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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Cisterz, gegründet 1098, waren nach 15 Jahren schon vier
mächtige Töchterklöster (La Ferte, Pontigny, Morimad und
Clairvaux) hervorgegangen, den Töchtern folgten wieder Töchter
und Enkeltöchter, und eh ein halbes Jahrhundert um war, war
nicht nur ein Netz von Cistercienser-Klöstern über das ganze
christliche Europa ausgebreitet, sondern auch tief in heidnische
Lande hinein, waren die Mönche von Cisterz mit dem Kreuz in
der Linken, mit Axt und Spaten in der Rechten, lehrend und
Acker bauend, bildend und heiligend vorgedrungen. Es war ein
in jenen raschen Proportionen sich mehrendes Anwachsen, wie
man es auf alten Stammbäumen veranschaulicht sieht, wo, von
Generation zu Generation, aus jedem einzelnen Neuzweig wie-
der zahllos andere neue Zweige sprießen, anwachsend zu Multi-
plicationen, wie bei der bekannten Verdoppelung der Schach-
brettfelder. 50 Jahre nach der Gründung des Ordens gab es
500, hundert Jahre nach der Gründung bereits 2000 Cister-
cienser-Klöster, und Caspar Jogelinus, ein Deutscher, hat uns
allein die Beschreibung von 791 Cistercienser-Klöstern hin-
terlassen. Von diesen 791 Klöstern waren 209 in Frankreich, 128
in England, Schottland und Irland und 109 in Deutschland.

Die Frage drängt sich auf, was diesem Orden zu so
rapidem Wachsthum verhalf und ihm, zwei Jahrhunderte lang,
in allen Ländern und an allen Höfen ein alles überstrahlendes
Ansehen lieh. Es waren wohl drei Ursachen, die zusammen
wirkten: die gehobene Stimmung der ganzen christlichen Welt
während der Epoche der ersten Kreuzzüge, die wunderbare, mit
unwiderstehlicher Gewalt ausgerüstete Erscheinung des heiligen
Bernhard, der, aus dem Orden heraus, bald nach Entstehung
desselben erwuchs und ihn dann durchleuchtete, und endlich drit-
tens die besondere, schon in aller Kürze angedeutete colonisa-
torische Eigenart dieses Ordens, die ihn in einer Zeit, in der
geistig und physisch überall auszuroden und urbar zu machen
war, als ein besonders geeignetes Werkzeug sowohl in der Hand
der Kirche wie auch des weltlichen Fürstenthums erscheinen
lassen mußte.

Ciſterz, gegründet 1098, waren nach 15 Jahren ſchon vier
mächtige Töchterklöſter (La Ferté, Pontigny, Morimad und
Clairvaux) hervorgegangen, den Töchtern folgten wieder Töchter
und Enkeltöchter, und eh ein halbes Jahrhundert um war, war
nicht nur ein Netz von Ciſtercienſer-Klöſtern über das ganze
chriſtliche Europa ausgebreitet, ſondern auch tief in heidniſche
Lande hinein, waren die Mönche von Ciſterz mit dem Kreuz in
der Linken, mit Axt und Spaten in der Rechten, lehrend und
Acker bauend, bildend und heiligend vorgedrungen. Es war ein
in jenen raſchen Proportionen ſich mehrendes Anwachſen, wie
man es auf alten Stammbäumen veranſchaulicht ſieht, wo, von
Generation zu Generation, aus jedem einzelnen Neuzweig wie-
der zahllos andere neue Zweige ſprießen, anwachſend zu Multi-
plicationen, wie bei der bekannten Verdoppelung der Schach-
brettfelder. 50 Jahre nach der Gründung des Ordens gab es
500, hundert Jahre nach der Gründung bereits 2000 Ciſter-
cienſer-Klöſter, und Caspar Jogelinus, ein Deutſcher, hat uns
allein die Beſchreibung von 791 Ciſtercienſer-Klöſtern hin-
terlaſſen. Von dieſen 791 Klöſtern waren 209 in Frankreich, 128
in England, Schottland und Irland und 109 in Deutſchland.

Die Frage drängt ſich auf, was dieſem Orden zu ſo
rapidem Wachsthum verhalf und ihm, zwei Jahrhunderte lang,
in allen Ländern und an allen Höfen ein alles überſtrahlendes
Anſehen lieh. Es waren wohl drei Urſachen, die zuſammen
wirkten: die gehobene Stimmung der ganzen chriſtlichen Welt
während der Epoche der erſten Kreuzzüge, die wunderbare, mit
unwiderſtehlicher Gewalt ausgerüſtete Erſcheinung des heiligen
Bernhard, der, aus dem Orden heraus, bald nach Entſtehung
deſſelben erwuchs und ihn dann durchleuchtete, und endlich drit-
tens die beſondere, ſchon in aller Kürze angedeutete coloniſa-
toriſche Eigenart dieſes Ordens, die ihn in einer Zeit, in der
geiſtig und phyſiſch überall auszuroden und urbar zu machen
war, als ein beſonders geeignetes Werkzeug ſowohl in der Hand
der Kirche wie auch des weltlichen Fürſtenthums erſcheinen
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[69/0087] Ciſterz, gegründet 1098, waren nach 15 Jahren ſchon vier mächtige Töchterklöſter (La Ferté, Pontigny, Morimad und Clairvaux) hervorgegangen, den Töchtern folgten wieder Töchter und Enkeltöchter, und eh ein halbes Jahrhundert um war, war nicht nur ein Netz von Ciſtercienſer-Klöſtern über das ganze chriſtliche Europa ausgebreitet, ſondern auch tief in heidniſche Lande hinein, waren die Mönche von Ciſterz mit dem Kreuz in der Linken, mit Axt und Spaten in der Rechten, lehrend und Acker bauend, bildend und heiligend vorgedrungen. Es war ein in jenen raſchen Proportionen ſich mehrendes Anwachſen, wie man es auf alten Stammbäumen veranſchaulicht ſieht, wo, von Generation zu Generation, aus jedem einzelnen Neuzweig wie- der zahllos andere neue Zweige ſprießen, anwachſend zu Multi- plicationen, wie bei der bekannten Verdoppelung der Schach- brettfelder. 50 Jahre nach der Gründung des Ordens gab es 500, hundert Jahre nach der Gründung bereits 2000 Ciſter- cienſer-Klöſter, und Caspar Jogelinus, ein Deutſcher, hat uns allein die Beſchreibung von 791 Ciſtercienſer-Klöſtern hin- terlaſſen. Von dieſen 791 Klöſtern waren 209 in Frankreich, 128 in England, Schottland und Irland und 109 in Deutſchland. Die Frage drängt ſich auf, was dieſem Orden zu ſo rapidem Wachsthum verhalf und ihm, zwei Jahrhunderte lang, in allen Ländern und an allen Höfen ein alles überſtrahlendes Anſehen lieh. Es waren wohl drei Urſachen, die zuſammen wirkten: die gehobene Stimmung der ganzen chriſtlichen Welt während der Epoche der erſten Kreuzzüge, die wunderbare, mit unwiderſtehlicher Gewalt ausgerüſtete Erſcheinung des heiligen Bernhard, der, aus dem Orden heraus, bald nach Entſtehung deſſelben erwuchs und ihn dann durchleuchtete, und endlich drit- tens die beſondere, ſchon in aller Kürze angedeutete coloniſa- toriſche Eigenart dieſes Ordens, die ihn in einer Zeit, in der geiſtig und phyſiſch überall auszuroden und urbar zu machen war, als ein beſonders geeignetes Werkzeug ſowohl in der Hand der Kirche wie auch des weltlichen Fürſtenthums erſcheinen laſſen mußte.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/87>, abgerufen am 30.11.2024.