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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Einend ſchirme alle Zweige
Einer Krone Laubgeflecht.*)

Außer dieſen Turnerfahrten ſcheint die Eiche, vorher und
nachher, nicht allzu viel geſehen und erlebt zu haben. Sie lebte
wie ſo mancher Alte, ſtill und abgeſchieden. Ein beſtändiges
Gleichmaß in beſtändigem Wechſel. Auf Sommerdürre folgten
die Stürme, dann fiel Schnee, dann war Alles Sumpf und
Bruch, dann wieder Sommerdürre; — ſo kamen die Jahre,
ſo gingen ſie. Nichts geſchah. Es giebt Hollunderbäume in
Pfarrgärten, die in 50 Jahren mehr geſehen haben, als die
große Eiche in 500. Nur die letzten Jahrzehnte ſchufen einen
Wandel: Landpartien und Berliner kamen.

Es handelte ſich jetzt für uns darum, ihr ein beſondere
Zeichen unſerer Huldigung zu geben. Ein dreimaliges Hurrah
erſchien uns für unſere civilen Verhältniſſe theils zu prätenſiös,
theils unausreichend. Aus dieſer Verlegenheit indeß ſollten wir
alsbald geriſſen werden; — unſer Reiſegefährte hatte alles bereits
ſinnig erwogen. Er nahm ſeine umſponnene Flaſche, füllte ein
Glas mit rothgoldenem Cap Conſtantia-Wein, trat vor und
ſprach: „Eiche, tauſendjährige, ſei uns gegrüßt! Hier hat der
Wende gelagert und der Berliner, und allerlei Wein, fränkiſcher
und deutſcher, nicht minder die „gebrannten Wäſſer“ beider
Indien, Jamaica’s und Goa’s, ſind Dir zu Ehren an dieſer

*) Dieſe Verſe, wie ich nachträglich erfahre, rühren nicht aus der
Jahn’ſchen Zeit her, ſondern ſind erſt, vor kaum zehn Jahren, nieder-
geſchrieben und an der Brieſelang-Eiche befeſtigt worden. Das geſchah
an einem heißen Auguſt-Nachmittage 1862 durch zwei Mitglieder des
kurz zuvor gegründeten Nauener Turnvereins. Der eine dieſer beiden
Turner hatte die Verſe verfaßt, der andere die techniſche Niederſchrift
geliefert. Beide Turner blieben ſeitdem vereint; ſie dienten in demſelben
Truppentheil (der Garde); ſie fochten am 3. Juli bei Königgrätz; und
abermals an einem heißen Auguſttage, heißer als jener Wandertag, der
ſie 8 Jahre vorher zur Königs-Eiche geführt hatte, ſtürmten ſie ge-
meinſchaftlich gegen St. Privat
. Beide fielen ſchwerverwundet,
der eine durch den Schenkel, der andere durch die Bruſt geſchoſſen;
beide ſind geneſen.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/71>, abgerufen am 20.02.2025.