. Im Winter 1067 auf 68 erschien
Bischof Burkhard von Halberstadt vor Rhetra, stürzte das
Götzenbild um und ritt auf dem weißen Rosse des
Radigast heim
. Dieser wohlberechnete Hohn blieb auf die
Wendenstämme nicht ohne Einfluß, Eifersucht gegen die Rhe-
darier kam hinzu, und so wendeten sich die Wendenstämme
von dem Radigast zu Rhetra, der sich schwach erwiesen hatte,
ab und dem Swatowit-Tempel in Arkona zu. Hundert Jahre
lang, von jenem Tage der Niederlage ab, glänzte nun Arkona,
wie vorher Rhetra geglänzt hatte. Auch von Arkona und
seinem Swatowit-Tempel besitzen wir eine Beschreibung. Es
scheint, daß 4 mächtige Holzpfeiler, die auf Thierhörnern ruhten,
ihrerseits ein Dach trugen, dessen Inneres dunkelroth getüncht
war. Der Raum zwischen den 4 Pfeilern war durch Bretter-
wände ausgefüllt, die allerhand bunt bemaltes Schnitzwerk tru-
gen. Dies alles aber war nur die Außenhülle, und 4 mäch-
tige Innen-Pfeiler, durch Vorhänge geschlossen, theilten den
inneren Tempelraum wieder in zwei Hälften, in ein Heiligstes
und Allerheiligstes. In dem letzteren erst stand das Bild Swa-
towit's. Arkona hatte besondere Tempeldiener, und mehr und
mehr bildete sich hier eine Priesterkaste aus. Sie unterschieden
sich schon durch Tracht und Kleidung von dem Rest der Nation
und trugen Bart und Haar lang herabwallend, während die
übrigen Ranen Bart und Haar geschoren trugen. Sie gehörten
zu den Edlen des Landes; kriegerische und priesterliche Thätig-
keit galt überhaupt den Wenden als wohl vereinbar.

Als Biſchof Thietmar dieſe Schilderung von Rhetra ent-
warf, ſtand daſſelbe noch in höchſtem Anſehen bei der Geſammt-
heit des Wendenvolkes, aber ſchon wenige Jahre ſpäter ging
ſein Ruhm als erſte Tempel- und Orakelſtätte des Wenden-
reiches unter; Arkona auf Rügen trat an ſeine Stelle. Nach
1066 hatten die Wenden, nach einem ſiegreichen Rachezuge, den
Biſchof Johann von Mecklenburg nach Rhetra geſchleppt und
dem Radigaſt das Haupt des Biſchofs geopfert; aber dies Ereig-
niß führte zugleich zu jener Niederlage Rhetra’s, von der es
ſich nicht mehr ganz erholte. Im Winter 1067 auf 68 erſchien
Biſchof Burkhard von Halberſtadt vor Rhetra, ſtürzte das
Götzenbild um und ritt auf dem weißen Roſſe des
Radigaſt heim
. Dieſer wohlberechnete Hohn blieb auf die
Wendenſtämme nicht ohne Einfluß, Eiferſucht gegen die Rhe-
darier kam hinzu, und ſo wendeten ſich die Wendenſtämme
von dem Radigaſt zu Rhetra, der ſich ſchwach erwieſen hatte,
ab und dem Swatowit-Tempel in Arkona zu. Hundert Jahre
lang, von jenem Tage der Niederlage ab, glänzte nun Arkona,
wie vorher Rhetra geglänzt hatte. Auch von Arkona und
ſeinem Swatowit-Tempel beſitzen wir eine Beſchreibung. Es
ſcheint, daß 4 mächtige Holzpfeiler, die auf Thierhörnern ruhten,
ihrerſeits ein Dach trugen, deſſen Inneres dunkelroth getüncht
war. Der Raum zwiſchen den 4 Pfeilern war durch Bretter-
wände ausgefüllt, die allerhand bunt bemaltes Schnitzwerk tru-
gen. Dies alles aber war nur die Außenhülle, und 4 mäch-
tige Innen-Pfeiler, durch Vorhänge geſchloſſen, theilten den
inneren Tempelraum wieder in zwei Hälften, in ein Heiligſtes
und Allerheiligſtes. In dem letzteren erſt ſtand das Bild Swa-
towit’s. Arkona hatte beſondere Tempeldiener, und mehr und
mehr bildete ſich hier eine Prieſterkaſte aus. Sie unterſchieden
ſich ſchon durch Tracht und Kleidung von dem Reſt der Nation
und trugen Bart und Haar lang herabwallend, während die
übrigen Ranen Bart und Haar geſchoren trugen. Sie gehörten
zu den Edlen des Landes; kriegeriſche und prieſterliche Thätig-
keit galt überhaupt den Wenden als wohl vereinbar.

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[27/0045] Als Biſchof Thietmar dieſe Schilderung von Rhetra ent- warf, ſtand daſſelbe noch in höchſtem Anſehen bei der Geſammt- heit des Wendenvolkes, aber ſchon wenige Jahre ſpäter ging ſein Ruhm als erſte Tempel- und Orakelſtätte des Wenden- reiches unter; Arkona auf Rügen trat an ſeine Stelle. Nach 1066 hatten die Wenden, nach einem ſiegreichen Rachezuge, den Biſchof Johann von Mecklenburg nach Rhetra geſchleppt und dem Radigaſt das Haupt des Biſchofs geopfert; aber dies Ereig- niß führte zugleich zu jener Niederlage Rhetra’s, von der es ſich nicht mehr ganz erholte. Im Winter 1067 auf 68 erſchien Biſchof Burkhard von Halberſtadt vor Rhetra, ſtürzte das Götzenbild um und ritt auf dem weißen Roſſe des Radigaſt heim. Dieſer wohlberechnete Hohn blieb auf die Wendenſtämme nicht ohne Einfluß, Eiferſucht gegen die Rhe- darier kam hinzu, und ſo wendeten ſich die Wendenſtämme von dem Radigaſt zu Rhetra, der ſich ſchwach erwieſen hatte, ab und dem Swatowit-Tempel in Arkona zu. Hundert Jahre lang, von jenem Tage der Niederlage ab, glänzte nun Arkona, wie vorher Rhetra geglänzt hatte. Auch von Arkona und ſeinem Swatowit-Tempel beſitzen wir eine Beſchreibung. Es ſcheint, daß 4 mächtige Holzpfeiler, die auf Thierhörnern ruhten, ihrerſeits ein Dach trugen, deſſen Inneres dunkelroth getüncht war. Der Raum zwiſchen den 4 Pfeilern war durch Bretter- wände ausgefüllt, die allerhand bunt bemaltes Schnitzwerk tru- gen. Dies alles aber war nur die Außenhülle, und 4 mäch- tige Innen-Pfeiler, durch Vorhänge geſchloſſen, theilten den inneren Tempelraum wieder in zwei Hälften, in ein Heiligſtes und Allerheiligſtes. In dem letzteren erſt ſtand das Bild Swa- towit’s. Arkona hatte beſondere Tempeldiener, und mehr und mehr bildete ſich hier eine Prieſterkaſte aus. Sie unterſchieden ſich ſchon durch Tracht und Kleidung von dem Reſt der Nation und trugen Bart und Haar lang herabwallend, während die übrigen Ranen Bart und Haar geſchoren trugen. Sie gehörten zu den Edlen des Landes; kriegeriſche und prieſterliche Thätig- keit galt überhaupt den Wenden als wohl vereinbar.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/45>, abgerufen am 21.11.2024.