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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Bald zeigte sich die erfolgte Trennung auch in der änßeren
Erscheinung, bald auch in den Zwecken und Zielen des Ordens,
in der Art, wie er seine Aufgabe faßte. Was die Tracht an-
geht, so änderte bereits der heilige Alberich, der zweite Abt
von Citeaux, die Kleidung seiner Mönche, und das Kleid,
das vorher schwarz gewesen war, wurde weiß mit einem
schwarzen Gürtel und schwarzem Skapulier. Nach der
schönen Sage des Ordens war seine, des Alberich schwarze
Kleidung unter der Berührung der heiligen Jungfrau weiß
geworden.*)

Wichtiger aber als diese äußeren Abzeichen war die Wand-
lung, die der neue Zweig der Benediktiner innerlich erfuhr.
Er wurde eine Specialität, er wurde der Orden der Colo-
nisation
.

Nie hat ein Orden einen gleich raschen und gewaltigeren
Siegeszug über die Welt gehalten. Aus dem Mutterkloster

*) Dies weiße Kleid der Eistercienser war ihr besonderer Stolz,
und unter den zahlreichen Legenden +) dieses Ordens bezogen sich viele
auf die besondere Gunst, in der, bei Gott und Menschen, das "weiße
Kleid" stand. Im Jahre 1215 starb ein Cistercienser Mönch zu Cher
in Frankreich und wurde ohne sein Chorkleid begraben. Er kam zurück,
um sein Kleid zu holen, weil der heilige Benedikt ihm nicht anders den
Himmel aufschließen wollte. Der Prior gab es ihm, und er hatte nun
Ruhe und kam nicht wieder.
+) Unter den anderweiten Legenden des Ordens ist mir keine schöner erschienen
als die folgende: Im Jahre 1167 dachte Mönch Heron in Gallizien in der Frühmette
über die Worte nach: "Tausend Jahre sind vor Dir, Herr, wie der Tag, der gestern
vergangen ist." Er fand dies unbegreiflich und zweifelte. Als er aus der Kirche kam,
flatterte ein bunter Vogel über ihm und sang sehr lieblich. Heron, von der Schönheit
und dem Gesang des Vogels bezaubert, folgte ihm, wohin er flog, aus dem Kloster in
einem benachbarten Wald, der Vogel hüpfte von Zweig zu Zweig und sang immerfort
dreihundert Jahr lang. Als nun Heron dreihundert Jahr lang weder gehungert, noch
gedürstet, sondern allein von dem lieblichen Vogelgesang gelebt hatte, flog der Zauber-
vogel davon, und die Entzückung hörte auf. Heron kam nun wieder zu sich selbst und
besann sich, daß er so eben aus der Frühmette gekommen sei. Er kehrte zurück zum
Kloster und klopfte an die Klosterpforte, aber da waren weder Pförtner, noch Abt, noch
Brüder mehr, die ihn kannten. Sie waren alle längst todt; dreihundert Jahre waren
verflossen. "Tausend Jahre sind wie ein Tag."

Bald zeigte ſich die erfolgte Trennung auch in der änßeren
Erſcheinung, bald auch in den Zwecken und Zielen des Ordens,
in der Art, wie er ſeine Aufgabe faßte. Was die Tracht an-
geht, ſo änderte bereits der heilige Alberich, der zweite Abt
von Citeaux, die Kleidung ſeiner Mönche, und das Kleid,
das vorher ſchwarz geweſen war, wurde weiß mit einem
ſchwarzen Gürtel und ſchwarzem Skapulier. Nach der
ſchönen Sage des Ordens war ſeine, des Alberich ſchwarze
Kleidung unter der Berührung der heiligen Jungfrau weiß
geworden.*)

Wichtiger aber als dieſe äußeren Abzeichen war die Wand-
lung, die der neue Zweig der Benediktiner innerlich erfuhr.
Er wurde eine Specialität, er wurde der Orden der Colo-
niſation
.

Nie hat ein Orden einen gleich raſchen und gewaltigeren
Siegeszug über die Welt gehalten. Aus dem Mutterkloſter

*) Dies weiße Kleid der Eiſtercienſer war ihr beſonderer Stolz,
und unter den zahlreichen Legenden †) dieſes Ordens bezogen ſich viele
auf die beſondere Gunſt, in der, bei Gott und Menſchen, das „weiße
Kleid“ ſtand. Im Jahre 1215 ſtarb ein Ciſtercienſer Mönch zu Cher
in Frankreich und wurde ohne ſein Chorkleid begraben. Er kam zurück,
um ſein Kleid zu holen, weil der heilige Benedikt ihm nicht anders den
Himmel aufſchließen wollte. Der Prior gab es ihm, und er hatte nun
Ruhe und kam nicht wieder.
†) Unter den anderweiten Legenden des Ordens iſt mir keine ſchöner erſchienen
als die folgende: Im Jahre 1167 dachte Mönch Heron in Gallizien in der Frühmette
über die Worte nach: „Tauſend Jahre ſind vor Dir, Herr, wie der Tag, der geſtern
vergangen iſt.“ Er fand dies unbegreiflich und zweifelte. Als er aus der Kirche kam,
flatterte ein bunter Vogel über ihm und ſang ſehr lieblich. Heron, von der Schönheit
und dem Geſang des Vogels bezaubert, folgte ihm, wohin er flog, aus dem Kloſter in
einem benachbarten Wald, der Vogel hüpfte von Zweig zu Zweig und ſang immerfort
dreihundert Jahr lang. Als nun Heron dreihundert Jahr lang weder gehungert, noch
gedürſtet, ſondern allein von dem lieblichen Vogelgeſang gelebt hatte, flog der Zauber-
vogel davon, und die Entzückung hörte auf. Heron kam nun wieder zu ſich ſelbſt und
beſann ſich, daß er ſo eben aus der Frühmette gekommen ſei. Er kehrte zurück zum
Kloſter und klopfte an die Kloſterpforte, aber da waren weder Pförtner, noch Abt, noch
Brüder mehr, die ihn kannten. Sie waren alle längſt todt; dreihundert Jahre waren
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[68/0086] Bald zeigte ſich die erfolgte Trennung auch in der änßeren Erſcheinung, bald auch in den Zwecken und Zielen des Ordens, in der Art, wie er ſeine Aufgabe faßte. Was die Tracht an- geht, ſo änderte bereits der heilige Alberich, der zweite Abt von Citeaux, die Kleidung ſeiner Mönche, und das Kleid, das vorher ſchwarz geweſen war, wurde weiß mit einem ſchwarzen Gürtel und ſchwarzem Skapulier. Nach der ſchönen Sage des Ordens war ſeine, des Alberich ſchwarze Kleidung unter der Berührung der heiligen Jungfrau weiß geworden. *) Wichtiger aber als dieſe äußeren Abzeichen war die Wand- lung, die der neue Zweig der Benediktiner innerlich erfuhr. Er wurde eine Specialität, er wurde der Orden der Colo- niſation. Nie hat ein Orden einen gleich raſchen und gewaltigeren Siegeszug über die Welt gehalten. Aus dem Mutterkloſter *) Dies weiße Kleid der Eiſtercienſer war ihr beſonderer Stolz, und unter den zahlreichen Legenden †) dieſes Ordens bezogen ſich viele auf die beſondere Gunſt, in der, bei Gott und Menſchen, das „weiße Kleid“ ſtand. Im Jahre 1215 ſtarb ein Ciſtercienſer Mönch zu Cher in Frankreich und wurde ohne ſein Chorkleid begraben. Er kam zurück, um ſein Kleid zu holen, weil der heilige Benedikt ihm nicht anders den Himmel aufſchließen wollte. Der Prior gab es ihm, und er hatte nun Ruhe und kam nicht wieder. †) Unter den anderweiten Legenden des Ordens iſt mir keine ſchöner erſchienen als die folgende: Im Jahre 1167 dachte Mönch Heron in Gallizien in der Frühmette über die Worte nach: „Tauſend Jahre ſind vor Dir, Herr, wie der Tag, der geſtern vergangen iſt.“ Er fand dies unbegreiflich und zweifelte. Als er aus der Kirche kam, flatterte ein bunter Vogel über ihm und ſang ſehr lieblich. Heron, von der Schönheit und dem Geſang des Vogels bezaubert, folgte ihm, wohin er flog, aus dem Kloſter in einem benachbarten Wald, der Vogel hüpfte von Zweig zu Zweig und ſang immerfort dreihundert Jahr lang. Als nun Heron dreihundert Jahr lang weder gehungert, noch gedürſtet, ſondern allein von dem lieblichen Vogelgeſang gelebt hatte, flog der Zauber- vogel davon, und die Entzückung hörte auf. Heron kam nun wieder zu ſich ſelbſt und beſann ſich, daß er ſo eben aus der Frühmette gekommen ſei. Er kehrte zurück zum Kloſter und klopfte an die Kloſterpforte, aber da waren weder Pförtner, noch Abt, noch Brüder mehr, die ihn kannten. Sie waren alle längſt todt; dreihundert Jahre waren verfloſſen. „Tauſend Jahre ſind wie ein Tag.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/86>, abgerufen am 30.11.2024.