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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Jahre lang stand von jenem Tag an die helle Sonne dieser Frau
über dem dunklen Tannen-Lande und gab ihm eine Heiterkeit, die
es bis dahin nicht gekannt hatte. Aber ihr lachendes Auge, das
über so Vielem leuchtete, leuchtete nicht über Schloß Cöpenick.
Waren ihr die Zimmer zu hoch, die Bäume zu dunkel, die Tra-
ditionen zu trist, -- gleichviel, sie vermied die Stätte, darin die
hessische Prinzessin, des Kurprinzen erste Gemahlin, ihre Tage hin-
weg geängstigt hatte, und die sonnenbeschienenen Abhänge des
Dorfes Lützow entsprachen mehr ihrem heitern Sinn. Schloß
Cöpenick verödete, wurde stiller und verlassener als es je gewesen,
und Schloß Charlottenburg mit funkelnder Kuppel und goldnen
Figuren wuchs statt seiner empor.


Die Zeit Friedrich Wilhelms I.

Schloß Cöpenick war todt, bis es der soldatische Sohn Sophie
Charlottens zu neuem Leben erweckte. Die Jagdpassion kam wieder
zu Ehren, und Tage brachen wieder an, wie sie Kurfürst Joachim
nicht wilder und waidmännischer gekannt hatte. Jene Dianen-
bilder an Plafonds und Simsen, die dreißig Jahre lang ein Hohn
gewesen waren, sie kamen jetzt zum ersten Male seit Rütger
von Langenfeld
die Säle und Corridore mit ihnen geschmückt
hatte, zu ihrer Bedeutung und ihrem Recht. Jagd tobte wieder
um Schloß Cöpenick her und Fangeisen und Hörner waren wieder
in ihm zu Haus.

Diese Jagden zeichneten sich durch Gefahren aus, die mehr
aufzusuchen als zu vermeiden für guten Ton galt. Züge von
Ritterlichkeit machten sich geltend, die an den Hof Franz I. er-
innert haben würden, wenn nicht, an Stelle galanten Minne-
dienstes, jene kurbrandenburgische Derbheit vorgeherrscht hätte, der
zu allen Zeiten ein Kraftwort weit über ein Liebesgedicht oder ein
Wortspiel ging. Bei diesen Jagden, wie Schloß Cöpenick sie da-
mals häufig sah, wurde fast jedesmal der eine oder andere schwer
verwundet, wenn nicht getödtet. In ein viereckiges Gehege von
600 bis 700 Schritten, das von Leinen eingeschlossen war, ließ
man oft zwei- oder dreihundert wilde Schweine von jedem Alter

Jahre lang ſtand von jenem Tag an die helle Sonne dieſer Frau
über dem dunklen Tannen-Lande und gab ihm eine Heiterkeit, die
es bis dahin nicht gekannt hatte. Aber ihr lachendes Auge, das
über ſo Vielem leuchtete, leuchtete nicht über Schloß Cöpenick.
Waren ihr die Zimmer zu hoch, die Bäume zu dunkel, die Tra-
ditionen zu triſt, — gleichviel, ſie vermied die Stätte, darin die
heſſiſche Prinzeſſin, des Kurprinzen erſte Gemahlin, ihre Tage hin-
weg geängſtigt hatte, und die ſonnenbeſchienenen Abhänge des
Dorfes Lützow entſprachen mehr ihrem heitern Sinn. Schloß
Cöpenick verödete, wurde ſtiller und verlaſſener als es je geweſen,
und Schloß Charlottenburg mit funkelnder Kuppel und goldnen
Figuren wuchs ſtatt ſeiner empor.


Die Zeit Friedrich Wilhelms I.

Schloß Cöpenick war todt, bis es der ſoldatiſche Sohn Sophie
Charlottens zu neuem Leben erweckte. Die Jagdpaſſion kam wieder
zu Ehren, und Tage brachen wieder an, wie ſie Kurfürſt Joachim
nicht wilder und waidmänniſcher gekannt hatte. Jene Dianen-
bilder an Plafonds und Simſen, die dreißig Jahre lang ein Hohn
geweſen waren, ſie kamen jetzt zum erſten Male ſeit Rütger
von Langenfeld
die Säle und Corridore mit ihnen geſchmückt
hatte, zu ihrer Bedeutung und ihrem Recht. Jagd tobte wieder
um Schloß Cöpenick her und Fangeiſen und Hörner waren wieder
in ihm zu Haus.

Dieſe Jagden zeichneten ſich durch Gefahren aus, die mehr
aufzuſuchen als zu vermeiden für guten Ton galt. Züge von
Ritterlichkeit machten ſich geltend, die an den Hof Franz I. er-
innert haben würden, wenn nicht, an Stelle galanten Minne-
dienſtes, jene kurbrandenburgiſche Derbheit vorgeherrſcht hätte, der
zu allen Zeiten ein Kraftwort weit über ein Liebesgedicht oder ein
Wortſpiel ging. Bei dieſen Jagden, wie Schloß Cöpenick ſie da-
mals häufig ſah, wurde faſt jedesmal der eine oder andere ſchwer
verwundet, wenn nicht getödtet. In ein viereckiges Gehege von
600 bis 700 Schritten, das von Leinen eingeſchloſſen war, ließ
man oft zwei- oder dreihundert wilde Schweine von jedem Alter

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[96/0112] Jahre lang ſtand von jenem Tag an die helle Sonne dieſer Frau über dem dunklen Tannen-Lande und gab ihm eine Heiterkeit, die es bis dahin nicht gekannt hatte. Aber ihr lachendes Auge, das über ſo Vielem leuchtete, leuchtete nicht über Schloß Cöpenick. Waren ihr die Zimmer zu hoch, die Bäume zu dunkel, die Tra- ditionen zu triſt, — gleichviel, ſie vermied die Stätte, darin die heſſiſche Prinzeſſin, des Kurprinzen erſte Gemahlin, ihre Tage hin- weg geängſtigt hatte, und die ſonnenbeſchienenen Abhänge des Dorfes Lützow entſprachen mehr ihrem heitern Sinn. Schloß Cöpenick verödete, wurde ſtiller und verlaſſener als es je geweſen, und Schloß Charlottenburg mit funkelnder Kuppel und goldnen Figuren wuchs ſtatt ſeiner empor. Die Zeit Friedrich Wilhelms I. Schloß Cöpenick war todt, bis es der ſoldatiſche Sohn Sophie Charlottens zu neuem Leben erweckte. Die Jagdpaſſion kam wieder zu Ehren, und Tage brachen wieder an, wie ſie Kurfürſt Joachim nicht wilder und waidmänniſcher gekannt hatte. Jene Dianen- bilder an Plafonds und Simſen, die dreißig Jahre lang ein Hohn geweſen waren, ſie kamen jetzt zum erſten Male ſeit Rütger von Langenfeld die Säle und Corridore mit ihnen geſchmückt hatte, zu ihrer Bedeutung und ihrem Recht. Jagd tobte wieder um Schloß Cöpenick her und Fangeiſen und Hörner waren wieder in ihm zu Haus. Dieſe Jagden zeichneten ſich durch Gefahren aus, die mehr aufzuſuchen als zu vermeiden für guten Ton galt. Züge von Ritterlichkeit machten ſich geltend, die an den Hof Franz I. er- innert haben würden, wenn nicht, an Stelle galanten Minne- dienſtes, jene kurbrandenburgiſche Derbheit vorgeherrſcht hätte, der zu allen Zeiten ein Kraftwort weit über ein Liebesgedicht oder ein Wortſpiel ging. Bei dieſen Jagden, wie Schloß Cöpenick ſie da- mals häufig ſah, wurde faſt jedesmal der eine oder andere ſchwer verwundet, wenn nicht getödtet. In ein viereckiges Gehege von 600 bis 700 Schritten, das von Leinen eingeſchloſſen war, ließ man oft zwei- oder dreihundert wilde Schweine von jedem Alter

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/112>, abgerufen am 24.11.2024.