Massenbach. Der Schritt vom Frieden zum Schutz- und Trutz- bündniß ist in Wahrheit ein kleiner Schritt. Ich bin nicht für halbe Maßregeln. Entweder die nachdrucksvollste Fortsetzung des Krieges gegen Frankreich, oder Allianz mit dem Direktorium. Der Frieden ist eine halbe Maßregel.
Bischofswerder. Eine Allianz verbietet sich. Jedenfalls ist es zu früh. Man kann nicht wissen, welche Gestalt die Dinge in Frank- reich annehmen werden.
So schloß diese Unterhaltung. Am 5. April 1795 erfolgte der Bas- ler Frieden. Aus allen diesen Gesprächen aber, wie man auch politisch zu den in ihnen angeregten Fragen stehen mag, geht wenigstens soviel hervor, daß Bischofswerder nicht der Mann war, der weiter nichts that "als geheimnißvoll schweigen und wenn er ein Gespräch nicht vermei- den konnte, in unartikulirten Tönen zu sprechen."
Ignaz Aurelius Feßler,
katholischer Geistlicher, dann Freimaurer, dann protestantischer Consistorialpräsident in Rußland, gründete in den 90er Jahren in Carolath (Schlesien) den Evergeten-Bund. Diese Ver- bindung erstrebte ursprünglich nur gegenseitige sittliche und wissenschaft- liche Ausbildung; später aber, nachdem Feßler bereits ausgetreten war, erhielt der Bund auch einen politischen Charakter und drei unzufriedene Evergeten griffen den Grafen Hoym, Minister für Schlesien, heftig an. Nun erfolgten Nachforschungen, Verhaftungen, Beschlagnahmen; man fand auch Briefe von Feßler und setzte nunmehr diesen oben an auf die Liste der Conspiratoren. (Der König -- wie S. 275 erzählt -- strich eigenhändig Feßlers Namen von der Liste.) 1796 lebte F. in Berlin. Er befand sich damals in bedrückter Lage und in dieser Lage nahm ihn Bischofswerder, der ihm wohl wollte, mit nach Marquardt hinaus. Feßler selbst schreibt: "der General that das Mögliche; er nahm mich treuherzig auf, gab mir Gelegenheit, den rechtschaffenen Staatsmann (so weit es unter den verworrensten Umständen möglich war) in ihm zu verehren, den uneigennützigen Vater seiner Unterthanen in ihm zu lieben. Er schien Vertrauen zu mir gefaßt zu haben." Woran die Bemühungen Bischofswerders scheiterten, habe ich im Text S. 281 erzählt. 1798 wurde Feßler Rechtskonsulent in geistlichen und Schul-Angelegenheiten für Neu-Ost- und Südpreußen. Später, von 1803--7, lebte er auf dem Freigut Kleinwall an dem "mäandrischen Flüßchen Lökenitz," dann ein Jahr lang, bis 1808, in Nieder- schönhausen, dann etwa 1 oder 11/2 Jahre in Bukow bei Beeskow, an allen drei Orten literarisch thätig. -- Seine oben citirte Selbst- biographie: "Rückblicke auf meine 70jährige Pilgerschaft" bringt über
Maſſenbach. Der Schritt vom Frieden zum Schutz- und Trutz- bündniß iſt in Wahrheit ein kleiner Schritt. Ich bin nicht für halbe Maßregeln. Entweder die nachdrucksvollſte Fortſetzung des Krieges gegen Frankreich, oder Allianz mit dem Direktorium. Der Frieden iſt eine halbe Maßregel.
Biſchofswerder. Eine Allianz verbietet ſich. Jedenfalls iſt es zu früh. Man kann nicht wiſſen, welche Geſtalt die Dinge in Frank- reich annehmen werden.
So ſchloß dieſe Unterhaltung. Am 5. April 1795 erfolgte der Bas- ler Frieden. Aus allen dieſen Geſprächen aber, wie man auch politiſch zu den in ihnen angeregten Fragen ſtehen mag, geht wenigſtens ſoviel hervor, daß Biſchofswerder nicht der Mann war, der weiter nichts that „als geheimnißvoll ſchweigen und wenn er ein Geſpräch nicht vermei- den konnte, in unartikulirten Tönen zu ſprechen.“
Ignaz Aurelius Feßler,
katholiſcher Geiſtlicher, dann Freimaurer, dann proteſtantiſcher Conſiſtorialpräſident in Rußland, gründete in den 90er Jahren in Carolath (Schleſien) den Evergeten-Bund. Dieſe Ver- bindung erſtrebte urſprünglich nur gegenſeitige ſittliche und wiſſenſchaft- liche Ausbildung; ſpäter aber, nachdem Feßler bereits ausgetreten war, erhielt der Bund auch einen politiſchen Charakter und drei unzufriedene Evergeten griffen den Grafen Hoym, Miniſter für Schleſien, heftig an. Nun erfolgten Nachforſchungen, Verhaftungen, Beſchlagnahmen; man fand auch Briefe von Feßler und ſetzte nunmehr dieſen oben an auf die Liſte der Conſpiratoren. (Der König — wie S. 275 erzählt — ſtrich eigenhändig Feßlers Namen von der Liſte.) 1796 lebte F. in Berlin. Er befand ſich damals in bedrückter Lage und in dieſer Lage nahm ihn Biſchofswerder, der ihm wohl wollte, mit nach Marquardt hinaus. Feßler ſelbſt ſchreibt: „der General that das Mögliche; er nahm mich treuherzig auf, gab mir Gelegenheit, den rechtſchaffenen Staatsmann (ſo weit es unter den verworrenſten Umſtänden möglich war) in ihm zu verehren, den uneigennützigen Vater ſeiner Unterthanen in ihm zu lieben. Er ſchien Vertrauen zu mir gefaßt zu haben.“ Woran die Bemühungen Biſchofswerders ſcheiterten, habe ich im Text S. 281 erzählt. 1798 wurde Feßler Rechtskonſulent in geiſtlichen und Schul-Angelegenheiten für Neu-Oſt- und Südpreußen. Später, von 1803—7, lebte er auf dem Freigut Kleinwall an dem „mäandriſchen Flüßchen Lökenitz,“ dann ein Jahr lang, bis 1808, in Nieder- ſchönhauſen, dann etwa 1 oder 1½ Jahre in Bukow bei Beeskow, an allen drei Orten literariſch thätig. — Seine oben citirte Selbſt- biographie: „Rückblicke auf meine 70jährige Pilgerſchaft“ bringt über
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Maſſenbach. Der Schritt vom Frieden zum Schutz- und Trutz-
bündniß iſt in Wahrheit ein kleiner Schritt. Ich bin nicht für halbe
Maßregeln. Entweder die nachdrucksvollſte Fortſetzung des Krieges gegen
Frankreich, oder Allianz mit dem Direktorium. Der Frieden iſt eine
halbe Maßregel.
Biſchofswerder. Eine Allianz verbietet ſich. Jedenfalls iſt es
zu früh. Man kann nicht wiſſen, welche Geſtalt die Dinge in Frank-
reich annehmen werden.
So ſchloß dieſe Unterhaltung. Am 5. April 1795 erfolgte der Bas-
ler Frieden. Aus allen dieſen Geſprächen aber, wie man auch politiſch
zu den in ihnen angeregten Fragen ſtehen mag, geht wenigſtens ſoviel
hervor, daß Biſchofswerder nicht der Mann war, der weiter nichts that
„als geheimnißvoll ſchweigen und wenn er ein Geſpräch nicht vermei-
den konnte, in unartikulirten Tönen zu ſprechen.“
Ignaz Aurelius Feßler, katholiſcher Geiſtlicher, dann Freimaurer,
dann proteſtantiſcher Conſiſtorialpräſident in Rußland, gründete in den
90er Jahren in Carolath (Schleſien) den Evergeten-Bund. Dieſe Ver-
bindung erſtrebte urſprünglich nur gegenſeitige ſittliche und wiſſenſchaft-
liche Ausbildung; ſpäter aber, nachdem Feßler bereits ausgetreten war,
erhielt der Bund auch einen politiſchen Charakter und drei unzufriedene
Evergeten griffen den Grafen Hoym, Miniſter für Schleſien, heftig an.
Nun erfolgten Nachforſchungen, Verhaftungen, Beſchlagnahmen; man
fand auch Briefe von Feßler und ſetzte nunmehr dieſen oben an auf
die Liſte der Conſpiratoren. (Der König — wie S. 275 erzählt —
ſtrich eigenhändig Feßlers Namen von der Liſte.) 1796 lebte F. in
Berlin. Er befand ſich damals in bedrückter Lage und in dieſer Lage
nahm ihn Biſchofswerder, der ihm wohl wollte, mit nach Marquardt
hinaus. Feßler ſelbſt ſchreibt: „der General that das Mögliche; er
nahm mich treuherzig auf, gab mir Gelegenheit, den rechtſchaffenen
Staatsmann (ſo weit es unter den verworrenſten Umſtänden möglich
war) in ihm zu verehren, den uneigennützigen Vater ſeiner Unterthanen
in ihm zu lieben. Er ſchien Vertrauen zu mir gefaßt zu haben.“
Woran die Bemühungen Biſchofswerders ſcheiterten, habe ich im Text
S. 281 erzählt. 1798 wurde Feßler Rechtskonſulent in geiſtlichen und
Schul-Angelegenheiten für Neu-Oſt- und Südpreußen. Später, von
1803—7, lebte er auf dem Freigut Kleinwall an dem „mäandriſchen
Flüßchen Lökenitz,“ dann ein Jahr lang, bis 1808, in Nieder-
ſchönhauſen, dann etwa 1 oder 1½ Jahre in Bukow bei Beeskow,
an allen drei Orten literariſch thätig. — Seine oben citirte Selbſt-
biographie: „Rückblicke auf meine 70jährige Pilgerſchaft“ bringt über
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/458>, abgerufen am 24.11.2024.
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